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Informationen zum Dokument  BGer 1C_250/2017  Materielle Begründung
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BGer 1C_250/2017 vom 07.09.2017
 
1C_250/2017
 
 
Urteil vom 7. September 2017
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Advokat Christof Enderle,
 
gegen
 
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn,
 
Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn,
 
vertreten durch die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Abteilung Administrativmassnahmen,
 
Gurzelenstrasse 3, 4512 Bellach.
 
Gegenstand
 
Führerausweisentzug,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 15. März 2017 des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ fuhr am Montag, dem 1. Dezember 2014, um 06:41 Uhr, bei nasser Fahrbahn und regem Verkehr auf dem Autobahnzubringer von Pratteln in Richtung Birsfelden. Dabei fiel er in Pratteln einer Polizeipatrouille der Polizei Basel-Landschaft in einem zivilen Fahrzeug auf, weil er ihr mit der Lichthupe Signale gegeben hatte. Sie folgte ihm und stellte fest, dass er den Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug massiv unterschritt. Die von ihnen vorgenommene Messung ergab, dass er bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h über eine Strecke von rund 360 m einen Abstand von 0.56 Sekunden eingehalten hatte.
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Mit Strafbefehl vom 12. Februar 2015 verurteilte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft A.________ wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln sowie missbräuchlicher Abgabe von Warnsignalen zu einer Busse von 340 Franken. Auf Einsprache von A.________ hin wurde die Untersuchung ergänzt. Mit Strafbefehl vom 15. September 2016 bestätigte die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl vom 12. Februar 2015. Er blieb unangefochten.
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Am 8. Dezember 2016 entzog die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn A.________ den Führerausweis wegen schwerer Widerhandlung gegen die Verkehrsregeln für drei Monate.
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Am 15. März 2017 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die Beschwerde von A.________ gegen diese Entzugsverfügung ab.
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B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, diesen Entscheid aufzuheben und ihm den Führerausweis für einen Monat zu entziehen. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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C. Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Motorfahrzeugkontrolle beantragt unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen.
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D. Am 30. Mai 2017 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
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Erwägungen:
 
1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine Administrativmassnahme gegen einen Fahrzeuglenker. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
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Erwägung 2
 
2.1. Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Abs. 3). Gemäss Art. 16b SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis für mindestens einen Monat entzogen (Abs. 2 lit. a) bzw. für mindestens vier Monate, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis bereits einmal wegen einer schweren oder mittelschweren Widerhandlung entzogen war (Abs. 2 lit. b). Leichte und mittelschwere Widerhandlungen werden von Art. 90 Ziff. 1 SVG als einfache Verkehrsregelverletzungen erfasst (BGE 135 II 138 E. 2.4 S. 143). Gemäss Art. 16c SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Nach einer schweren Widerhandlung, welche einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG entspricht (BGE 132 II 234 E. 3 S. 237), wird der Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen (Abs. 2 lit. a). Eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestentzugsdauer ist ausgeschlossen (Art. 16 Abs. 3 SVG; zum Ganzen: Urteil 1C_424/2012 vom 14. Januar 2013 E 2.1).
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2.2. Die mittelschwere Widerhandlung stellt nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind (Urteil 6A.16/2006 vom 6. April 2006 E. 2.1.1, in: JdT 2006 I S. 442; Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 1999 4487). Die Annahme einer schweren Widerhandlung setzt kumulativ eine qualifizierte objektive Gefährdung und ein qualifiziertes Verschulden voraus. Ist die Gefährdung gering, aber das Verschulden hoch, oder umgekehrt die Gefährdung hoch und das Verschulden gering, liegt eine mittelschwere Widerhandlung vor (Botschaft a.a.O. 4489; Cédric Mizel, Die Grundtatbestände der neuen Warnungsentzüge des SVG und ihre Beziehung zum Strafrecht, in ZStrR 124/2006, S. 31 ff., insbesondere S. 63 f.; zum Ganzen: Urteil 1C_456/2011 vom 28. Februar 2012 E. 2.2).
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2.3. Ein Strafurteil vermag die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht zu binden. Allerdings gebietet der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, widersprüchliche Entscheide im Rahmen des Möglichen zu vermeiden, weshalb die Verwaltungsbehörde beim Entscheid über die Massnahme von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters nur abweichen darf, wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt oder wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen abgeklärt, namentlich die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat. In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts - namentlich auch des Verschuldens - ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGE 136 II 447 E. 3.1; 127 II 302 nicht publ. E. 3a; 124 II 103 E. 1c/aa und bb). Auch in diesem Zusammenhang hat er jedoch den eingangs genannten Grundsatz (Vermeiden widersprüchlicher Urteile) gebührend zu berücksichtigen (Urteil 1C_424/2012 vom 14. Januar 2013 E 2.3).
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Erwägung 3
 
3.1. Nach Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren. Der Fahrzeugführer hat beim Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren, so dass er auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig halten kann (Art. 12 Abs. 1 VRV). Was unter einem "ausreichenden Abstand" im Sinne von Art. 34 Abs. 4 SVG zu verstehen ist, hängt von den gesamten Umständen ab, namentlich von den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie der Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge. Im Sinne von Faustregeln stellt die Rechtsprechung für Personenwagen auf die Regel "halber Tacho" (entsprechend 1,8 Sekunden) und die "Zwei-Sekunden"-Regel ab (zum Ganzen BGE 131 IV 133 E. 3.1 mit Hinweisen). Diese Distanz entspricht ungefähr der Anhaltestrecke bei plötzlichem ordnungsgemässem Bremsen und Anhalten des vorausfahrenden Personenwagens (BGE 104 IV 192 E 2b). Für die Beurteilung, ob eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG anzunehmen ist, wird als Richtschnur die Regel "1/6-Tacho" bzw. Abstand von 0,6 Sekunden herangezogen (BGE 131 IV 133 E. 3.2.2; Urteil 6B_1030/2010 vom 22. März 2011 E. 3.3.2 mit Hinweisen).
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3.2. Der Beschwerdeführer hat einen Sicherheitsabstand von bloss 0,56 Sekunden eingehalten und damit, wenn auch knapp, die erwähnte Regel "1/6-Tacho bzw. Abstand von 0,6 Sekunden", verletzt. Die äusseren Umstände waren zudem ungünstig: es herrschte reger Verkehr, und wegen der Dunkelheit und der Nässe waren die Sicht eingeschränkt und der Bremsweg erhöht. Für die Unterschreitung des Sicherheitsabstands war allein der Beschwerdeführer verantwortlich, der (viel) zu nah auf die Fahrzeuge vor ihm aufschloss. Es gibt keine Hinweise dafür, dass andere Fahrzeuge knapp vor ihm in seine Spur eingeschwenkt wären und ihm dadurch jedenfalls zeitweilig die Einhaltung des Sicherheitsabstands verunmöglicht hätten. Der Beschwerdeführer hat damit objektiv eine für die Sicherheit zentrale Verkehrsregel - die Einhaltung eines genügenden Abstandes im Sinne der Regel "halber Tacho bzw. 2 Sekunden" - in grober Weise verletzt und dadurch die Verkehrssicherheit unmittelbar ernsthaft gefährdet. Subjektiv spricht zwar für ihn, dass er nach seiner unwiderlegten Darstellung möglichst schnell an seinen Einsatzort gelangen wollte, um eine 91-jährige Frau aus einem Lift zu befreien. Dies vermag allerdings die Gefahr für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer, die er durch seine verkehrswidrige Fahrweise schuf und in Kauf nahm, nicht zu rechtfertigen. Anders wäre dies allenfalls dann zu beurteilen, wenn der Beschwerdeführer von einem akut lebensbedrohlichen medizinischen Notfall hätte ausgehen müssen, es bei seiner Fahrt somit quasi um Leben und Tod der eingeschlossenen Frau gegangen wäre. Solches behauptet er indessen nicht. Das Verwaltungsgericht hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem es seine Fahrweise als schwere Widerhandlung einstufte.
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3.3. Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verletzt, weil es von der strafrechtlichen Beurteilung abgewichen sei, und seine verfassungsrechtliche Begründungspflicht, weil es das nicht begründet habe.
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Das Verwaltungsgericht ist vom gleichen Sachverhalt ausgegangen wie die Staatsanwaltschaft, nur hat es diesen anders gewürdigt. Dazu ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung befugt, zumal es seine abweichende Rechtsauffassung sachgerecht und insbesondere auch zutreffend begründet. Die Rüge geht fehl.
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Das gilt auch für die Gehörsverweigerungsrüge. Im Strafbefehl vom 15. September 2015 führt die Staatsanwaltschaft mit keinem Wort aus, weshalb sie von einer einfachen Verkehrsregelverletzung ausgeht, obwohl bei einem Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von bloss 0,56 Sekunden nach der Praxis des Bundesgerichts in der Regel von einer groben Verkehrsregelverletzung auszugehen ist, sofern nicht besondere entlastende Umstände vorliegen. Da die Staatsanwaltschaft somit ihre rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht begründete, brauchte sich das Verwaltungsgericht damit nicht auseinanderzusetzen, bzw. es konnte dies gar nicht tun.
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3.4. Bei einer schweren Widerhandlung entspricht die Entzugsdauer von 3 Monaten dem gesetzlichen Minimum, die nicht unterschritten werden darf.
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4. Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. September 2017
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Merkli
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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