BGer 6B_452/2016 | |||
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BGer 6B_452/2016 vom 23.12.2016 | |
{T 0/2}
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6B_452/2016
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Urteil vom 23. Dezember 2016 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Rüedi,
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Gerichtsschreiber Matt.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, Sennhofstrasse 17, 7000 Chur,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Verletzung der Verkehrsregeln; Signalisationsvorschriften; Anklageprinzip;
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 22. März 2016.
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Sachverhalt: |
A. | |
X.________ wird vorgeworfen, am 31. August 2012 aus Unachtsamkeit ein signalisiertes Überholverbot übersehen zu haben. Am 3. Dezember 2014 verurteilte ihn das Bezirksgericht Albula wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 200.-- sowie zu den Kosten des Verfahrens.
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B. | |
Die dagegen erhobene Berufung von X.________ wies das Kantonsgericht Graubünden am 22. März 2016 unter Kostenfolge ab.
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C. | |
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei vom Vorwurf der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes.
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1.1. Nach dem Anklagegrundsatz (Art. 9 Abs. 1 StPO) bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Sie hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 141 IV 132 E. 3.4.1 S. 142 f.; 140 IV 188 E. 1.3; je mit Hinweisen). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, was ihr konkret vorgeworfen wird, damit sie ihre Verteidigungsrechte angemessen ausüben kann.
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1.2. Mit seinen Einwänden ist der Beschwerdeführer nicht zu hören. Soweit er geltend macht, die Vorinstanz werfe ihm in Abweichung von der Anklage vorsätzliches Handeln vor, trifft dies offensichtlich nicht zu. Aus ihren Erwägungen ergibt sich klar, dass sie ihn der fahrlässigen Verletzung von Art. 27 Abs. 1 SVG für schuldig befindet (Urteil S. 24). Im Übrigen verkennt er mit Blick auf den Anklagegrundsatz, dass das Gericht zwar an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt gebunden ist, nicht aber an die rechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft (Art. 350 Abs. 1 StPO; Urteile 6B_480/2016 vom 5. August 2016 E. 2.2; 6B_254/2015 vom 27. August 2015 E. 3.1; je mit Hinweisen).
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Entgegen seiner Auffassung liegt auch im Umstand, dass im Dispositiv kein Hinweis auf die Strafbarkeit fahrlässigen Handelns nach Art. 100 Abs. 1 SVG erfolgte, keine Verletzung des Anklageprinzips oder einer anderen bundesrechtlichen Bestimmung, namentlich von Art. 81 Abs. 1 lit. c StPO. Als verletzte Rechtsnormen sind nur die Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 90 Ziff. 1 aSVG zu betrachten. Dass es sich um eine Fahrlässigkeitstat handelt, muss im Dispositiv nicht erwähnt werden. Wenn der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz werfe ihm eine Geschwindigkeitsübertretung sowie die vorsätzliche Verletzung von Art. 34 Abs. 4 SVG vor, so trifft dies ebenfalls nicht zu. Eine Verurteilung erging nicht. Auch war es ihm ohne Weiteres möglich, sich angemessen zu verteidigen.
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Erwägung 2 | |
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht, insbesondere von Art. 103 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21). Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass das "Überholen verboten"-Signal rechtzeitig und leicht erkennbar angebracht gewesen sei.
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2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f. mit Hinweisen). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 155 E. 4). Dabei ist auf die Motivation des Urteils einzugehen und daran die geltend gemachte Bundesrechtsverletzung im Einzelnen darzulegen. Die Rechtsschrift hat die Begründung der Begehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG); Verweisungen auf die Akten sind unbehelflich (BGE 140 III 115 E. 2). Auf eine appellatorische Beschwerdeführung ist nicht einzutreten (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; Urteil 6B_747/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 1.2). Im Übrigen legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 StGB), es sei denn, dieser ist offensichtlich unrichtig oder beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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Signale stehen am rechten Strassenrand. Sie können am linken Strassenrand wiederholt, über die Fahrbahn gehängt, auf Inseln gestellt oder in zwingenden Ausnahmefällen ausschliesslich links angebracht werden (Art. 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 SSV). Signale werden so aufgestellt, dass sie rechtzeitig erkannt und nicht durch Hindernisse verdeckt werden (Art. 103 Abs. 2 Satz 1 SSV).
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2.2. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb sie zum Schluss gelangt, dass das "Überholen verboten"-Signal am rechten Fahrbahnrand trotz Tieflage vorschriftsgemäss angebracht war und vom Beschwerdeführer aus Unachtsamkeit übersehen wurde. Dabei setzt sie sich mit seinen sämtlichen Vorbringen auseinander. E r beschränkt sich darauf, die vorinstanzlich vorgebrachten Rügen zu wiederholen Seine Kritik ist, soweit sie den gesetzlichen Anforderungen genügt (oben E. 2.1.1), nicht geeignet, das angefochtene Urteil als rechtsfehlerhaft erscheinen zu lassen.
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Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, kann aus der Tatsache, dass die Behörden nachträglich auch am linken Fahrbahnrand ein "Überholen verboten"-Signal angebracht haben, nicht geschlossen werden, das rechtsseitige Signal sei vorschriftswidrig platziert worden. Sie begründet auch nachvollziehbar, dass dem Beschwerdeführer bei Einhaltung eines ausreichenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug genügend Zeit blieb, um das gut sichtbare Signal auf einer Strecke von 20 bis 25 Metern zu erkennen. Entscheidend ist zudem nicht, ob er das Signal gesehen hat, sondern ob er es bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte sehen können (BGE 127 IV 229 E. 2c/aa S. 232; Urteil 6B_502/2016 vom 13. September 2016 E. 2.1; je mit Hinweisen). Dies war nach den willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz der Fall. Das eingereichte Foto beweist nichts Gegenteiliges. Auch darauf ist das in Tieflage angebrachte Signal deutlich - wenn auch nur teilweise - erkennbar.
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Ebenso auseinandergesetzt hat sich die Vorinstanz mit dem Argument, das Signal sei aufgrund einer leichten Linkskurve und anschliessenden Kuppe nicht erkennbar gewesen. Gleiches gilt für den Einwand, wonach das Überholverbot gerade im Bereich beginne, in dem die Sicherheitslinie ende. Darauf ist nicht einzugehen.
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Der Beschwerdeführer beschränkt sich auch hinsichtlich der vorinstanzlich bejahten Frage, ob die Platzierung des "Überholen verboten"-Signals in Tieflage ausnahmsweise zulässig war, darauf, seine vorinstanzlichen Vorbringen zu wiederholen. Entgegen seiner Auffassung verletzt die Vorinstanz auch insoweit kein Bundesrecht. Das Gesetz schreibt bei Anbringung mehrerer Vorschrifts-Signale an einem Träger deren Reihenfolge nicht detailliert vor. Die Vorinstanz begründet nachvollziehbar, dass sich das Höchstgeschwindigkeits-Signal an einen grösseren Adressatenkreis richte als das Überholverbot. Da es bei Einhaltung der geltenden Höchstgeschwindigkeit ohnehin kaum möglich sei, an besagter Stelle ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu überholen, komme der Signalisation "Überholen verboten" ein geringeres Gewicht zu als dem Signal "Höchstgeschwindigkeit". Wenn der Beschwerdeführer diese Feststellung als tatsachenwidrig rügt, entfernt er sich von der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung, ohne Willkür darzutun. Die Vorinstanz weist im Übrigen zu Recht darauf hin, dass er aus einer rechtswidrigen Signalisation nichts ableiten könnte. Aus dem Vertrauensgrundsatz im Strassenverkehr ergibt sich die Pflicht zur Beachtung auch rechtswidrig platzierter Signale, sofern sie nicht nichtig, d.h. offenkundig mangelhaft sind (BGE 128 IV 184 E. 4.3; Urteile 6B_464/2015 vom 8. Februar 2016 E. 2.2; 6B_677/2014 vom 20. November 2014 E. 4.2; je mit Hinweisen). Davon kann keine Rede sein.
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Erwägung 3 | |
Der Beschwerdeführer beanstandet die Vor- und erstinstanzlichen Verfahrenskosten.
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Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz das für Gerichtsgebühren geltende Kostendeckungs- oder das Äquivalenzprinzip verletzt haben soll (vgl. dazu Urteil 2C_1131/2014 vom 5. November 2015 E. 5 mit Hinweisen). Da die Beschwerde keine Begründung dazu enthält, inwiefern die Gesamteingänge den Gesamtaufwand des betreffenden Verwaltungszweigs überschreiten würden, ist auf die Rüge der Verletzung des Kostendeckungsprinzips nicht einzugehen. Der Vorwurf, eine Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- für das vorinstanzliche sowie von Fr. 2'660.-- für das erstinstanzliche Verfahren stehe in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung, ist offensichtlich haltlos. Mit der Rüge der Verletzung der verfassungsmässigen Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) verkennt der Beschwerdeführer deren Funktion, welche vorab in der Ermöglichung einer sachgerechten Anfechtung des Urteils besteht. Die Vorinstanz äussert sich zu den Grundsätzen der Kostenverlegung und zur anwendbaren Rechtsgrundlage ausführlich. Es ist nicht ersichtlich, dass sie diese willkürlich angewendet hätte. Das angefochtene Urteil ist auch in diesem Punkt nicht zu beanstanden.
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Erwägung 4 | |
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. Dezember 2016
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Matt
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