BGer 9C_418/2016 | |||
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BGer 9C_418/2016 vom 04.11.2016 | |
{T 0/2}
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9C_418/2016
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Urteil vom 4. November 2016 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
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Gerichtsschreiber Fessler.
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Verfahrensbeteiligte | |
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
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Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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vertreten durch B.________,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung
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(Medizinische Massnahme; Geburtsgebrechen),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
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vom 23. Mai 2016.
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Sachverhalt: | |
A. Die Mutter der im Januar 2004 geborenen A.________ meldete ihre Tochter im September 2014 unter Hinweis auf "ADS" bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 16. Januar 2015 den Anspruch auf medizinische Massnahmen im Rahmen des Geburtsgebrechens Ziffer 404.
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B. In Gutheissung der Beschwerde von A.________ hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 23. Mai 2016 die angefochtene Verfügung auf, stellte fest, dass sie am Geburtsgebrechen Ziff. 404 Anhang GgV leide, und wies die Sache zur Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück.
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C. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 23. Mai 2016 sei aufzuheben und die Verfügung vom 16. Januar 2015 zu bestätigen.
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Das kantonale Versicherungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung. A.________ hat sich nicht vernehmen lassen.
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Erwägungen: | |
1. Der angefochtene Entscheid stellt fest, dass die Beschwerdegegnerin am Geburtsgebrechen Ziff. 404 Anhang zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV) leidet, und weist die Sache zur Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens im Sinne der Erwägungen (Prüfung der Rechnungen für allfällige künftige Behandlungen des Geburtsgebrechens und gegebenenfalls deren Vergütung) an die Beschwerde führende IV-Stelle zurück. Es kann offen bleiben, ob es sich dabei um einen End- oder Teilentscheid nach Art. 90 f. BGG bzw. einen Vor- oder Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG handelt. Bei Nichteintreten auf die Beschwerde ist die IV-Stelle gezwungen, alle Leistungen im gesetzlichen Umfang zu vergüten, die der Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 404 Anhang GgV dienen und in Bezug auf welche die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind, was nach ihrer Auffassung rechtswidrig ist, ohne dass sie sich dagegen wehren könnte. Dies stellt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar (BGE 140 V 282 E. 4.2 S. 285 mit Hinweisen). Die Beschwerde ist somit unabhängig von der Qualifikation als End-, Teil- oder Zwischenentscheid zulässig.
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2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
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3. Streitgegenstand bildet die Frage, ob bei der Beschwerdegegnerin das Geburtsgebrechen Ziff. 404 Anhang GgV vorliegt, wie die Vorinstanz entschieden hat.
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4. Nach 13 IVG haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen (Abs. 1). Der Bundesrat bezeichnet die Gebrechen, für welche diese Massnahmen gewährt werden. Er kann die Leistung ausschliessen, wenn das Gebrechen von geringfügiger Bedeutung ist (Abs. 2). Der Bundesrat hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und in der Liste im Anhang zur einschlägigen Verordnung die in Betracht fallenden Geburtsgebrechen aufgeführt (Art. 1 Abs. 2 GgV i.V.m. Art. 3 IVV).
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Als Geburtsgebrechen im Sinne von Art. 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Die blosse Veranlagung zu einem Leiden gilt nicht als Geburtsgebrechen. Der Zeitpunkt, in dem ein Geburtsgebrechen als solches erkannt wird, ist unerheblich (Art. 1 Abs. 1 GgV). Geburtsgebrechen im Sinne von Ziff. 404 Anhang GgV sind Störungen des Verhaltens bei Kindern mit normaler Intelligenz, im Sinne krankhafter Beeinträchtigung der Affektivität oder Kontaktfähigkeit, bei Störungen des Antriebes, des Erfassens, der perzeptiven Funktionen, der Wahrnehmung, der Konzentrationsfähigkeit sowie der Merkfähigkeit [ADHS; früher "psychoorganisches Syndrom", POS], sofern sie mit bereits gestellter Diagnose als solche vor der Vollendung des 9. Altersjahres auch behandelt worden sind.
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Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der objektiven Bedingung "mit bereits gestellter Diagnose als solche vor der Vollendung des 9. Altersjahres auch behandelt" um zwei kumulativ zu erfüllende Anspruchsvoraussetzungen im Sinne von Abgrenzungskriterien, um zu entscheiden, ob die Störung angeboren oder erworben ist. Das Fehlen von wenigstens einem der beiden Merkmale begründet die unwiderlegbare Rechtsvermutung, es liege kein Geburtsgebrechen im Rechtssinne vor. Dabei genügt weder eine vor dem Stichtag festgestellte Behandlungsbedürftigkeit noch die Anmeldung für eine im Sinne von Ziff. 404 Anhang GgV anerkannte Behandlung, um eine solche anzunehmen (BGE 122 V 113 E. 3c/bb und E. 4c S. 122 ff.; Urteil 9C_435/2014 vom 10. September 2014 E. 4.1 und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 258/05 vom 10. November 2005 E. 1.3, je mit Hinweisen).
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Erwägung 5 | |
5.1. Nach für das Bundesgericht verbindlicher Feststellung der Vorinstanz (E. 2 hiervor) war bei der Beschwerdegegnerin spätestens im Dezember 2012, somit (kurz) vor Vollendung des 9. Altersjahres am 19. Januar 2013, die Diagnose einer ADHS gestellt und die Behandlungsbedürftigkeit festgehalten worden. Hingegen wurde bis zu diesem Zeitpunkt keine im Sinne von Ziff. 404 Anhang GgV anerkannte, d.h. nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigte (Art. 2 Abs. 1 letzter Satz IVV und Art. 2 Abs. 3 GgV; BGE 123 V 53 E. 2b/cc S. 60) Behandlung begonnen. Die im Rahmen des Elterngesprächs am 10. Dezember 2012 vom Kinderarzt Dr. med. C.________ vorgeschlagene bzw. als Möglichkeit erwähnte Stimulanzientherapie war von der Mutter der Versicherten abgelehnt worden. Die durchgeführten homöopathische Behandlung und Maltherapie gelten - unstreitig - nicht als anerkannte Behandlung im Sinne von Ziff. 404 Anhang GgV. Bei dieser Sachlage ist bzw. wäre nach der Rechtsprechung das Vorliegen des Geburtsgebrechen Ziff. 404 Anhang GgV bei der Beschwerdegegnerin zu verneinen.
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5.2. Das kantonale Versicherungsgericht hat indessen anders entschieden. Nach seiner Auffassung ist es sinngemäss entweder gesetzwidrig oder jedenfalls willkürlich (anmutend) zu verlangen, dass vor der Vollendung des 9. Altersjahres nicht nur die Diagnose gestellt und die Behandlungsbedürftigkeit festgehalten, sondern bereits eine (anerkannte) Therapie begonnen wurde. Die geltende Rechtsprechung beruhe auf der medizinisch begründeten und empirisch belegten Annahme, dass das Gebrechen vor Vollendung des 9. Altersjahres diagnostiziert und behandelt worden wäre, wenn es angeboren wäre (vgl. BGE 122 V 113 E. 3a/dd S. 120). Das Bundesgericht habe indessen, soweit ersichtlich, bis heute keine überzeugenden Quellen für diese behauptete Erfahrungstatsache genannt. Im Gegenteil scheine das Bestehen eines solchen Zusammenhangs in der medizinischen Fachliteratur umstritten zu sein. Dieser (angeblich) medizinisch begründeten und empirisch belegten Annahme die Bedeutung einer unwiderlegbaren Vermutung zu geben, verhindere von vornherein den Nachweis, dass es sich im konkreten Einzelfall anders als im Regelfall verhalte, was stossend sei. Im Weitern sei auch ein nicht behandeltes Geburtsgebrechen ein Geburtsgebrechen. Die Anerkennung als solches könne daher nicht davon abhängen, ob es effektiv mittels einer anerkannten Therapie behandelt werde, sinngemäss umso weniger könne es darauf ankommen, ob bereits vor dem Stichtag damit begonnen worden sei. Der Behandlungsbeginn sage ohnehin nichts aus über den Zeitpunkt des Eintritts des Gebrechens und hänge zudem von anderen Umständen ab. Mithin belegten die Indikation für eine (anerkannte) Therapie vor der Vollendung des 9. Altersjahres zusammen mit der Diagnose eines ADHS, dass die Störung bereits vor diesem Zeitpunkt eine den Beginn der Behandlung rechtfertigende Schwere erreicht habe. Gemäss der Rechtsprechung sei folglich zu vermuten, dass es sich um ein Geburtsgebrechen handle. Das Erfordernis der effektiven Aufnahme einer Behandlung vor der Vollendung des 9. Altersjahres müsse als eine willkürliche, weil sachlich nicht gerechtfertigte (Anspruchs-) Voraussetzung qualifiziert werden. Es könne der Beschwerdegegnerin daher nicht zum Nachteil gereichen, dass ihr - aufgrund der ablehnenden Haltung ihrer Mutter - vor dem neunten Geburtstag keine Stimulanzien verabreicht worden seien.
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6. Eine Praxisänderung muss sich auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können und lässt sich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht (BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303; 137 V 417 E. 2.2.2 S. 422; je mit Hinweisen).
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6.1. Art. 13 Abs. 2 IVG räumt dem Bundesrat die umfassende Kompetenz ein, die Gebrechen zu bezeichnen, auf deren Behandlung als Geburtsgebrechen Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch haben. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GgV gelten als Geburtsgebrechen im Sinne von Artikel 13 IVG Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen. Liegt es grundsätzlich im Ermessen des Bundesrates, ein Gebrechen, auf welches diese Eigenschaft zutrifft, als Geburtsgebrechen im Rechtssinne anzuerkennen, muss er auch die Befugnis haben, bei Störungen, die sowohl angeboren sein als auch erworben werden können, Kriterien festzulegen, welche die Frage entscheiden. Damit hält er sich im gesetzlichen Delegationsrahmen. Unbestritten kann das in Ziff. 404 Anhang GgV umschriebene medizinische Erscheinungsbild sowohl angeboren (prä- oder perinatale Entstehung) als auch nachgeburtlich erworben sein. Der Bundesrat durfte somit Abgrenzungskriterien formulieren, ohne damit die Grenzen des normativen Ermessensspielraumes zu überschreiten (vgl. BGE 122 V 113 V E. 3a/cc S. 119 f.).
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6.2. Die IV-Stelle stellt in Frage, dass die Bedingung in Ziff. 404 Anhang GgV, wonach Störungen von der im ersten Teilsatz umschriebenen Art lediglich dann Geburtsgebrechen seien, d.h. als angeboren zu gelten hätten, "sofern sie mit bereits gestellter Diagnose als solche vor der Vollendung des 9. Altersjahres auch behandelt worden sind", einer medizinisch begründeten und empirisch belegten Annahme entspricht (vgl. BGE 122 V 113 V E. 3a/dd S. 120). Das BSV führt in seiner Vernehmlassung aus, die Definition dieses Geburtsgebrechens gehe weit über das Vorliegen eines ADHS hinaus, indem zusätzlich zu einem solchen auch eine Teilleistungsstörung diagnostiziert werden müsse. Die Diagnose könne gemäss dem aktuellem Wissensstand bereits bei vierjährigen oder noch jüngeren Kindern gestellt werden. Es handle sich um schwere Störungen des Verhaltens, die so früh als möglich behandelt werden müssten, damit das Kind z.B. im Kindergarten und in der Schule integriert werden könne. Die Störungen seien so schwer, dass sie sich bereits weit vor dem vollendeten 9. Altersjahr bemerkbar machten und mit (neuro-) psychologischen Testverfahren und weiteren (neuro-) pädiatrischen und/oder kinderpsychiatrischen Untersuchungen festgehalten werden könnten. Insofern grenze die Altersgrenze (vor Vollendung des 9. Altersjahres) die eindeutigen, schwereren und gut diagnostizierbaren Verhaltensstörungen in Form eines ADHS mit Teilleistungsstörungen von den weniger schweren, mit einem blossen ADHS auftretenden Störungen ab. Aus diesen Ausführungen, die - wenn auch nicht mit medizinischen Literaturhinweisen unterlegt - nicht in Frage zu stellen sind, ist zu folgern, dass in den schwereren Fällen mit (früh) ausgeprägter Symptomatik das Erfordernis der Diagnosestellung und eines Behandlungsbeginns vor dem vollendeten 9. Altersjahr regelmässig erfüllt sein dürfte. Darüber hinaus und damit auch für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergeben sich indessen keine in diesem oder in einem anderen Sinne verwertbaren Erkenntnisse.
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Erwägung 6.3 | |
6.3.1. Unbestritten lässt die Diagnose einer Störung von der im ersten Teilsatz von Ziff. 404 Anhang GgV umschriebenen Art allein nicht den sicheren Schluss zu, dass das Gebrechen bereits bei vollendeter Geburt bestand (vgl. BGE 122 V 113 E. 2e S. 117). Sodann gilt nach der als solcher nicht gesetzwidrigen Konzeption Folgendes: Je näher beim Stichtag (Vollendung des 9. Altersjahres) die Diagnose (erst) gestellt wurde oder die komplette Symptomatik bestand, umso weniger ist von einem angeborenen bzw. desto eher ist von einem erworbenen Gebrechen auszugehen. Allgemein ist mit zunehmendem Alter eine Abgrenzung medizinisch nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit möglich (BGE 122 V 113 E. 2a/dd in fine S. 120). Unter diesen Umständen war der Verordnungsgeber grundsätzlich befugt, ein zusätzliches Kriterium zu formulieren, um diese (Rechts-) Frage zu entscheiden. Dabei wird die Altersgrenze "vor dem vollendeten 9. Altersjahr" nicht in Frage gestellt, soweit es um die Diagnosestellung geht.
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6.3.2. Mit Bezug auf das weitere Erfordernis des effektiven Beginns einer (anerkannten) Behandlung vor dem nämlichen Zeitpunkt, welches die Vorinstanz als nicht gesetz- und verfassungsmässig erachtet (vgl. zur Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei [unselbständigen] Verordnungen des Bundesrates, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen BGE 136 I 197 E. 4.2 S. 201 und BGE 136 V 24 E. 7.1 S. 30), ist davon auszugehen, dass als Geburtsgebrechen diejenigen Krankheiten gelten, die bei vollendeter Geburt bestehen (Art. 3 Abs. 2 ATSG). Auf diese Bestimmung nimmt Art. 13 Abs. 1 IVG ausdrücklich Bezug. Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Art. 3 Abs. 1 ATSG). Der zweite Tatbestand spielt hier keine Rolle. Eine effektiv (vor dem vollendeten 9. Altersjahr) begonnene Behandlung ist somit auch für ein Geburtsgebrechen im Rechtssinne nicht begriffswesentlich. Insoweit besteht kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Anerkennung einer Störung von der im ersten Teilsatz von Ziff. 404 Anhang GgV umschriebenen Art als Geburtsgebrechen und dem Behandlungsbeginn, wie die Vorinstanz erwogen hat (E. 5 hiervor).
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6.3.3. Als Abgrenzungskriterium bzw. zum Entscheid der Frage, ob eine Störung im Sinne des ersten Teilsatzes von Ziff. 404 Anhang GgV angeboren oder erworben ist, erscheint indessen namentlich aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit - bei gestellter Diagnose - eine vor dem vollendetem 9. Altersjahr begonnene Behandlung geeigneter als eine (erst) fachärztlich bestätigte Behandlungsbedürftigkeit. Die beiden Zeitpunkte können, aus unterschiedlichen Gründen, auseinanderfallen, was dann von Bedeutung ist, wenn in dieser Zeit die versicherte Person die Altersgrenze von neun Jahren erreicht (vgl. etwa die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 804/04 vom 20. Mai 2005 E. 2.2 und I 27/03 vom 12. Dezember 2003 E. 2.6). Das allein macht jedoch das Abstellen auf den Behandlungsbeginn nicht sinn- oder zwecklos (BGE 136 V 24 E. 7.1 S. 30), und ist jedenfalls dann hinzunehmen, wenn eine (anerkannte) Behandlung aus von der versicherten Person zu vertretenden Gründen nicht vor dem vollendeten 9. Altersjahr begonnen werden kann. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor, da der Beschwerdegegnerin das Verhalten ihrer Mutter, welche eine Stimulanzienbehandlung abgelehnt hatte (E. 5.1 hiervor), als gesetzliche Vertreterin zuzurechnen ist. Diese Betrachtungsweise rechtfertigt sich im Übrigen auch deshalb, weil "es bei den in Ziff. 404 GgV Anhang umschriebenen Voraussetzungen nicht um 'Eingriffe in Rechtspositionen eines prinzipiell Anspruchsberechtigten aus Gründen der Praktikabilität' geht", sondern darum, "ein bestimmtes Leiden als angeboren zu qualifizieren, damit es als Geburtsgebrechen im Sinne des Gesetzes anerkannt werden kann" (BGE 122 V 113 E. 3b/bb und 3c/bb S. 121 f.).
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6.4. Nach dem Gesagten können die Voraussetzungen für eine Praxisänderung nicht als gegeben betrachtet werden. Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht. Die Beschwerde ist begründet.
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7. Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist umständehalber zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. Mai 2016 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 16. Januar 2015 bestätigt.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 4. November 2016
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Glanzmann
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Der Gerichtsschreiber: Fessler
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