BGer 6B_1155/2016 | |||
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BGer 6B_1155/2016 vom 17.05.2017 | |
6B_1155/2016
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Urteil vom 17. Mai 2017 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Oberholzer,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiber Williner.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Tomas Kempf,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
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2. A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Schlegel,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Einfache Körperverletzung; Schadenersatz und Genugtuung,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 19. August 2016.
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Sachverhalt: |
A. | |
Das Bezirksgericht Hinwil verurteilte A.________ am 15. April 2014 wegen einfacher Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten, stellte eine Schadenersatz- und Genugtuungspflicht im Grundsatz fest und verwies den Privatkläger X.________ auf den Zivilweg. Während das Obergericht des Kantons Zürich diesen Entscheid am 16. Februar 2015 auf Berufung hin bestätigte, hiess das Bundesgericht die dagegen von A.________ geführte Beschwerde in Strafsachen gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Urteil 6B_375/2015 vom 29. Oktober 2015).
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B. | |
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach A.________ am 19. August 2016 in Anwendung von Art. 15 StGB vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB frei und wies die Ansprüche des Privatklägers X.________ auf Schadenersatz und Genugtuung ab.
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C. | |
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. August 2016 sei aufzuheben und A.________ der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen. Weiter sei festzustellen, dass dieser gegenüber X.________ aus dem eingeklagten Ereignis vom 15. November 2012 dem Grundsatz nach schadenersatz- und genugtuungspflichtig sei. Zur genauen Feststellung des Schadenersatz- und Genugtuungsanspruchs sei er indessen auf den Zivilweg zu verweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung (vgl. nachfolgend E. 2) und eine bundesrechtswidrige Anwendung von Art. 15 StGB (vgl. nachfolgend E. 3).
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1.2. Die Vorinstanz ist der Auffassung, der Beschwerdeführer - welcher den Tatbestand der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB unbestrittenermassen in objektiver wie in subjektiver Sicht erfüllt - könne sich auf den Rechtfertigungsgrund der Notwehr berufen und sei deshalb freizusprechen. Zur Begründung führt sie aus, der Beschwerdeführer sei völlig unerwartet mit einem Inbusschlüssel auf den Beschwerdegegner losgegangen. Dieser Angriff sei zumindest als relativ gefährlich zu werten, was eine Reaktion des Beschwerdegegners innert Sekundenbruchteilen erfordert habe. Eine Abwehr mit Hilfe eines reflexartigen Hartgummihammerschlags zum Kopf des Beschwerdeführers sei unter diesen Umständen gerade noch verhältnismässig, zumal rechtsprechungsgemäss allzu subtile Differenzierungen - insbesondere mit Blick auf die geforderte schnelle Reaktion - zu vermeiden seien. Die nachweislich ungewollte und unerwartete Provokation des Angriffs durch die verbalen Sticheleien seitens des Angegriffenen würden dabei ohne Einfluss auf die Beurteilung der Notwehrsituation bleiben.
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Erwägung 2 |
Erwägung 2.1 | |
2.1.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich ist und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 141 IV 317 E. 5.4 mit Hinweisen). Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, das heisst wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375, 305 E. 1.2 S. 308; je mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid, wie sie beispielsweise im Berufungsverfahren vor einer Instanz mit voller Kognition vorgebracht werden kann, tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. BGE 141 IV 369 E. 6.3 S. 375 mit Hinweisen).
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2.1.2. Sowohl die Vorinstanz wie auch das Bundesgericht sind an die im Rückweisungsentscheid vom 29. Oktober 2015 getroffenen Feststellungen und rechtlichen Überlegungen gebunden (BGE 117 V 237 E. 2a S. 241 f.; ULRICH MEYER/JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 18 zu Art. 107).
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2.2. Was der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht vorbringt, vermag keine Willkür zu begründen.
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2.2.1. Namentlich verfängt der Einwand nicht, die Vorinstanz habe sich über die verbindliche bundesgerichtliche Feststellung hinweggesetzt, wonach der Angriff mit dem Inbusschlüssel nach aller Lebenserfahrung eines Tages zu erwarten gewesen sei. Der Angriff sei deshalb nicht völlig unerwartet erfolgt. Der Beschwerdeführer lässt ausser Acht, dass sowohl die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid wie auch das Bundesgericht im Rückweisungsurteil vom 29. Oktober 2015 explizit feststellen, der Angriff sei
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2.2.2. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe wichtige Beweismittel - konkret die Einvernahme des Beschwerdegegners vom 11. November 2012 sowie die Tatrekonstruktion des Forensischen Instituts Zürich vom 20. September 2013 - ausser Acht gelassen. Gemäss diesen Beweismitteln habe der Beschwerdegegner die gegnerische Faust mit dem Inbusschlüssel bereits blockiert gehabt, als er mit dem Hartgummihammer zuschlug, weshalb eine Reaktion innerhalb von Sekundenbruchteilen gar nicht notwendig gewesen sei. Entgegen diesem Einwand hat die Vorinstanz sehr wohl festgestellt, der Beschwerdegegner habe die Faust des Angreifers blockiert und erst dann "reflexartig" mit einem eben greifbaren Hartgummihammer zugeschlagen. Insofern der Beschwerdeführer aber behauptet, aufgrund der blockierten Faust sei eine sofortige Reaktion gar nicht mehr notwendig gewesen, macht er sinngemäss geltend, der Beschwerdegegner habe sich nicht gegen einen noch in Gang befindlichen, sondern gegen einen bereits wirksam abgewehrten Angriff zur Wehr gesetzt (vgl. dazu BGE 99 IV 187 S. 188 f.). Damit weicht der Beschwerdeführer - ohne dies substanziiert zu begründen - von dem vorinstanzlich verbindlich festgestellten Sachverhalt ab.
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2.2.3. Entgegen der Beschwerde kann auch keine Rede davon sein, die Vorinstanz habe die Aussage des Beschwerdegegners anlässlich der Konfrontationseinvernahme vom 26. März 2013 "unterschlagen", wonach er in seiner Jugend Karate trainiert habe und im Militär in Selbstverteidigung ausgebildet worden sei. Im Gegenteil hat das kantonale Gericht diese Umstände explizit in ihre Sachverhaltsermittlung miteinbezogen.
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2.2.4. Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer schliesslich aus dem Einwand, das Bundesgericht habe entgegen der Behauptung der Vorinstanz den Angriff mit einem Inbusschlüssel nicht als relativ gefährlich eingestuft, sondern lediglich als weder "stumpf" noch "relativ harmlos". Der Beschwerdeführer verkennt, dass nicht das Bundesgericht, sondern die Vorinstanz - durch Umkehrschluss aus den erwähnten bundesgerichtlichen Feststellungen - auf die relative Gefährlichkeit des Angriffs mit einem Inbusschlüssel geschlossen hat. Diesen Schluss beanstandet der Beschwerdeführer indessen zu Recht nicht, weshalb sich Weiterungen dazu erübrigen.
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Erwägung 3 | |
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Abwehr sei nicht angemessen im Sinne von Art. 15 StGB gewesen, da der entsprechend ausgebildete Beschwerdegegner den Angriff mit milderen Mitteln hätte abwehren können, weil er seine Schläge nicht auf weniger verletzliche Körperteile wie Beine oder Arme gerichtet habe und weil er vorgängig keine Warnung ausgesprochen habe.
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3.1. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB). Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 16 Abs. 1 StGB). Überschreitet er die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft (Art. 16 Abs. 2 StGB). Die Abwehr in einer Notwehrsituation muss nach der Gesamtheit der Umstände als verhältnismässig erscheinen. Eine Rolle spielen insbesondere die Schwere des Angriffs, die durch den Angriff und die Abwehr bedrohten Rechtsgüter, die Art des Abwehrmittels und dessen tatsächliche Verwendung. Die Angemessenheit der Abwehr ist auf Grund jener Situation zu beurteilen, in der sich der rechtswidrig Angegriffene im Zeitpunkt seiner Tat befand. Es dürfen nicht nachträglich allzu subtile Überlegungen darüber angestellt werden, ob der Angegriffene sich nicht allenfalls auch mit anderen, weniger einschneidenden Massnahmen hätte begnügen können (BGE 136 IV 49 E. 3.1 und 3.2 S. 51 f. mit Hinweisen).
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3.2. Soweit der Beschwerdeführer seinen Vorbringen einen anderen als den willkürfrei festgestellten Sachverhalt zugrunde legt (vgl. dazu E. 2 hievor), ist er nicht zu hören. Inwiefern das kantonale Gericht bei der rechtlichen Einordnung des von ihm festgestellten Sachverhalts Bundesrecht (Art. 15 StGB) verletzt haben soll, wird nicht substanziiert dargetan. Insbesondere legt der Beschwerdeführer nicht dar, welche zumutbaren milderen Mittel dem unbestritten rechtswidrig angegriffenen Beschwerdegegner gegen den noch in Gang befindlichen Angriff mit einem gefährlichen Gegenstand hätten zur Verfügung stehen sollen. Es kann dem Angegriffenen, welcher gerade nicht wusste, wo er den Angreifer traf, auch nicht zum Vorwurf gereichen, dass der Schlag mit dem Hartgummihammer zufällig gegen ein besonderes verletzliches Körperteil ging. In Anbetracht der kurzen Reaktionszeit und der "reflexartig" erfolgten Abwehrhandlung ist auch der Einwand unbehelflich, der Beschwerdegegner hätte den Beschwerdeführer vorgängig über die Abwehrhandlung warnen müssen. Die Vorinstanz verletzte kein Bundesrecht, indem sie den Beschwerdegegner in Anwendung von Art. 15 StGB vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB freigesprochen hat. Es erübrigen sich damit Weiterungen zur Schadenersatz- und Genugtuungspflicht.
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Erwägung 4 | |
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 17. Mai 2017
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Williner
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