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Informationen zum Dokument  BGer 8C_399/2017  Materielle Begründung
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BGer 8C_399/2017 vom 22.06.2017
 
8C_399/2017
 
 
Urteil vom 22. Juni 2017
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiber Jancar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des
 
Kantonsgerichts Luzern vom 24. April 2017.
 
 
Sachverhalt:
 
Mit Verfügung vom 20. Februar 2017 trat die IV-Stelle Luzern auf das Rentenbegehren der 1957 geborenen A.________ nicht ein.
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Hiergegen erhob die Versicherte beim Kantonsgericht Luzern Beschwerde. Dieses forderte sie mit Verfügung vom 23. März 2017 auf, bis 7. April 2017 eine Kostenvorschuss in Höhe von Fr. 900.- zu bezahlen, ansonsten auf die Beschwerde unter Kostenfolgen nicht eingetreten werde. Mit Entscheid vom 24. April 2017 trat die Vorinstanz auf die Beschwerde nicht ein, da die Versicherte den Kostenvorschuss nicht fristgemäss geleistet habe.
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Mit Beschwerde in öffentlich-rechtliche Angelegenheiten beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei auf die Beschwerde einzutreten.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin den vom kantonalen Gericht einverlangten Kostenvorschuss nicht innert der ihr bis 7. April 2017 angesetzten Frist bezahlt hat.
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2.2. Sie macht geltend, bei § 195 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG) des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 handle es ich um eine Kann-Vorschrift, weshalb ein Kostenvorschuss nicht erhoben werden müsse. Diesen Einwand hätte sie innert der ihr angesetzten Zahlungsfrist dem Kantonsgericht vortragen können und angesichts des klaren Hinweises auf die Säumnisfolgen (vgl. Sachverhalt lit. A hiervor) auch erheben müssen. Dass sie dies getan hätte oder dass besondere Umstände sie unverschuldet daran gehindert hätten, dies zu tun, macht sie nicht geltend (vgl. auch Urteil 2C_73/2015 vom 27. Januar 2015 E. 2.3).
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2.3. Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, der Kostenvorschuss sei bei der Vorinstanz am 21. April 2017, mithin noch vor Fällung des angefochtenen Entscheides vom 24. April 2017 eingegangen. Damit habe sie den prozessualen Vorschriften Genüge getan und sei der geordnete Gang der Rechtspflege nicht mehr gestört gewesen. Es verstosse demnach gegen das Verbot der Willkür (Art. 9 BV) und des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 2 BV), wenn die Vorinstanz trotzdem einen Nichteintretensentscheid gefällt habe. Zudem habe diese gewusst, dass sie durch eine Rechtsschutzversicherung vertreten gewesen sei, die bekanntermassen auch Gerichtsgebühren und andere Verfahrenskosten staatlicher Gerichte übernehme. Das Festhalten an rigorosen Formvorschriften sei somit nicht durch das Inkassorisiko des Kantons gerechtfertigt gewesen.
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Diese Einwände sind allesamt nicht stichhaltig. Denn die Sanktion des Nichteintretens auf die Beschwerde wegen Nichtbezahlung des Kostenvorschusses stellt praxisgemäss keinen überspitzten Formalismus dar. Die strikte Anwendung der Kostenvorschussregeln ist vielmehr durch das Rechtsgleichheitsgebot, das öffentliche Interesse am guten Funktionieren der Justiz und die Rechtssicherheit gerechtfertigt (SVR 2010 IV Nr. 62 S. 189, 9C_923/2009 E. 4.1.1). In diesem Lichte kann auch von Willkür des kantonalen Gerichts keine Rede sein.
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2.4. Unbeheflich ist im Weiteren die Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz hätte ihr eine Nachfrist zu Leistung des Kostenvorschusses ansetzen müssen. Denn § 195 VRG-LU sieht keine solche Pflicht vor. Für das im Rahmen von Art. 61 ATSG kantonalrechtlich geregelte Verfahren vor den kantonalen Sozialversicherungsgerichten existiert auch keine Vorschrift des Bundesrechts, welche die Kantone zur Ansetzung einer Nachfrist nach unbenutztem Ablauf der (erstmalig) eingeräumten Frist zur Vorschusszahlung verpflichtet. Eine Nachfrist zur Zahlung des Kostenvorschusses rechtfertigt sich verfassungsrechtlich nur ausnahmsweise (Urteile 5A_834/2009 vom 15. Februar 2010 E. 2.2.2 und 9C_715/2007 vom 17. Juni 2008 E. 6.3.2). Ein entsprechender Ausnahmefall wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
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3. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird das Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG angewendet. Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 22. Juni 2017
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar
 
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