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Informationen zum Dokument  BGer 5A_843/2016  Materielle Begründung
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BGer 5A_843/2016 vom 31.01.2017
 
{T 0/2}
 
5A_843/2016
 
 
Urteil vom 31. Januar 2017
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Levante.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Betreibungsamt Seeland, Dienststelle Biel/Bienne.
 
Gegenstand
 
Zustellung der Zahlungsbefehle,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 10. Oktober 2016 (ABS 16 228).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 1. Juli 2016 händigte die Ortspolizei Biel in den Betreibungen Nr. yyy und Nr. zzz des Betreibungsamtes Seeland, Dienststelle Biel/Bienne, A.________ den Zahlungsbefehl aus. Dagegen gelangte A.________ am 11. Juli 2016 an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Sie machte eine fehlerhafte Zustellung geltend und verlangte, die beiden Zahlungsbefehle nichtig zu erklären. Die kantonale Aufsichtsbehörde trat mit Entscheid vom 10. Oktober 2016 auf die Beschwerde nicht ein.
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B. Mit Eingabe vom 3. November 2016 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die Nichtigerklärung der beiden Zahlungsbefehle.
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Die Beschwerdeführerin stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
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Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde am 8. November 2016 abgewiesen.
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Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt worden.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der angefochtene Entscheid stammt von einer kantonalen Rechtsmittelinstanz und beschlägt die Zustellung von Zahlungsbefehlen, mithin eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache. Die Beschwerde in Zivilsachen ist vorliegend gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 75 BGG). Auf einzelne Eintretensfragen ist im Sachzusammenhang einzugehen.
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1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104). Die Missachtung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).
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1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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2. Die Kantone haben zur Überwachung der Betreibungs- und Konkursämter eine Aufsichtsbehörde zu bezeichnen. Es steht ihnen frei, ob sie dafür eine einzige Behörde oder eine untere und eine obere Instanz schaffen (Art. 13 SchKG; LEVANTE, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 8 zu Art. 13). Der Kanton Bern hat sich für eine einzige Aufsichtsbehörde entschieden (Art. 10 Abs. 1 EG SchKG/BE). Ob diese Regelung unüblich ist, wie die Beschwerdeführerin meint, ändert nichts daran, dass sie bundesrechtskonform ist.
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Erwägung 3
 
3.1. Nach Ansicht der kantonalen Aufsichtsbehörde besteht kein Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung der allenfalls mangelhaften Zustellung der Zahlungsbefehle. Sie weist darauf hin, dass es der Beschwerdeführerin in beiden Betreibungsverfahren möglich gewesen war, rechtzeitig Rechtsvorschlag zu erheben und damit ihre Rechte zu wahren. Damit würde eine erneute Zustellung zu einem blossen Leerlauf führen.
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3.2. Die Beschwerdeführerin betont auch vor Bundesgericht (mit Hinweis auf Art. 64 SchKG), dass die gesetzlichen Zustellungsanforderungen an eine Betreibungsurkunde in jedem Fall zu beachten seien. Demnach hätten ihr die Zahlungsbefehle nicht "auf der grünen Wiese" ausgehändigt werden dürfen. Der Umstand, dass sie fristgerecht Rechtsvorschlag erhoben habe, ändert nach Ansicht der Beschwerdeführerin nichts an der fehlerhaften Zustellung der Zahlungsbefehle. In einem solchen Fall stelle der Rechtsvorschlag eine blosse Vorsichtsmassnahme dar.
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4. Anlass zur Beschwerde gibt die Zustellung von zwei Zahlungsbefehlen.
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4.1. Die Betreibungsurkunden, zu welchen der Zahlungsbefehl gehört (BGE 120 III 57 E. 2a S. 58), sind dem Schuldner aufgrund ihrer Bedeutung in qualifizierter Weise zuzustellen. Durch die offene Übergabe soll die tatsächliche Kenntnisnahme gewährleistet werden (AMONN/ WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 12 Rz. 13; vgl. BGE 136 III 571 E. 6.3 S. 574). Bei natürlichen Personen sind die Betreibungsurkunden dem Schuldner in seiner Wohnung oder dem Ort, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zuzustellen (Art. 64 Abs. 1 SchKG; JAQUES, De la notification des actes de poursuite, BlSchK 2011 S. 181 f.). Die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgt durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder durch die Post (Art. 72 Abs. 1 SchKG). Erst wenn ein solcher Zustellungsversuch misslungen ist, darf die Zustellung unter Zuhilfenahme eines Gemeinde- oder Polizeibeamten vorgenommen werden (Art. 64 Abs. 2 SchKG; RUEDIN, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 12 zu Art. 72). Ausnahmsweise ist eine Ersatzzustellung durch öffentliche Bekanntmachung möglich (Art. 66 Abs. 4 SchKG).
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4.2. Den tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz lässt sich einzig entnehmen, dass die strittigen Zahlungsbefehle der Beschwerdeführerin am 1. Juli 2016 ausgehändigt worden sind und diese fristgerecht Rechtsvorschlag erhoben hat. Die Vorbringen des Betreibungsamtes in seiner Vernehmlassung, wie die vorgängigen Zustellungsversuche im Einzelnen verlaufen sind und weshalb schliesslich die Ortspolizeibehörde eingeschaltet worden ist, werden von der Vorinstanz einzig wiedergegeben, aber nicht beweismässig gewürdigt. Damit fehlt es in dieser Hinsicht an einem verbindlichen Sachverhalt, der es dem Bundesgericht ermöglicht, die Zustellung der beiden Zahlungsbefehle auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht zu überprüfen (E. 1.3).
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4.3. Es bleibt die Frage zu beantworten, ob - ungeachtet einer allfällig mangelhaften Zustellung der Zahlungsbefehle - massgebliche Bestimmungen des SchKG verletzt worden sind. Im Vordergrund steht dabei die Rechtsstellung des Betriebenen. Massgebend ist dabei einzig, ob dieser in diesem Stadium des Betreibungsverfahrens (Zustellung des Zahlungsbefehls) seine Rechte wahrnehmen kann. Im konkreten Fall steht fest, dass die Beschwerdeführerin die beiden Zahlungsbefehle erhalten und fristwahrend Rechtsvorschlag erhoben hat. Damit hat sie sich einstweilen mit Erfolg gegen die Fortsetzung der Betreibungen gewehrt (Art. 78 Abs. 1 SchKG). Wohl steht ihr ab Erhalt bzw. Kenntnisnahme der Zahlungsbefehle die Möglichkeit offen, innert zehn Tagen mit einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG eventuelle Verfahrensfehler bei der Aufsichtsbehörde geltend zu machen. Ein solches Vorgehen setzt allerdings voraus, dass ein aktuelles praktisches Interesse an der Prüfung der vorgebrachten Rügen besteht (vgl. LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 174 zu Art. 17).
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4.4. Gemäss ständiger und von der Lehre bestätigter Rechtsprechung erweist sich die mangelhafte Zustellung einer Betreibungsurkunde nur dann als nichtig, wenn der Adressat diese gar nicht erhalten hat. Kommt ihm hingegen die Betreibungsurkunde gleichwohl zu, so entfaltet sie ab Erhalt ihre Wirkungen (JEANNERET/LEMBO, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 34 f. zu Art. 64). Handelt es sich wie im konkreten Fall um einen Zahlungsbefehl, so beginnt in diesem Zeitpunkt (bzw. ab Kenntnisnahme) die Frist für die Erhebung des Rechtsvorschlags und der Einreichung der Beschwerde nach Art. 17 SchKG zu laufen. Kann der Betriebene seine Rechte vollumfänglich wahrnehmen, so besteht auch kein schützenswertes Interesse, auf Beschwerde hin zu prüfen, ob die gesetzlichen Anforderungen an die Zustellung des Zahlungsbefehls beachtet worden sind, und diesen gegebenenfalls erneut zuzustellen (BGE 128 III 101 E. 2 S. 104; 120 III 114 E. 3b S. 116; 112 III 81 E. 2b S. 85; Urteile 5A_412/2016 vom 14. Oktober 2016 E. 3.4; 5A_548/2011 E. 2.1 vom 5. Dezember 2011; JAQUES, a.a.O., S. 192; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Erg.-Bd. 2017, 
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4.5. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass der von der Vorinstanz angeführte Entscheid des Bundesgerichts (BGE 120 III 117 E. 2c S. 119) im konkreten Fall nicht hilfreich ist, da er "logisch nicht nachzuvollziehen ist und schlicht und einfach völlig an der Wirklichkeit vorbeischiesst". Mit diesem Vorbringen kann sie nicht dartun, weshalb die Zustellung der beiden Zahlungsbefehle nichtig sein sollte. Auch geht daraus nicht hervor, worin ein schützenswertes Interesse an der Prüfung der Zustellungsanforderungen liegen sollte, wenn zugleich ihre Rechtsstellung nicht beeinträchtigt ist. Nicht nachvollziehbar ist zudem in diesem Zusammenhang die Forderung der Beschwerdeführerin, die Zustellung der beiden Zahlungsbefehle zu überprüfen, da sie nur bedingt und im Sinne einer Vorsichtsmassnahme Rechtsvorschlag erhoben habe.
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4.6. Die vorinstanzliche Begründung ist auf jeden Fall mit Bundesrecht vereinbar, wenn auch das von der Beschwerdeführerin kritisierte Zitat nicht einschlägig ist und allenfalls ein blosser Verschrieb vorliegt.
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5. Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin kann ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht gutgeheissen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss sind ihr die Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. Januar 2017
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Levante
 
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