BGer 2C_990/2015 | |||
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BGer 2C_990/2015 vom 19.02.2016 | |
{T 0/2}
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2C_990/2015
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Urteil vom 19. Februar 2016 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Stadelmann,
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Bundesrichter Haag,
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Gerichtsschreiberin Genner.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.A.________,
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2. B.A.________,
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vertreten durch A.A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Zürich,
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Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
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Gegenstand
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Aufenthaltsbewilligung,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungs-
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gerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung,
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vom 16. September 2015.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. A.A.________, Staatsangehörige von Belarus, ist mit dem Österreicher C.________ verheiratet. Die Gatten leben in zwei verschiedenen Gemeinden im Kanton Zürich. A.A.________ hat eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Der Ende 2011 geborene Sohn B.A.________ lebt bei ihr. Er ist österreichischer Staatsbürger und verfügt über die Niederlassungsbewilligung.
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1.2. Am 5. März 2013 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ sowie die Niederlassungsbewilligung von B.A.________ und wies beide aus der Schweiz weg. Den dagegen erhobenen Rekurs hiess die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich - nach durchgeführtem Rechtsmittelverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich - am 13. Mai 2015 gut, soweit er den Widerruf der Niederlassungsbewilligung von B.A.________ betraf, und wies ihn im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Verlängerung der (inzwischen abgelaufenen) Aufenthaltsbewilligung von A.A.________, ab. A.A.________ wurde aufgefordert, die Schweiz bis zum 31. Juli 2015 zu verlassen. Der Entscheid der Sicherheitsdirektion wurde C.________ als Vertreter am 15. Mai 2015 zur Abholung bis am 22. Mai 2015 gemeldet, von diesem aber erst am 26. Mai 2015 abgeholt.
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Das Verwaltungsgericht trat auf die am 25. Juni 2015 erhobene Beschwerde am 16. September 2015 nicht ein und setzte A.A.________ eine neue Ausreisefrist; im Fall eines Weiterzugs an das Bundesgericht habe sie sich binnen eines Monats ab dem Datum eines den Wegweisungspunkt nicht ändernden Endentscheids aus dem Land zu entfernen.
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1.3. A.A.________ und B.A.________ erheben am 6. November 2015 Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, den Nichteintretensentscheid aufzuheben und das Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Im Fall der Abweisung der Beschwerde sei ihnen eine angemessene neue Ausreisefrist anzusetzen.
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Dem Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist am 27. November 2015 stattgegeben worden.
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Erwägung 2 | |
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a BGG; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 90 BGG). Streitig ist die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist. Auf die Vorbringen der Beschwerdeführer zur Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung ist daher nicht einzugehen. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG zu erledigen ist.
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Erwägung 3 | |
3.1. Die Beschwerdeführer behaupten wie schon vor der Vorinstanz, der Vertreter habe die Abholungseinladung nicht erhalten. Die Vorinstanz durfte jedoch aufgrund der bei der Schweizerischen Post AG (nachfolgend: Post) eingeholten Auskünfte ohne Willkür (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) davon ausgehen, dass dem Vertreter die Abholungseinladung am 15. Mai 2015 zugestellt wurde. Weiter gab die Post an, ihre Angestellte habe sich auf Bitte des Vertreters hin entschieden, ihm die Sendung trotz Ablaufs der Abholungsfrist auszuhändigen. In diesem Zeitpunkt sei der Brief bereits für die Rücksendung bearbeitet und erfasst gewesen.
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Von diesem Ablauf der Geschehnisse durfte die Vorinstanz ausgehen. Es ist nicht willkürlich, wenn sie der Darstellung der Beschwerdeführer, der Vertreter habe die Poststelle nach seiner Rückkehr aus den Ferien zufällig aufgesucht, keinen Glauben schenkte. Sodann hat die Vorinstanz ohne Willkür erwogen, dass die Beschwerdeführer ihre Behauptung, wonach es an der Adresse des Vertreters zu Unregelmässigkeiten bei der Postzustellung gekommen sein soll, nicht zu substanziieren vermochten.
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3.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, der Vertreter habe aufgrund der tatsächlichen Entgegennahme des Entscheids am 26. Mai 2015 darauf vertrauen dürfen, dieses Datum sei für den Beginn des Fristenlaufs massgeblich.
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Wird ein Entscheid durch eingeschriebene Postsendung zugestellt und wurde die Postsendung nicht abgeholt, so gilt die Zustellung am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (§ 71 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2] i.V.m. Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO [SR 272]; Zustellfiktion; vgl. auch BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; 127 I 31 E. 2a/aa S. 34 mit weiteren Hinweisen; ferner BGE 134 V 49 E. 4 S. 51 f.). Eine inhaltlich übereinstimmende Bestimmung findet sich zudem in Art. 44 Abs. 2 BGG, weshalb die dazu ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung massgebend ist (KATHRIN AMSTUTZ/PETER ARNOLD, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 44 BGG).
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3.3. Die Zustellfiktion betrifft Fälle, in denen - wie hier - eine eingeschriebene Sendung innerhalb der siebentägigen Frist nicht abgeholt wurde (BGE 127 I 31 E. 2a/aa S. 34). Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie lange eine Sendung bei der Post abgeholt werden kann. Nach der von der Vorinstanz zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichts ändert sich grundsätzlich nichts am Zeitpunkt des Eintritts der Zustellfiktion, wenn der Postbote auf der Abholungseinladung versehentlich eine andere als die siebentägige Frist notiert. Es ist daher nicht überspitzt formalistisch, die Zustellfiktion unabhängig von der postalischen Abholfrist eintreten zu lassen, auch wenn diese ohne Veranlassung durch den Empfänger von der Post spontan oder irrtümlich verlängert wird (BGE 127 I 31 E. 2b S. 34 f.; Urteile 8C_655/2012 vom 22. November 2012 E. 3.3; 4A_704/2011 vom 16. Januar 2012 E. 3.4; 2D_37/2010 / 2D_42/2010 vom 23. November 2010 E. 3.3).
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Nach dem erfolglosen Zustellungsversuch vom 15. Mai 2015 begann die Abholungsfrist am 16. Mai 2015 zu laufen und endete am 22. Mai 2015. An diesem Tag trat die Zustellfiktion ein; der Lauf der Rechtsmittelfrist begann am 23. Mai 2015 und endete am 22. Juni 2015.
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3.4. Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges behördliches Verhalten, auf das sie berechtigterweise vertrauen durfte, sofern sie gestützt darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann (BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; 129 I 161 E. 4.1 S. 170).
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Praxisgemäss sind insbesondere Nicht-Rechtsanwälte bzw. nicht anwaltlich vertretene Parteien in ihrem Glauben zu schützen, die Rechtsmittelfrist beginne in jedem Fall erst am Tag nach der tatsächlichen Entgegennahme bzw. am Tag nach Ablauf der verlängerten Abholfrist zu laufen, wenn das Auseinanderklaffen des Datums der Zustellfiktion und des letzten Tags der angesetzten Abholfrist für sie tatsächlich nicht erkennbar war (Urteile 8C_655/2012 vom 22. November 2012 E. 4.2; 1C_85/2010 vom 4. Juni 2010 E. 1.4.3). So wie aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung den Parteien keine Nachteile erwachsen dürfen, darf einer Partei durch falsche Angaben der Hilfsperson, derer sich die Behörde bedient, kein Nachteil erwachsen, es sei denn, der Fehler sei offenkundig bzw. für die Partei erkennbar (Urteil 1C_85/2010 vom 4. Juni 2010 E. 1.4.3; BGE 127 I 31 E. 3b/bb S. 36).
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Im vorliegenden Fall liegt kein solcher Vertrauenstatbestand vor: Die Post hat die Frist zur Abholung korrekt mit dem 22. Mai 2015 angegeben, wie aus der Sendungsverfolgung hervorgeht. Der Vertreter begab sich nach Ablauf der Abholfrist zur Poststelle, worauf ihm die Sendung ausgehändigt wurde. Auf dem Briefumschlag waren der Vermerk "F.22.5.15" sowie ein Aufkleber mit den Angaben "Taxpflichtig [...] Zurück [...] Nicht abgeholt" angebracht. Daraus ging eindeutig hervor, dass die Abholungsfrist am 22. Mai 2015 geendet hatte und die Sendung bereits für die Retournierung an die Sicherheitsdirektion vorbereitet war. Von einer falschen Auskunft oder gar Zusicherung der Poststelle kann nicht die Rede sein. Aufgrund der Umstände konnte der Vertreter nicht davon ausgehen, dass die Entgegennahme der Sendung quasi in letzter Minute etwas an der Frist ändern würde, deren Datum gut ersichtlich auf dem Couvert angegeben war. Dies umso weniger, als er bereits aus den Erfahrungen im Zusammenhang mit dem ersten Rekurs an die Sicherheitsdirektion (auf den diese zunächst wegen Verspätung nicht eingetreten war) wissen musste, dass eine zweite Zustellung in der Regel keine neue Frist auslöst. In jenem Verfahren war dies vom Verwaltungsgericht nur deswegen bejaht worden, weil das Migrationsamt eine zweite Zustellung vorgenommen, auf die ausdrückliche Frage des Vertreters hin, wann die Rekursfrist zu laufen beginne, jedoch keine Antwort gegeben hatte (Urteil VB.2013.00718 vom 18. Dezember 2013). Bei diesem Vorwissen und unter den gegebenen Umständen hat der Vertreter mutwillig darauf vertraut, der Fristenlauf würde erst am Tag nach der Entgegennahme der Sendung beginnen, und die Beschwerde am letzten Tag der - vermeintlichen - Frist eingereicht. In diesem Vertrauen ist er nicht zu schützen.
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3.5. Nach dem Gesagten ist die Vorinstanz auf die am 25. Juni 2015 der Post übergebene Beschwerde zu Recht nicht eingetreten.
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Erwägung 4 | |
Für die Ansetzung der Ausreisefrist ist das Bundesgericht nicht zuständig (Urteil 2C_522/2013 vom 23. Dezember 2013 E. 4.9), weshalb auf den entsprechenden Antrag nicht einzutreten ist. Hinzuweisen ist aber darauf, dass die Vorinstanz die Frist auf einen Monat ab Datum des (bestätigenden) bundesgerichtlichen Urteils festgesetzt hat.
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Erwägung 5 | |
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die unterliegenden Beschwerdeführer tragen die Kosten unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. Februar 2016
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Die Gerichtsschreiberin: Genner
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