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Informationen zum Dokument  BGer 8C_257/2017  Materielle Begründung
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BGer 8C_257/2017 vom 11.05.2017
 
{T 0/2}
 
8C_257/2017
 
 
Urteil vom 11. Mai 2017
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
vertreten durch MLaw Franziska Ammann,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. Februar 2017.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1973, arbeitete als Kleinklassenlehrerin an der Sprachheilschule B.________ und war bei der Helsana Unfall AG (nachfolgend: Helsana) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 25. September 2006 meldete die Arbeitgeberin, dass A.________ am 3. Februar 2004 in X.________ beim Skifahren gestürzt sei und sich am linken Hüftgelenk verletzt habe. Die Helsana holte Berichte der behandelnden Ärzte sowie ein orthopädisch-traumatologisches Fachgutachten des Prof. Dr. med. C.________ vom 3. November 2008 ein. Danach litt A.________ an einem bis zum Unfall stumm gebliebenen Arthroseleiden (Coxa profunda, sekundäre traumatisierte Koxarthrose). Die Helsana erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Am 26. Februar 2009 schloss sie den Fall ab, nachdem die Versicherte nicht mehr in medizinischer Behandlung stand und auch keine Medikamente mehr zu sich nahm.
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Am 18. November 2014 meldete die Arbeitgeberin einen Rückfall. Gestützt auf die Stellungnahmen des Prof. Dr. med. C.________ lehnte die Helsana ihre Leistungspflicht mit Verfügung vom 19. Januar 2015 und Einspracheentscheid vom 8. Juni 2015 ab.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 28. Februar 2017 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihr die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zur Einholung eines gerichtlichen Obergutachtens und zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und auf einen Schriftenwechsel verzichtet.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass andere als Heilbehandlungsleistungen im Streit stünden. Dabei handelt es sich um eine Sach- und nicht um eine Geldleistung. Das Bundesgericht ist daher an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG e contrario; Urteile 8C_637/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 2; 8C_832/2007 vom 10. März 2008 E. 1.2; je mit Hinweisen).
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2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht zu Recht eine Leistungspflicht für die am 18. November 2014 geltend gemachten Beschwerden verneint hat, weil es zufolge Erreichens des Status quo sine (Zustand, wie er auch ohne Unfall bestehen würde) am natürlichen Kausalzusammenhang zum Unfall fehlt.
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Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
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Erwägung 3
 
3.1. Die Vorinstanz hat erkannt, dass nach Einschätzung des Prof. Dr. med. C.________ in seinem Gutachten vom 3. November 2008 das linke Hüftgelenk als Coxa profunda mit beginnender, bis 2004 stummer Arthrose einen Vorzustand aufgewiesen und durch den Unfall eine Verschlimmerung des präarthrotischen Zustandes erfahren habe. Die Unfallkausalität sei mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit für zehn Jahre ausgewiesen. Der Grundfall sei mit der rechtskräftigen Einstellung der Taggelder ab Mai 2009 abgeschlossen worden. Die Stellungnahmen des Prof. Dr. med. C.________ vom 28. November 2014 und vom 26. Mai 2015 hätten bestätigt, dass die am 18. November 2014 als Rückfall gemeldeten Beschwerden nicht mehr natürlich-kausal auf den Unfall vom 3. Februar 2004 zurückzuführen seien.
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3.2. Die Versicherte rügt, dass die Unfallkausalität ihrer anhaltenden Beschwerden anhand der vorliegenden medizinischen Akten nicht schlüssig zu beurteilen sei. Im vorinstanzlichen Verfahren hat sie sich dabei auf die aktuellen Berichte ihrer behandelnden Ärzte berufen. Letztinstanzlich macht sie geltend, dass auf das Gutachten des Prof. Dr. med. C.________ vom 3. November 2008 nicht abzustellen sei. Weshalb die neuen Vorbringen zulässig sein sollen (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 135 V 194 E. 3.4 S. 199 f.), wird beschwerdeweise nicht ausgeführt. Sie geben aber ohnehin keinen Anlass für eine andere Beurteilung.
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3.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass Prof. Dr. med. C.________ damals sein Gutachten auf Nachfrage der Helsana aus Gefälligkeit abgeändert habe. Wie der Stellungnahme des Gutachters vom 16. März 2009 zu entnehmen ist, hatte er in der ersten Fassung notiert, dass das linke Hüftgelenk durch den Unfall eine vorübergehende Verschlimmerung seines arthrotischen Zustandes erfahren habe. Im Folgenden habe er diese Verschlimmerung als richtunggebend beschrieben. Er erläuterte, es sei ihm bewusst, dass die beiden Begriffe "vorübergehend" und "richtunggebend" im versicherungsrechtlichen Sinne als nicht miteinander vereinbar gälten und seine Formulierung zu Missverständnissen Anlass geben könnte. Er hielt jedoch fest, dass es sich jedenfalls, wie bereits in der ursprünglichen Fassung seines Gutachtens ausdrücklich ausgeführt, um eine zeitlich auf zehn Jahre begrenzte Verschlimmerung handle. Es ist angesichts dieser Erörterungen nicht nachvollziehbar, inwiefern seine Bescheinigung zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgefallen und die vorinstanzliche Feststellung, dass zehn Jahre nach dem Unfall der Status quo sine eingetreten sei, offensichtlich unrichtig sein soll. Dass er der Helsana aus Gefälligkeit entgegengekommen wäre, lässt sich auch nicht aus einem Schreiben vom 17. Dezember 2008 ableiten, wonach er bei entsprechend schwierigen Fragestellungen auch in Zukunft gerne gutachterlich tätig sein würde.
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3.2.2. Des Weiteren liegt nach Ansicht der Beschwerdeführerin ein Widerspruch vor zum Urteil U 395/04 vom 12. September 2006, welches Prof. Dr. med. C.________ zitierte. Das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) hatte sich in jenem Fall wie hier mit der unfallbedingten Schädigung einer Coxa profunda zu befassen und zur Beurteilung ein Gutachten des Prof. Dr. med. D.________ eingeholt. Dieser führte unter anderem aus, die Frage, warum die dort vom Unfall nicht betroffene linke Seite mit nahezu ähnlichen Veränderungen nicht oder erst viel später symptomatisch geworden sei, lasse sich wenig gut damit erklären, dass auf dieser Seite kein Unfall stattgefunden habe (E. 2.2 i.f). Ungeachtet dessen stellte das Eidgenössische Versicherungsgericht auf die Einschätzung des Prof. Dr. med. D.________ ab, wonach der Unfall für ein bis maximal zwei Jahre (teil-) kausal für die Hüftgelenksschädigung gewesen sei (E. 2.3.3). Auch nach dem Gutachten des Prof. Dr. med. C.________ war die Hüfterkrankung beidseitig vorhanden und lagen die gleichen radiometrischen Werte wie an der linken Hüfte (welche hier durch den Unfall geschädigt worden war) auch rechts vor, während die rechte Hüfte jedoch noch asymptomatisch war. Prof. Dr. med. C.________ legte dar, dass sich symmetrisch angelegte Körperelemente nach der klinischen Erfahrung auch bei identischer Ausgangssituation sehr verschieden entwickeln könnten. Inwiefern sich daraus ein offenbarer und nicht zu behebender Widerspruch zu der von ihm angenommen Unfallkausalität für eine Dauer von zehn Jahren beziehungsweise zum erwähnten bundesgerichtlichen Urteil ergeben soll, ist nicht ersichtlich.
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3.2.3. Im Übrigen beruft sich die Versicherte auf die Berichte ihrer behandelnden Ärzte Dres. med. E.________, F.________, G.________ und H.________ aus den Jahren 2006 und 2007. Es wird nicht weiter ausgeführt, was sich daraus zur Frage der natürlichen Kausalität der im November 2014 geltend gemachten Beschwerden ableiten liesse. Den Berichten lässt sich entnehmen, dass die Versicherte bis zum erwähnten Unfall völlig beschwerdefrei gewesen sei. Eine nähere Begründung für die Ansicht, dass deshalb kein krankhafter Vorzustand vorgelegen haben könne, findet sich in keiner dieser Stellungnahmen. Demgegenüber führte der Gutachter unter Hinweis auf seine eigenen, publizierten Studien anhand eines sehr umfangreichen Krankengutes der Orthopädischen Universitätsklinik I.________ zur Arthroseätiologie im Langzeitverlauf sowie auf weitere einschlägige Literatur eingehend aus, weshalb im Fall der Beschwerdeführerin ein Arthroseleiden (die in der MRI-Untersuchung vom 20. September 2006 gezeigte Coxarthrose) in seinem Frühstadium klinisch stumm bereits bestanden habe, durch das Trauma im Jahr 2004 jedoch aktiviert worden sei. Im nicht traumatisch beeinflussten Verlauf hätte der Arthroseschaden die gleichen klinischen Symptome verursacht, wie sie die Beschwerdeführerin seit dem Unfall verspürt habe.
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3.3. Es lassen sich anhand der Vorbringen der Beschwerdeführerin keine Indizien ausmachen, die gegen die Zuverlässigkeit des eingehend begründeten Gutachtens sprechen. Die Vorinstanz durfte deshalb praxisgemäss darauf abstellen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes liegt nicht vor und es bestand kein Anspruch auf Einholung eines Gerichtsgutachtens. Die Beschwerde vermag den angefochtenen Entscheid nicht als offensichtlich unrichtig oder in anderer Weise rechtswidrig erscheinen zu lassen. Mit dem kantonalen Gericht ist davon auszugehen, dass zehn Jahre nach dem Unfall im Februar 2014 der Status quo sine erreicht war. Das linke Hüftgelenk wäre zu diesem Zeitpunkt aufgrund der präarthrotischen Deformität auch ohne Unfall symptomatisch geworden. Die mit Rückfallmeldung vom 18. November 2014 geltend gemachten Beschwerden standen in keinem natürlich-kausalen Zusammenhang mit dem Unfall. Damit besteht kein Bedarf an weiteren Abklärungen.
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4. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 11. Mai 2017
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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