BGer 2C_1017/2014 | |||
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BGer 2C_1017/2014 vom 09.10.2017 | |
2C_1017/2014
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Urteil vom 9. Oktober 2017 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
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Gerichtsschreiber Errass.
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Verfahrensbeteiligte | |
Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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KOCH Group AG Wallisellen,
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Beschwerdegegnerin,
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vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Patrick Sommer, Stefan Brunnschweiler, Marquard Christen,
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Wettbewerbskommission WEKO.
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Gegenstand
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Unzulässige Wettbewerbsabrede,
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Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II,
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vom 23. September 2014 (B-8430/2010).
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Sachverhalt: |
A. | |
Die Paul Koch AG, Wallisellen (Koch AG), ist die grösste Händlerin für Fenster- und Fenstertürbeschläge in der Schweiz. Sie vertreibt beinahe ausschliesslich Siegenia-Beschläge. Nur auf Wunsch von Kunden werden auch Produkte anderer Hersteller geliefert.
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Unter Fenster- und Fenstertürbeschlägen werden alle mechanischen Teile verstanden, welche Fensterflügel und -rahmen verbinden und die Öffnungs- und Schliessfunktion eines Fensters oder einer Fenstertüre steuern. Für die Herstellung eines Beschlags werden vorwiegend nichtrostende metallische Stoffe wie Stahl, Zamak und Aluminium eingesetzt. Fenster- und Fenstertürbeschläge umfassen sämtliche Beschlagskomponenten, die Fenster und Fenstertüren funktionsfähig machen.
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Die führenden Hersteller von Fenster- und Fenstertürbeschlägen sind die Roto Frank AG, Leinfelden-Echterdingen, Deutschland (Roto D), Siegenia, Deutschland (D), Winkhaus GmbH & Co. KG, Telgte, Deutschland (Winkhaus), die Gretsch-Unitas GmbH, Ditzingen, Deutschland (GU D), und die Mayer & Co Beschläge GmbH, Salzburg (Maco). Auf diese fünf ausländischen Hersteller von Baubeschlägen entfällt nahezu der gesamte schweizerische Markt für Fenster- und Fenstertürbeschläge. Neben den genannten Herstellern gibt es europaweit nur noch wenige weitere Hersteller von Fenster- und Fenstertürbeschlägen. Diese sind jedoch ausserhalb der Schweiz geschäftstätig.
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Die Hersteller Roto D und GU D vertreiben ihre Produkte über eigene, in der Schweiz domizilierte Tochtergesellschaften, Winkhaus über eine Zweigniederlassung. Diese sog. Vertriebsgesellschaften wiederum beliefern sowohl kleinere Zwischenhändler (z.B. Rudolf Geiser AG, Immer AG, Fritz Blaser & Cie. AG) als auch Fensterverarbeiter direkt. Andere Hersteller vertreiben ihre Produkte über Schweizer Grosshändler, die wiederum sowohl kleinere Zwischenhändler als auch Fensterverarbeiter direkt beliefern. Diese Vertriebsform wird beispielsweise von Maco über SFS unimarket AG, Heerbrugg (SFS), als Grosshändlerin praktiziert.
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Siegenia D organisiert ihren Vertrieb grundsätzlich über ihre Tochtergesellschaft Siegenia Schweiz. Siegenia Schweiz wiederum vertreibt die Produkte schwergewichtig über den Grosshändler Koch AG, der an kleinere Zwischenhändler und Fensterverarbeiter verkauft. Daneben hat Siegenia Schweiz drei Kunden, die sie selbst direkt beliefert. Die Vorgehensweise von Siegenia D stellt somit eine Mischform der beiden oben beschriebenen Vertriebsarten dar.
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Graphisch lässt sich das wie folgt darstellen (Graphik aus der Verfügung der WEKO vom 18. Oktober 2010, in: RPW 2010, S. 717 ff., 718) :
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Vereinzelt beliefern auch in Deutschland ansässige Zwischenhändler Fensterverarbeiter in der Schweiz. Zudem kommt es vor, dass Händler einander gegenseitig beliefern.
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Der Handel mit Baubeschlägen in der Schweiz erfolgt auf verschiedenen Stufen: Einer ersten Stufe sind Händler (sog. Direkteinkäufer) zuzuordnen, welche Baubeschläge direkt von einem Hersteller beziehen und - entweder an einen Fensterverarbeiter oder an einen weiteren Händler - weiterverkaufen; auf der zweiten Stufe sind diejenigen Händler einzuordnen, welche die Baubeschläge von einem anderen Händler beziehen und weiterverkaufen (Zwischenhändler).
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Fensterverarbeiter erhalten in der Regel Preislisten von ihren Bezugsquellen. Auf den darauf enthaltenen Bruttopreisen werden einzelnen Fensterverarbeitern jeweils mehr oder weniger grosse Rabatte gewährt.
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Preiserhöhungen werden auf unterschiedliche Art und Weise vorgenommen: In der Regel wird die Preisbasis, namentlich der Einkaufspreis, erhöht, indem sie von den Herstellern mit einem Materialteuerungszuschlag (nachfolgend: MTZ) versehen wird. Vereinzelt bleibt die Preisbasis unverändert, und die Preiserhöhung erfolgt mittels individueller, mit den einzelnen Kunden verhandelter Rabattanpassungen.
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B. | |
In den Jahren 2004 und 2006/2007 kam es aufgrund gestiegener Stahl-, Zink- und Aluminiumpreise zu Preiserhöhungen der Hersteller. In der Folge sanktionierte die Europäische Kommission am 28. März 2012 neun Hersteller von Fensterbeschlägen für wettbewerbswidrige Abreden in Form einer horizontalen Preisabsprache in der Zeitspanne von November 1999 bis Juli 2007 mit einer Geldbusse von 86 Mio. Euro ( vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-313_de.htm, S. 167 f.); infolge Rückzug der Klagen sind diese Sanktionierungen in der Zwischenzeit rechtskräftig (vgl. z.B. Beschluss des Präsidenten der dritten Kammer des Gerichts vom 10. November 2014 T-257/12, Siegenia-Aubi KG, Noraa GmbH, vom 4. Februar 2015 T-252/12, Gretsch-Unitas GmbH, Gretsch-Unitas GmbH Baubeschläge).
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Die ausländischen Hersteller von Fensterbeschlägen hatten danach auch Preiserhöhungen für die Schweiz beschlossen. Zwecks Umsetzung der Preiserhöhungen für das Jahr 2007 lud die Koch AG mit E-Mail vom 7. September 2006 Siegenia, die Roto Frank AG, Dietikon (Roto), SFS, und Winkhaus zu einem Treffen am 22. September 2006 zu sich nach Wallisellen ein. Am Treffen vertreten waren die Koch AG, Siegenia, Roto, SFS und Winkhaus. Die entsprechende E-Mail enthielt den Betreff "Terminanfrage Umsetzung MTZ 2007" und hatte u.a. folgenden Wortlaut: "Aufgrund der Preisentwicklung der Rohmaterialien Stahl, Zink und Alu sowie der gestiegenen Sozial- und Transportkosten werden alle Hersteller Preisaufschläge ankündigen. Bezüglich Umsetzung und Höhe sollten wir uns in der Schweiz abstimmen, um dem Internationalen Preisniveau etwas näher zu kommen."
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C. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Am 10. Juli 2007 ging beim Sekretariat der Wettbewerbskommission (Sekretariat) eine Selbstanzeige in Form einer schriftlichen Unternehmenserklärung von Roto ein. Gestützt auf diese Selbstanzeige eröffnete das Sekretariat am 16. Juli 2007 (Publikation 17. August 2007; BBl 2007 6007) eine Untersuchung im Einvernehmen mit einem Mitglied des Präsidiums der Wettbewerbskommission (WEKO) gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) gegen die Koch AG, Siegenia, SFS, Roto, Winkhaus, GU und Maco. Thema war, ob unzulässige Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 5 KG im Bereich der Baubeschläge für Fenster, Fenstertüren und Türen bestanden hätten.
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Am 2. Oktober 2008 und am 18. Februar 2009 sicherte die Koch AG - auch unter Einreichung verschiedener Unterlagen - gegenüber dem Sekretariat die volle Kooperation zu.
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D. Nach Einholung verschiedener Auskünfte und der Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 30 Abs. 2 KG) zum Antrag des Sekretariats erliess die WEKO am 18. Oktober 2010 eine Verfügung mit folgendem Dispositiv (RPW 2010 717 ff.) :
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"1. Es wird festgestellt, dass die von den Untersuchungsadressaten Roto Frank AG, Dietikon, Aug. Winkhaus GmbH & Co. KG, Telgte, Siegenia-Aubi AG, Uetendorf, Paul Koch AG, Wallisellen, und SFS unimarket AG, Heerbrugg, im Jahre 2006/2007 praktizierte/getroffene Wettbewerbsabrede betreffend Preiserhöhungen nach Massgabe von Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 lit. a KG unzulässig ist.
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2. Es wird festgestellt, dass die von den Untersuchungsadressaten Roto Frank AG, Dietikon, und Siegenia-Aubi AG, Uetendorf, praktizierte/ getroffene Wettbewerbsabrede betreffend Preiserhöhungen im Jahre 2004 nach Massgabe von Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 lit. a KG unzulässig ist.
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3. Die zwischen dem Sekretariat der Wettbewerbskommission und den Untersuchungsadressaten Roto Frank AG, Aug. Winkhaus GmbH & Co. KG und Siegenia-Aubi AG abgeschlossenen einvernehmlichen Regelungen werden genehmigt im Sinne von Art. 29 Abs. 2 KG.
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4. Die Untersuchung gegen Gretsch-Unitas AG, Rüdtligen b. Kirchberg, und Mayer & Co. Beschläge GmbH, Salzburg, wird ohne Folgen eingestellt.
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5. Die an den unzulässigen Wettbewerbsabreden beteiligten Untersuchungsadressaten werden für das unter Ziffer 1 und Ziffer 2 vorstehend beschriebene Verhalten gestützt auf Art. 49a KG mit folgenden Beträgen belastet:
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