BGer 8C_444/2015 | |||
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BGer 8C_444/2015 vom 14.10.2015 | |
8C_444/2015 {T 0/2}
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Urteil vom 14. Oktober 2015 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
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Bundesrichter Ursprung, Maillard,
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Gerichtsschreiber Jancar.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Advokat Sebastian Laubscher,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Generali Allgemeine Versicherungen AG, Avenue Perdtemps 23, 1260 Nyon,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 28. Mai 2015.
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Sachverhalt: | |
A. Die 1975 geborene A.________ war Lageristin bei der Firma B.________ AG und damit bei der Generali Allgemeine Versicherungen AG (nachfolgend Generali) obligatorisch unfallversichert. Am 8. September 2009 sprang sie in suizidaler Absicht vom Balkon ihrer im 3. Stock befindlichen Wohnung. Sie zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Generali kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Sie holte diverse medizinische Berichte, ein Gutachten des Dr. med. C.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 8. April 2011 und ein interdisziplinäres Gutachten der Institution D.________ vom 30. Oktober 2012 ein. Auf die zum letztgenannten Gutachten abgegebene Stellungnahme der behandelnden Psychiaterin Frau Dr. med. E.________ vom 14. Februar 2013 antwortete die Institution D.________ am 11. März 2013. Am 12. April 2013 verfügte die Generali, für die Beschwerden am Bewegungsapparat würden die kurzfristigen Leistungen bis 16. Februar 2011 erbracht; für andere Einschränkungen würden ab 25. September 2012 mangels natürlicher Unfallkausalität keine Leistungen mehr erbracht; weiter verneinte sie den Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung. Hieran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. September 2013 fest.
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B. Hiegegen erhob die Versicherte beim Kantonsgericht Luzern Beschwerde. Sie legte eine fach-psychiatrische Stellungnahme der Gutachtenstelle F.________ vom 25. September 2013 auf. Die Vorinstanz holte eine Stellungnahme der Institution D.________ vom 4. März 2015 ein. Hierzu nahmen die Versicherte am 12. März 2015 und die Generali am 18. März 2015 Stellung. Die Versicherte reichte eine weitere Stellungnahme der Gutachtenstelle F.________ vom 16. April 2015 ein, wozu sich die Generali am 29. April 2015 vernehmen liess. Mit Entscheid vom 28. Mai 2015 wies die Vorinstanz die Beschwerde ab.
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C. Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheids seien ihr für die kognitiven Beschwerden die vollen Leistungen (Heilkosten, Rente, Integritäts- und Hilflosenentschädigung) zuzuerkennen; eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Generali zurückzuweisen; ihr seien die Kosten für die Stellungnahme der Gutachtenstelle F.________ vom 25. September 2013 aufzuerlegen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.
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Erwägungen: | |
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
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2. Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers erforderlichen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111), den Untersuchungsgrundsatz und den Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) sowie den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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3. Streitig und zu prüfen ist, ob die kognitiven Störungen der Versicherten unfallkausal sind.
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Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Akten mit einlässlicher Begründung - auf die verwiesen wird - erwogen, bezüglich der Kopfverletzung sei dem Gutachten der Institution D.________ vom 30. Oktober 2012 samt ihren Stellungnahmen vom 11. März 2013 und 4. März 2015 uneingeschränkter Beweiswert beizumessen. Die Gutachter hätten nach einlässlicher Diskussion der Faktenlage dargelegt, eine traumatische Genese sei nicht wahrscheinlicher als eine krankheitsbedingte. Gestützt hierauf sei der Nachweis einer überwiegend wahrscheinlichen Unfallursächlichkeit hinsichtlich der fortbestehenden kognitiven Ausfälle nicht erbracht, auch nicht im Sinne einer Teilursächlichkeit.
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4. Die Rügen der Versicherten vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Festzuhalten ist insbesondere Folgendes.
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4.1. Die Versicherte reicht neu ein Arbeitszeugnis der B.________ AG vom 30. September 2010 ein, legt jedoch nicht dar, dass ihr seine vorinstanzliche Beibringung trotz hinreichender Sorgfalt prozessual unmöglich bzw. objektiv unzumutbar war. Es ist somit unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG; nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 138 V 286, in SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7 [8C_690/2011]; ARV 2014 S. 226 E. 4 [8C_211/2014]). Soweit die Versicherte neu Ausdrucke der im Internet zugänglichen Homepages der Teilgutachterin Frau Dipl.-Psych. G.________ der Institution D.________ und der Deutschen Gesellschaft für Neuropsychologie auflegt, ist dies zulässig (nicht publ. E. 2.3 des Urteils BGE 136 V 395, in SVR 2011 KV Nr. 5 S. 20 [9C_334/2010]).
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4.2. Nicht gefolgt werden kann dem Einwand der Versicherten, durch den Beizug wichtiger medizinischer Akten erst im vorinstanzlichen Verfahren sei ihr Gehörsanspruch verletzt worden. Denn sie macht nicht geltend, vorinstanzlich habe sie zu diesen Akten nicht Stellung nehmen können.
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4.3. Die Versicherte rügt weiter, die psychiatrische Abklärung im Rahmen der Begutachtung der Institution D.________ sei mit 1 1/2 Stunden zu kurz gewesen. Hierzu ist festzuhalten, dass es für den Aussagegehalt eines medizinischen Gutachtens nicht auf die Dauer der Untersuchung ankommt. Zwar muss der zu betreibende zeitliche Aufwand der Fragestellung und der zu beurteilenden Pathologie angemessen sein; zuvorderst hängt der Aussagegehalt einer Expertise aber davon ab, ob sie inhaltlich vollständig und im Ergebnis schlüssig ist (Urteil 8C_924/2014 vom 2. April 2015 E. 4.2). Dies trifft hier zu.
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4.4. Die Versicherte wendet ein, die neuropsychologische Teilgutachterin der Institution D.________ Frau Dipl.-Psych. G.________ sei nicht fachkompetent, da sie nicht zertifizierte Neuropsychologin sei. Dieser Einwand ist unbehelflich. Denn beim Gutachten der Institution D.________ handelt es sich - wie die Vorinstanz richtig feststellte - um eine interdisziplinäre Beurteilung, bei der auch ein neurologischer Facharzt mitwirkte, dem in Bezug auf die Begutachtung hirnorganischer Schädigungen besonderes Gewicht zukommt. Zudem wies die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass es die Neuropsychologie nach derzeitigem Wissensstand nicht vermag, selbstständig die Beurteilung der Genese der festgestellten Beschwerden abschliessend vorzunehmen (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341; Urteil 8C_137/2014 vom 5. Juni 2014 E. 5).
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4.5. Die Versicherte bemängelt, die Gutachter der Institution D.________ hätten keine Fremdanamnese erhoben, obwohl dies zur Einschätzung des Aktivitäts- und Partizipationsniveaus vor dem Ereignis und im Hinblick auf die Abklärung der medizinischen Befundlage, insbesondere die Diagnose der psychischen Erkrankung notwendig gewesen wäre. Unklar bleibe nämlich, ob die Diagnose einer Schizophrenie korrekt sei. Vor dem Ereignis sei von einer akuten polymorphen psychotischen Störung ausgegangen worden; erst danach sei eine Schizophrenie diagnostiziert worden. Die Differenzierung zwischen diesen beiden Diagnosen sei wichtig, weil die erstgenannte mit einer günstigen Prognose verbunden sei, die mit den bei ihr nachgewiesenen Defiziten unvereinbar sei. Frau Dr. med. E.________ habe am 14. Februar 2013 eine Schizophrenie verneint und die mentalen Defizite als Symptome der Hirnschädigung taxiert.
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Eine Fremdanamnese mag zwar häufig wünschenswert sein, ist aber nicht zwingend erforderlich (Urteil 8C_323/2014 vom 23. Juli 2014 E. 5.2.1). Dass die Gutachter der Institution D.________ keine solche erhoben, mindert den Beweiswert ihrer Expertise aufgrund der Aktenlage nicht.
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Aufgrund der Hospitalisation der Versicherten vom 24. August bis 4. September 2009 - mithin für die Zeit vor dem Ereignis vom 8. September 2009 - diagnostizierte die Klinik H.________ eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie/ohne akute Belastung (ICD-10 F23.10; Bericht vom 8. Dezember 2009). In den Berichten dieser Klinik vom 17. Dezember 2010, der Psychiatrie I.________ vom 14. Oktober 2011, der Klinik K.________ vom 24. Oktober 2011, und der Frau Dr. med. E.________ vom 20. Februar 2012 wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Diese gab im letztgenannten Bericht an, es liege eine deutliche mentale Einschränkung vor, wobei unklar bleiben müsse, ob sie primär durch die Schizophrenie oder durch das erhebliche Polytrauma mitbedingt sei. Auch in diesem Lichte ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz gestützt auf das Gutachten der Institution D.________ vom 30. Oktober 2012 erwog, die Unfallkausalität der kognitiven Störungen der Versicherten sei bloss möglich, was für die Leistungspflicht der Generali nicht ausreiche. Wenn Frau Dr. med. E.________ im Bericht vom 14. Februar 2013 - zu dem die Institution D.________ am 11. März 2013 Stellung nahm - die neuropsychologischen Einschränkungen nunmehr als überwiegend wahrscheinlich unfallbedingt ansah, kann dem nicht gefolgt werden, da behandelnde Ärzte in Zweifelsfällen eher zugunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 135 V 465 E. 4.5. S. 470).
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4.6. Die Versicherte wendet ein, mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 habe die Generali ihre Leistungspflicht für den Unfall vom 8. September 2009 anerkannt. Danach habe sie Taggelder und Heilungskosten für die Behandlung des Polytraumas, also auch für das Schädelhirntrauma erbracht. Anfangs habe naturgemäss die orthopädische Versorgung mit mehreren Operationen im Vordergrund gestanden. Unter anderem sei die Generali auch für die Kosten der neuropsychologischen Untersuchung in der Klinik K.________ vom 9. Dezember 2009 aufgekommen. Für den Wegfall der natürlichen Kausalität treffe demnach die Generali die Beweislast. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Generali ihre Leistungspflicht für die zerebralen Ausfälle nie anerkannt hat. Sie hat nur Leistungen für die organischen Beschwerden erbracht. Die Rechtsprechung zur Umkehr der Beweislast (SVR 2009 UV Nr. 3 E. 2.2 [8C_354/2007]) findet daher auf die vorliegende Konstellation keine Anwendung.
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5. Da von weiteren Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu erwarten waren, verzichtete die Vorinstanz darauf zu Recht (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_391/2015 vom 11. August 2015 E. 3.5).
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6. Die Versicherte verlangt, die Kosten für die Stellungnahme der Gutachtenstelle F.________ vom 25. September 2013 seien der Generali aufzuerlegen. Die Vorinstanz verneinte dies zu Recht, da sich der medizinische Sachverhalt auch ohne diese Stellungnahme schlüssig feststellen liess (BGE 115 V 62; RKUV 2004 Nr. U 503 S. 186 E. 5 [U 282/00]; Urteil U 414/05 vom 7. Juni 2006 E. 6).
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7. Die unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 14. Oktober 2015
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Leuzinger
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Der Gerichtsschreiber: Jancar
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