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Informationen zum Dokument  BGer 8C_22/2016  Materielle Begründung
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BGer 8C_22/2016 vom 03.03.2016
 
{T 0/2}
 
8C_22/2016
 
 
Urteil vom 3. März 2016
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
 
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG, Rechtsdienst Arbeitsrecht,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich,
 
Brunngasse 6, 8400 Winterthur,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung
 
(Einstellung in der Anspruchsberechtigung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 26. November 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1969 geborene A.________ arbeitete seit 7. August 2006 bei der Firma B.________ AG. Am 9. September 2013 kündigte diese das Arbeitsverhältnis per 31. Dezember 2013. A.________ meldete sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum zur Arbeitsvermittlung an und beantragte ab 1. Januar 2014 Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 10. Februar 2014 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich (nachfolgend: Kasse) den Versicherten wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. Januar 2014 für 36 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Daran hielt die Kasse auch auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 4. Juli 2014).
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B. Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. November 2015 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihm die gesetzlichen Leistungen ungeschmälert auszurichten. Eventualiter sei er höchstens während 15 Tagen in der Anspruchsberechtigung einzustellen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG). Die vorinstanzliche Ermessensbetätigung ist im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar. Eine Angemessenheitskontrolle ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (Art. 95 lit. a BGG; BGE 134 V 322 E. 5.3 S. 328; 132 V 393 E. 3.3 S. 399: Urteil 8C_165/2015 vom 20. Mai 2015 E. 1).
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2. Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung zufolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG), namentlich wegen einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, die dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV), sowie die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 3 AVIV) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
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3. Streitig und zu prüfen ist, ob die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers durch eigenes Verschulden im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG und Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV eingetreten und er zu Recht in seiner Anspruchsberechtigung eingestellt worden ist.
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Dabei gelten als Rechtsfragen die gesetzlichen und praxisgemässen Regeln über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Art. 30 AVIG). Zu prüfen ist insbesondere eine falsche Rechtsanwendung. Feststellungen über innere oder psychische Tatsachen, wie beispielsweise was jemand wollte oder wusste, sind Tatfragen (BGE 130 IV 58 E. 8.5 S. 62; nicht publ. E. 3.1 f. des Urteils BGE 133 V 640; Urteil 8C_958/2008 vom 30. April 2009 E. 3). Die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1 bzw. Art. 61 lit. c ATSG sind Rechtsfragen. Die konkrete Beweiswürdigung stellt eine Tatfrage dar (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil 8C_165/2015 vom 20. Mai 2015 E. 3 mit Hinweisen), wobei das Bundesgericht grundsätzlich an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist (E. 1 hievor).
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Erwägung 4
 
4.1. Ein Selbstverschulden im Sinne der Arbeitslosenversicherung liegt vor, wenn und soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und Verhältnissen vermeidbaren Verhalten der versicherten Person liegt, für das die Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S. 41, C 334/95 E. 2b; 1982 Nr. 4 S. 37, C 50/81 E. 1a; Urteil 8C_12/2010 vom 4. Mai 2010 E. 2.2 mit Hinweis; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2514 Rz. 835 ff.; GERHARD GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. I [Art. 1-58], 1988, N. 8 zu Art. 30 AVIG). Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung setzt keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund gemäss Art. 337 bzw. Art. 346 Abs. 2 OR voraus. Es genügt, dass das allgemeine Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung bzw. Entlassung gegeben hat; Beanstandungen in beruflicher Hinsicht müssen nicht vorgelegen haben (BGE 112 V 242 E. 1 S. 245 mit Hinweisen).
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4.2. Eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung kann jedoch nur verfügt werden, wenn das dem Versicherten zur Last gelegte Verhalten in beweismässiger Hinsicht klar feststeht (BGE 112 V 242 E. 1 S. 245; ARV 2012 S. 294, 8C_872/2011; SVR 2006 ALV Nr. 15 S. 51, C 223/05 E. 1; je mit Hinweisen; NUSSBAUMER, a.a.O. N. 837 S. 2515). Das vorwerfbare Verhalten muss zudem nach Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 vorsätzlich erfolgt sein, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 124 V 234 E. 3a und b S. 236; ARV 2012 S. 294, 8C_872/2011 E. 4.1 mit Hinweisen). Eventualvorsatz liegt vor, wenn die versicherte Person vorhersehen kann oder damit rechnen muss, dass ihr Verhalten zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber führt, und sie dies in Kauf nimmt (NUSSBAUMER, a.a.O. N. 837 S. 2515 mit Hinweisen).
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Erwägung 5
 
5.1. Die Vorinstanz stellte in tatbeständlicher Hinsicht fest, der Versicherte habe mit der Arbeitgeberin per 1. Februar 2012 eine vertragliche Abmachung getroffen, wonach künftig auf eine Abgeltung von Überstunden verzichtet werde und keine festen Arbeitszeiten mehr gelten. In einer Verwarnung vom 7. Februar 2013 seien ihm Blockzeiten auferlegt worden. Trotzdem sei er in der Folge mehrmals zu spät gekommen und habe die ab 8.30 Uhr geltende Blockzeit nicht eingehalten. Damit seien die von der Arbeitgeberin geltend gemachten Unpünktlichkeiten belegt. Auch liege eine schriftliche Stellungnahme seines Vorgesetzten vor, wonach sich auch nach der erwähnten Verwarnung die Unordnung am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers nicht gebessert habe. Damit seien die seitens der Arbeitgeberin kritisierten Punkte konsistent und hinreichend detailliert vorgebracht worden. Daraus folgerte das kantonale Gericht, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt, dass der Beschwerdeführer durch sein vermeidbares Fehlverhalten - trotz schriftlicher Verwarnung - die Kündigung in Kauf genommen habe.
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5.2. Mit der Beschwerde wird vor allem geltend gemacht, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt. Entgegen dem angefochtenen Entscheid genüge es nicht, ein Fehlverhalten der versicherten Person mit dem Beweisgrad der "überwiegenden Wahrscheinlichkeit" festzustellen. Rechtsprechungsgemäss müsse ein solches klar nachgewiesen sein. Vorliegend könne über die Kündigungsgründe seiner ehemaligen Arbeitgeberin nichts Eindeutiges ausgesagt werden, weshalb kein schlüssiger Beweis für ein Fehlverhalten des Beschwerdeführers erbracht worden sei. Folglich habe das kantonale Gericht Bundesrecht falsch angewendet. Selbst wenn die unbewiesen gebliebene Sachverhaltsdarstellung zutreffen würde, stellte diese kein "schweres Verschulden" dar, weshalb - wenn überhaupt - eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung von maximal 15 Tagen gerechtfertigt wäre.
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Erwägung 6
 
6.1. Den beschwerdeführerischen Vorbringen ist einzig insofern zuzustimmen, als man aus den Formulierungen im angefochtenen Entscheid schliessen könnte, das zur Kündigung führende Fehlverhalten der versicherten Person müsse mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sein. Wie bereits dargelegt (E. 4.2), muss das der versicherten Person zur Last gelegte Verhalten nach der Konzeption des Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV in beweismässiger Hinsicht klar feststehen. Das ist vorliegend der Fall. Nach den letztinstanzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wurde die schriftliche Verwarnung vom 7./8. Februar 2013, wonach künftig Block- und Arbeitszeiten strikt einzuhalten seien und die Ordnung am Arbeitsplatz erstellt werden müsse, mit einer Kündigungsandrohung verbunden. Gemäss den weiteren vorinstanzlichen Feststellungen ist es trotz der Verwarnung wieder zu Unpünktlichkeiten gekommen und hat sich die Ordnung am Arbeitsplatz nicht gebessert. Die entsprechenden Tatsachenfeststellungen sind klar ausgewiesen und werden auch letztinstanzlich nicht bestritten. Es ist beweisrechtlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. ALFRED BÜHLER, Beweismass und Beweiswürdigung bei Gerichtsgutachten - unter Berücksichtigung der jüngsten Lehre und Rechtsprechung, Jusletter 21. Juni 2010, Rz. 5 ff. zu den drei Beweismassstufen) von einem ungenügenden Arbeitsverhalten hinsichtlich der Pünktlichkeit und der verlangten Ordnung am Arbeitsplatz auszugehen. Die Vorinstanz durfte ohne Verletzung von Bundesrecht schliessen, der Beschwerdeführer habe trotz schriftlicher Verwarnung das gerügte Verhalten nicht geändert und seine Kündigung in Kauf genommen hat.
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6.2. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz bei gegebener Aktenlage zutreffend auf ein fehlerhaftes Verhalten des Versicherten geschlossen, welches geeignet war, zur Kündigung der Anstellung durch die Arbeitgeberin zu führen, ohne dass die Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts im Rahmen des diesem dabei zustehenden Ermessens (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40) unter dem Blickwinkel der eingeschränkten Kognition (E. 1 hievor) als bundesrechtswidrig oder gar willkürlich (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zu beanstanden wäre. Die Vorinstanz verletzte mithin weder den Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) noch die Begründungspflicht (Art. 49 Abs. 3, Art. 61 lit. h ATSG). Auch eine offensichtlich unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung (Art. 105 Abs. 2 BGG) liegt nicht vor.
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7. Ist die vom kantonalen Gericht bestätigte Einstellung in der Anspruchsberechtigung nach Massgabe von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG bundesrechtskonform, hat dies angesichts der beschränkten Überprüfungsbefugnis (E. 1 hievor) auch mit Blick auf die vorgetragenen Einwände gegen die Dauer der Einstellung (Art. 45 Abs. 3 AVIV) gemäss vorinstanzlichem Entscheid zu gelten. Die Festlegung der Einstellungsdauer stellt eine typische Ermessensfrage dar, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüber- oder -unterschreitung resp. Ermessensmissbrauch vorliegt (ARV 2014 S. 145, 8C_42/2014 E. 6 mit Hinweis). Davon kann hier keine Rede sein. Dass sich die innerhalb des bei schwerem Verschulden vorgesehenen Rahmens von Art. 45 Abs. 3 lit. c AVIV verfügte Einstellungsdauer von 36 Tagen nicht auf die einschlägige Praxis bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (vgl. Urteile 8C_582/2014 vom 12. Januar 2015 E. 7; 8C_873/2013 vom 17. Januar 2014 E. 3.3; 8C_22/2008 vom 5. März 2008 E. 4.1 sowie Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts [heute: sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] C 84/06 vom 4. September 2006 E. 2; C 215/05 vom 29. November 2005 E. 2.3.2 und C 121/00 vom 20. Juli 2000 E. 3; ARV 2002 S. 121, C 221/01) abstützen liesse, ist nicht ersichtlich und wird nicht geltend gemacht. Weshalb hier von dieser Rechtsprechung abzuweichen wäre, legt der Beschwerdeführer nicht dar.
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8. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG) vom Beschwerdeführer als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 3. März 2016
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer
 
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