VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_640/2017  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_640/2017 vom 21.08.2017
 
6B_640/2017
 
 
Urteil vom 21. August 2017
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________ GmbH,
 
handelnd durch Y.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Kostenauflage,
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 28. April 2017.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Das Statthalteramt Bezirk Winterthur büsste die Beschwerdeführerin als Fahrzeughalterin am 21. Juli 2016 wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen am 6. Februar 2014 mit Fr. 120.--. Auf die Einsprache der Beschwerdeführerin hin hielt das Statthalteramt am Strafbefehl fest und überwies die Akten dem Bezirksgericht Winterthur. Dieses stellte das Verfahren am 14. Februar 2017 wegen Verjährung ein, auferlegte der Beschwerdeführerin indessen die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die Gebühren und Auslagen des Statthalteramts. Der Entscheid des Bezirksgerichts wurde der Beschwerdeführerin am 7. März 2017 zugestellt. Diese erhob am 16. März 2017 sowohl vorab per Fax als auch per Post Beschwerde, wobei die Postsendung der Deutschen Post am 17. März 2017 mit gewöhnlicher, nicht eingeschriebener Post übergeben wurde. Das Obergericht des Kantons Zürich trat darauf zufolge Verspätung mit Verfügung vom 28. April 2017 nicht ein.
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich an das Bundesgericht. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben. Beim Obergericht des Kantons Zürich sei eine Neuentscheidung der Beschwerde zu bewirken. Die Beschwerdeführerin ersucht überdies um unentgeltliche Rechtspflege.
2
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Rechtsmittelbelehrung des Entscheids des Bezirksgerichts Winterthur vom 14. Februar 2017 sei mit Mängeln behaftet. Es fehle zum einen der Hinweis, dass die Einlegung der Beschwerde zur Fristwahrung vorab per Fax nicht zulässig sei. Zum andern sei nur eine Frist von 10 Tagen zur Beschwerdeerhebung eingeräumt worden. Die Postlaufzeit im internationalen Postverkehr, hier zwischen Deutschland und der Schweiz, könne bis zu 7 Tagen betragen. Damit verkürze sich die tatsächliche Frist zur Rechtsmitteleinreichung auf 3 Tage. Das sei unangemessen kurz und benachteilige die Betroffenen. Der Entscheid sei rechtswidrig.
3
2.2. Eine Rechtsmittelbelehrung muss das zulässige Rechtsmittel nennen und angeben, bei welcher Instanz und innert welcher Frist es zu erheben ist (NILS STOHNER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 81 StPO mit weiteren Hinweisen; DANIELA BRÜSCHWEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 81 StPO). Diesen Anforderungen genügt die bezirksgerichtliche Rechtsmittelbelehrung. Darin wird dargelegt, unter welchen Voraussetzungen innert 10 Tagen Beschwerde beim Obergericht geführt werden kann. Insbesondere wird auch darauf hingewiesen, dass die Beschwerde "schriftlich und begründet" eingereicht werden muss, was sich auch aus dem Gesetz ergibt (Art. 396 Abs. 1 StPO). Entsprechend war das Bezirksgericht auch nicht verpflichtet, in der Rechtsmittelbelehrung zusätzlich darauf hinzuweisen, dass eine Faxeingabe dem Schriftlichkeitserfordernis nicht genügt und demzufolge auch nicht fristwahrend ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1F_13/2012 vom 3. Juli 2012 E. 3 und 4 mit weiteren Hinweisen).
4
2.3. Nach Art. 396 Abs. 1 StPO beträgt die Beschwerdefrist 10 Tage. Dies mag zwar kurz sein. Als gesetzliche Frist kann sie aber nicht erstreckt werden (Art. 89 Abs. 1 StPO). Massgebend für den Beginn der Frist ist die Zustellung des begründeten Entscheids (Art. 384 lit. b StPO). Gemäss Rückschein wurde der Beschwerdeführerin der Entscheid des Bezirksgerichts am 7. März 2017 zugestellt. Entsprechend begann die 10-tägige Frist zur Anfechtung des Entscheids mit dem auf die Zustellung folgenden Tag, also am 8. März 2017, zu laufen (Art. 90 Abs. 1 StPO) und endete am 17. März 2017. Am letzten Tag der Frist übergab die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde der Deutschen Post. Das Einreichen einer Eingabe bei einer ausländischen Post ist indessen nicht fristwahrend (Urteil 6B_276/2013 vom 30. Juli 2013 E. 1.5; zur analogen Regelung gemäss Art. 48 Abs. 1 BGG vgl. Urteile 6B_737/2017 vom 27. Juni 2017 E. 1 und 6B_521/2013 vom 1. Juli 2013 E. 1 mit weiteren Hinweisen). Um die Frist von 10 Tagen einzuhalten, hätte die Beschwerdeführerin ihre Eingabe gemäss den gesetzlichen Vorgaben der StPO spätestens am letzten Tag bei der Strafbehörde abgeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben müssen (Art. 91 Abs. 2 StPO; vgl. zur elektronischen Einreichung Art. 91 Abs. 3 StPO). Dies hat die Beschwerdeführerin nicht getan. Das Obergericht ist damit zu Recht wegen Verspätung nicht auf das Rechtsmittel eingetreten. Es kann auf dessen zutreffende Erwägungen verwiesen werden.
5
 
Erwägung 3
 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Nach der Rechtsprechung können juristische Personen grundsätzlich keine unentgeltliche Prozessführung beanspruchen; sie sind nicht arm oder bedürftig, sondern bloss zahlungsunfähig oder überschuldet und haben in diesem Fall die gebotenen gesellschafts- und konkursrechtlichen Konsequenzen zu ziehen (Urteil 6B_261/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 4 mit Hinweis auf BGE 131 II 306 E. 5.2.1). Das Gesuch wäre im Übrigen auch deshalb abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der Beschwerdeführerin sind angesichts der finanziellen Verhältnisse reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).
6
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. August 2017
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).