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Informationen zum Dokument  BGer 2C_1092/2015  Materielle Begründung
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BGer 2C_1092/2015 vom 13.04.2016
 
{T 0/2}
 
2C_1092/2015
 
 
Urteil vom 13. April 2016
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Géraldine Walker,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
 
gerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung,
 
vom 1. September 2015.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. A.A.________ (geb. 1975) stammt aus Nigeria. Sie durchlief in der Schweiz erfolglos ein Asylverfahren und verblieb in der Folge illegal im Land. Am 26. März 2009 reichte sie ein Gesuch um Vorbereitung der Eheschliessung mit dem Schweizer Bürger (nigerianischer Abstammung) B.A.________ (geb. 1963) ein; dabei bediente sie sich eines gefälschten nigerianischen Passes. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte sie in diesem Zusammenhang und wegen ihres illegalen Aufenthalts am 3. Juli 2009 zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 10.--. Am 6. Oktober 2009 heiratete A.A.________ ihren Partner B.A.________, worauf ihr im Familiennachzug eine letztmals bis zum 5. Oktober 2013 verlängerte Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei diesem erteilt wurde.
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1.2. Am 27. Juni 2014 lehnte das Migrationsamt des Kantons Zürich es ab, die Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ zu erneuern, da sie und ihr Ehemann regelmässig durch die Sozialhilfe hätten unterstützt werden müssen. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ging in seinem Urteil vom 1. September 2015 davon aus, dass A.A.________ aufgrund ihrer erheblichen und dauerhaften Sozialhilfeabhängigkeit keinen Anspruch auf Verbleib bei ihrem Gatten habe, zumal dieser selber auf Sozialhilfe angewiesen sei und für die Kosten der Ehegemeinschaft nicht aufkommen könne. Den Eheleuten A.________ sei es im Hinblick auf die fortbestehenden Bindungen zu Nigeria zumutbar, ihr Familienleben gegebenenfalls in der gemeinsamen Heimat zu leben. Das Gericht hiess die Beschwerde insoweit teilweise gut, als die Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abgewiesen hatte.
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1.3. A.A.________ beantragt vor Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihr gegebenenfalls die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Sie macht geltend, die kantonalen Instanzen seien zu Unrecht davon ausgegangen, sie sei "dauerhaft und in erheblichem Masse" auf Sozialhilfe angewiesen gewesen. Die Vorinstanz verkenne, dass sie auf dem zweiten Arbeitsmarkt tätig gewesen sei, weshalb ihre Situation nicht mit jemandem verglichen werden könne, der überhaupt nicht arbeite. Der Sozialhilfebezug, obwohl sie zu 80% berufstätig sei, könne nicht als "gewöhnliche" Sozialhilfeleistung bezeichnet werden. Während die Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion darauf verzichtet hat, sich vernehmen zu lassen, beantragen das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und das Staatssekretariat für Migration, die Beschwerde abzuweisen. Der Abteilungspräsident legte der Eingabe am 7. Dezember 2015 antragsgemäss aufschiebende Wirkung bei.
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Erwägung 2
 
2.1. Der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers hat nach Art. 42 AuG (SR 142.20) - unter Vorbehalt des Bestehens von Widerrufsgründen (Art. 51 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 63 AuG) - Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn die beiden Gatten zusammenwohnen. Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren wird ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt. Nach geltender Praxis ist der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt, wenn die konkrete Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit besteht. Blosse finanzielle Bedenken genügen nicht. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht mitzuberücksichtigen. Der Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Bewilligung fällt in Betracht, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht absehbar ist, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt bzw. denjenigen einer Person, für die sie oder er zu sorgen hat, wird aufkommen können (vgl. zum AuG: Botschaft vom 8. März 2002, BBl 2002 3810 Ziff. 2.9.2 zu Art. 62; Urteile 2C_1058/2013 vom 11. September 2014 E. 2.3; 2C_74/2010 vom 10. Juni 2010 E. 3.4 mit Hinweis). Dabei stellen nach gefestigter Rechtsprechung Sozialversicherungsleistungen unter Einschluss der Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung keine Sozialhilfe im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. c (bzw. Art. 62 lit. e) AuG dar (BGE 135 II 265 E. 3.7 S. 272 mit Hinweis). Dasselbe gilt für Integrations- und Kleinkinderzulagen nach kantonalem Recht, soweit sie als Instrumente der Familienpolitik zu gelten haben (BGE 141 II 401 ff.). Die aufenthaltsbeendende Massnahme muss immer verhältnismässig sein, was im Einzelfall jeweils sorgfältig zu prüfen ist. Insbesondere sind die Ursachen, weshalb eine Person sozialhilfeabhängig geworden ist (Krankheit, alleinerziehender Elternteil usw.), in der Interessenabwägung zu beachten und die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht einzuschätzen (Art. 5 Abs. 2 BV: Art. 96 AuG; Art. 8 Ziff. 2 EMRK; vgl. die Urteile 2C_1058/2013 vom 11. September 2014 E. 2.5 und 2C_672/2008 vom 9. April 2009 E. 2, je mit Hinweisen; vgl. auch SEM, Weisungen und Erläuterungen Ausländerbereich [Weisungen AuG] vom 25. Oktober 2013, aktualisiert am 6. Januar 2016, S. 303 ff.).
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2.2. Nach dem willkürfrei und damit für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt (vgl. Art. 105 Abs. 2 und 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 49 E. 1.4.3) mussten die Beschwerdeführerin seit dem 1. Oktober 2009 mit insgesamt Fr. 113'461.-- (davon Fr. 47'413.-- über die Arbeitsintegration) und ihr Ehemann seit dem 1. Oktober 1998 teilweise und seit dem 1. August 2007 vollumfänglich mit Fr. 196'191.-- (davon wiederum Fr. 60'880.-- über die Arbeitsintegration) unterstützt werden. Insgesamt betragen die Leistungen der öffentlichen Hand zu Gunsten der Eheleute somit über Fr. 309'652.-- bzw. bei einem Abzug der Arbeitsintegrationskosten immer noch Fr. 201'359.--. Der Sozialhilfebezug hat damit als erheblich und dauerhaft im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG zu gelten (vgl. das Urteil 2C_672/2008 vom 9. April 2009 E. 3).
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2.3. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, dass die Arbeitsintegrationskosten nicht mitberücksichtigt werden dürften, verkennt, dass die damit verbundenen Ausgaben auf dem zweiten Arbeitsmarkt ebenfalls Sozial-hilfecharakter haben: Es geht dabei darum, die beruflichen und sozialen Kompetenzen der betroffenen Person zu verbessern, damit sie ihren Weg auf den ersten Arbeitsmarkt finden und sich von der Sozialhilfe lösen kann. Dass die Beschwerdeführerin sich diesbezüglich kooperativ gezeigt hat, ist ihr zugute zu halten, doch bestand umgekehrt eine entsprechende sozialhilferechtliche Pflicht, bei deren Missachtung die von ihr bezogenen Leistungen hätten gekürzt werden können (vgl. § 3b, 21 und 24 lit. a Ziff. 4 des Zürcher Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 [851.1]). Selbst wenn die entsprechenden Zahlungen nicht mitberücksichtigt würden, musste das Ehepaar im Übrigen - wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat - zu einem namhaften Anteil mit Geldleistungen der öffentlichen Hand unterstützt werden.
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2.4. Die Beschwerdeführerin war bisher immer nur im zweiten und nie im ersten Arbeitsmarkt tätig; ihrem Ehegatten gelang der entsprechende Wechsel seit mehr als acht Jahren nicht mehr. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, dass eine Loslösung von der Sozialhilfe innert nützlicher Frist realistisch erscheint, zumal die Beschwerdeführerin trotz ihrer (teilweise illegalen) langjährigen Anwesenheit nur sehr rudimentär Deutsch spricht bzw. versteht und die Eheleute wiederholt darauf hingewiesen wurden, dass, sollte ihre Fürsorgeabhängigkeit fortbestehen, ausländerrechtliche Massnahmen ergriffen werden müssten. Trotz dieser Ermahnungen über vier Jahre hinweg konnten die Eheleute ihre arbeitsbezogenen und finanziellen Verhältnisse nicht verbessern. Es ist nicht absehbar und wird von ihnen auch nicht glaubhaft dargetan, dass und inwiefern sie kurz vor der Lösung der entsprechenden Probleme stehen würden. Mit der Vorinstanz ist deshalb davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ohne spezifische Gründe und damit selbstverschuldet dauerhaft und in erheblichem Mass sozialhilfeabhängig geworden ist, wobei keine konkreten Anzeichen auszumachen sind, welche nahelegen, dass sich die Situation kurz- oder mittelfristig ändern könnte.
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2.5. Den Eheleuten dürfte es zwar schwer fallen, ihr Familienleben nach Nigeria zu verlegen, doch scheint dies nicht ausgeschlossen oder unzumutbar: Die Beschwerdeführerin war bei ihrer illegalen Einreise in die Schweiz rund dreissig Jahre alt und hat es innert zehn Jahren nicht geschafft, sich in die hiesigen Verhältnisse zu integrieren. Dies beruht nicht auf einer gewissen sprachlichen "Bildungsferne", nachdem sie sich in ihrer Heimat universitär als Schauspielerin ausbilden liess und dort zudem journalistisch tätig gewesen sein will. Ihr Gatte, der aufgrund einer früheren Heirat (auch) über die schweizerische Staatsbürgerschaft verfügt, stammt aus dem selben Ort wie sie, ist ebenfalls in Nigeria sozialisiert worden und kennt die dortigen Verhältnisse nach wie vor. Die Eheleute kommunizieren unter sich ausschliesslich auf (Pigeon-) Englisch oder in Benin-Edo. Die aufenthaltsbeendende Massnahme ist der Beschwerdeführerin deshalb auch im Hinblick auf ihren Anspruch auf Schutz des Familienlebens (Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK) zumutbar; ihr Gatte kann sie begleiten und die Ehe mit ihr in der gemeinsamen Heimat leben. Sollte er dies nicht tun wollen, kann die Beziehung dank der Neuen Medien bzw. mittels wechselseitiger Besuche aufrechterhalten werden. Beiden Ehepartnern werden es die von ihnen in der Schweiz erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben, mit Hilfe ihrer Angehörigen in Nigeria wieder Fuss zu fassen und allenfalls dort eine gemeinsame Existenz aufzubauen.
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2.6. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich nur in allgemeiner Weise geltend, eine Rückkehr nach Nigeria sei ihr unzumutbar; entgegen ihren Begründungspflichten (Art. 42 und Art. 106 BGG; BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 304 f.) substanziiert sie ihre Rüge nicht weiter. Die angerufenen touristischen Reisehinweise des EDA genügen hierfür nicht, geht es bei ihr doch um eine Rückkehr in ihre Heimat und nicht einen vorübergehenden Aufenthalt zu touristischen Zwecken von Drittstaatsangehörigen.
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Erwägung 3
 
3.1. Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundes (verfassungs) recht. Die Beschwerde erweist sich - soweit sie den Begründungsanforderungen genügt und sich nicht darin erschöpft, den Ausführungen der Vorinstanz rein appellatorisch die eigene Ansicht entgegenzustellen - als offensichtlich unbegründet. Sie kann unter ergänzendem Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden.
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3.2. Aufgrund der detaillierten Ausführungen im angefochtenen Entscheid hatte die vorliegende Eingabe keine ernsthaften Aussichten auf Erfolg, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. 
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. April 2016
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
 
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