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Informationen zum Dokument  BGer 1B_212/2016  Materielle Begründung
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BGer 1B_212/2016 vom 14.10.2016
 
{T 0/2}
 
1B_212/2016
 
 
Urteil vom 14. Oktober 2016
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Wieduwilt,
 
gegen
 
1. Franz Bollinger, Oberrichter, p.A. Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
 
Hirschengraben 13/15, 8001 Zürich,
 
2. Stefan Volken, Oberrichter, p.A. Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
 
Hirschengraben 13/15, 8001 Zürich,
 
3. Hanspeter Meister, Ersatzoberrichter, p.A. Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
 
Hirschengraben 13/15, 8001 Zürich,
 
verfahrensbeteiligte Gerichtspersonen,
 
Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
 
Postfach 2401, 8021 Zürich 1.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Ausstand, rechtliches Gehör,
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. Mai 2016 des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer.
 
 
In Erwägung,
 
dass das Bundesgericht im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG über die Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden entscheidet, insbesondere, wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichtes abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen (Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG);
 
dass der Entscheid des Bundesgerichtes summarisch begründet wird (Art. 109 Abs. 3 BGG);
 
dass vor dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, ein Berufungsverfahren hängig ist, nachdem A.________ am 28. August 2015 erstinstanzlich der Entführung und des Entziehens von Unmündigen schuldig gesprochen wurde;
 
dass das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, am 12. Mai 2016 auf das vom Beschuldigten gegen eine Gerichtsschreiberin gerichtete Ausstandsbegehren nicht eintrat und die Ausstandsbegehren gegen zwei Oberrichter und einen Ersatzoberrichter der I. Strafkammer abwies;
 
dass der Beschuldigte den Beschluss des Obergerichtes vom 12. Mai 2016 mit Beschwerde vom 9. Juni (Posteingang: 13. Juni) 2016 beim Bundesgericht anfocht;
 
dass der Beschwerdeführer im Hauptstandpunkt geltend macht, es sei ihm eine Stellungnahme vom 29. März 2016 der vom Ausstandsentscheid betroffenen drei Richter erst nach Eröffnung des angefochtenen Entscheides zugestellt worden;
 
dass der Beschwerdeführer im Hauptstandpunkt rügt, das Vorgehen des Obergerichtes verletze sein rechtliches Gehör bzw. seinen grundrechtlich geschützten Anspruch auf Replik gegenüber Stellungnahmen der Behörden und Verfahrensbeteiligten (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK);
 
dass der Beschwerdeführer im Hauptstandpunkt beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Ausstandssache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen;
 
dass das Obergericht und die betroffenen drei Richter am 14. Juni (Posteingänge: 17. bzw. 22. Juni) 2016 auf Stellungnahmen zur Beschwerde je ausdrücklich verzichtet haben;
 
dass im angefochtenen Entscheid der Eingang der Stellungnahme vom 29. März 2016 ausdrücklich bestätigt wird;
 
dass dem Gesuchsteller in Ausstandsverfahren das Replikrecht auch zu sämtlichen Stellungnahmen der Personen zusteht, deren Ausstand er beantragt hat (Urteil des Bundesgerichtes 1B_459/2012 vom 16. November 2012 E. 2.1);
 
dass die Stellungnahme vom 29. März 2016 dem Beschwerdeführer gemäss den vorliegenden Akten erst nach Eröffnung des angefochtenen Entscheides zugestellt wurde, nämlich aufgrund dessen Anfrage per FAX-Schreiben vom 2. Juni 2016 an das Obergericht;
 
dass die betroffenen drei Richter sich in ihrer (vier Seiten umfassenden) Stellungnahme vom 29. März 2016 ausführlich zu den Ausstandsgesuchen geäussert und deren Abweisung beantragt hatten;
 
dass der Beschwerdeführer keine Gelegenheit erhielt, sich vor Erlass des angefochtenen Entscheides dazu zu äussern;
 
dass bei dieser Konstellation offensichtlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, welche nach der einschlägigen Praxis auch nicht im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht nachträglich "geheilt" werden kann (vgl. BGE 139 I 189 E. 3.1-3.2 S. 191 f.; 138 I 154 E. 2.3 S. 156 f., 484 E. 2.4 S. 487; 137 I 195 E. 2.2 und 2.3.1-2.3.2 S. 197 f.; 133 I 100 E. 4.9 S. 105; je mit Hinweisen; s.a. Urteil 1B_459/ 2012 vom 16. November 2012 E. 2.1 und 2.5-2.6, mit Hinweisen);
 
dass hier kein Anlass besteht, die betreffende Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu überprüfen;
 
dass der angefochtene Entscheid antragsgemäss aus formellrechtlichen Gründen aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung (unter Einräumung des rechtlichen Gehörs gegenüber dem Beschwerdeführer) an die Vorinstanz zurückzuweisen ist;
 
dass keine Gerichtskosten zu erheben sind (Art. 66 Abs. 4 BGG) und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 68 i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG),
 
 
erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss vom 12. Mai 2016 des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Der Kanton Zürich (Kasse des Obergerichts, II. Strafkammer) hat dem amtlichen Verteidiger eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- (pauschal, inkl. MWST) zu entrichten.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. Oktober 2016
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Forster
 
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