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Informationen zum Dokument  BGer 8C_573/2017  Materielle Begründung
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BGer 8C_573/2017 vom 18.10.2017
 
8C_573/2017
 
 
Urteil vom 18. Oktober 2017
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
 
Gerichtsschreiber Jancar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
vertreten durch Rechtsanwältin Yolanda Schweri,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung (Insolvenzentschädigung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Juni 2017 (AL.2016.00013).
 
 
Sachverhalt:
 
Die hiergegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. Juni 2017 ab.
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Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass er Anspruch auf Insolvenzentschädigung habe; zu deren Festlegung sei die Sache an die Kasse zurückzuweisen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Das kantonale Gericht - auf dessen Entscheid verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG) - hat die für die Beurteilung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben hat es insbesondere die Rechtsprechung, wonach es für die Erfüllung der Schadenminderungspflicht in der Regel nicht genügt, wenn Lohnausstände lediglich mündlich gemahnt werden. Dies gilt beispielsweise, wenn es um eine lang andauernde, das heisst über zwei bis drei Monate hinaus anhaltende Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers geht, wenn überhaupt keine, also auch keine Akonto- oder Teilzahlung erfolgt, wenn aus der Sicht des Versicherten nicht mit guten Gründen damit gerechnet werden kann, dass sich bald eine Besserung der Situation ergibt und wenn nicht andere, im Einzelfall verständliche Gründe vorliegen, die ein Zuwarten mit zielgerichteten Schritten aus objektiver Sicht verständlich erscheinen lassen (ARV 2010 S. 46, 8C_682/2009 E. 4; Urteil 8C_66/2011 vom 29. August 2011 E. 4.2).
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3. Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, bei Konkurseröffnung über die B.________ AG am... August 2015 seien (mindestens) die Löhne des Beschwerdeführers für Februar bis Juli 2015 ausstehend gewesen. Die letzte Lohnzahlung für Dezember 2014 habe er aufgrund eines Mahnschreibens vom 6. April 2015 im April 2015 erhalten. Von März bis Juli 2015 seien monatliche mündliche Aufforderungen zur Lohnzahlung dokumentiert. Im Zuge dieser mündlichen Mahnungen sei dem Beschwerdeführer an einem unbestimmten Datum der Lohn für Januar 2015 überwiesen worden. Erst am 10. und 18. August 2015 habe er der Arbeitgeberin erneut schriftlich Frist zur Begleichung des Lohnausstands für Februar bis Juli 2015 angesetzt. Damit habe er seine Schadenminderungspflicht nicht hinreichend erfüllt. Bereits sein Schreiben vom 6. April 2015 sei spät erfolgt, habe er doch ausstehende Löhne für die Monate Januar bis März 2015 sowie offene Restzahlungen für das Jahr 2014 gemahnt. Unverständlich sei aber, dass er bis zur nächsten schriftlichen Intervention vier Monate habe verstreichen lassen, obwohl innert der am 6. April 2015 angesetzten Frist nur die Restzahlung für Dezember 2014 beglichen worden sei und die weiteren laufend fällig gewordenen Löhne nicht mehr bezahlt worden seien. Von einigermassen substanziellen Teilzahlungen aufgrund der mündlichen Interventionen könne keine Rede sein, selbst wenn diese zur Begleichung des längst fälligen Lohnes für Januar 2015 geführt hätten. Angesichts der hohen Ausstände habe der Beschwerdeführer nicht mit guten Gründen mit einer baldigen Besserung der Situation rechnen können, zumal auch andere Mitarbeiter offene Lohnforderungen gehabt hätten. Selbst wenn es bereits in der Vergangenheit zu monatelang verspäteten Lohnzahlungen gekommen sei, sei lange vor August 2015 ein Ausmass an Lohnausständen erreicht gewesen, bei dem unter Anwendung der zu erwartenden Aufmerksamkeit nicht mehr in guten Treuen habe davon ausgegangen werden können, es drohe kein Forderungsverlust. In dieser Situation habe der Versicherte nicht bis August 2015 mit der nächsten schriftlichen Mahnung zuwarten dürfen. Zudem wäre es angezeigt gewesen, diese mit der Androhung weiterer Schritte, etwa einer fristlosen Kündigung, zu verbinden. Auch wenn es verständlich sei, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner langjährigen Arbeitgeberin loyal verbunden gefühlt habe und zwei Jahre vor der Pensionierung nicht einen Stellenverlust habe riskieren wollen, habe er seine Schadenminderungspflicht durch sein zögerliches Handeln grobfahrlässig verletzt.
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Erwägung 4
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er spreche sehr schlecht und schreibe auch nicht Deutsch. Bei administrativen Belangen unterstütze ihn sein Sohn. Deshalb sei es nachvollziehbar, dass er den Verwaltungsratspräsidenten mehrheitlich mündlich gemahnt habe. Dieser Einwand ist unbehelflich. Denn der Beschwerdeführer begründet nicht, weshalb ihm sein Sohn nicht schon vor der schriftlichem Mahnung vom 6. April 2015 und in der Zeit bis zu derjenigen vom 10. August 2015 hätte helfen können, weitere schriftliche Mahnungen zu verfassen.
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4.2. Die rechtlichen Wirkungen der mündlichen Mahnungen des Beschwerdeführers werden von keiner Seite bestritten. Ausschlaggebend ist jedoch, dass es ihm im Zusammenhang mit dem vorliegend allein zur Debatte stehenden Insolvenzentschädigungsanspruch mit zunehmendem Zeitablauf rasch klar werden musste, dass die nach dem 6. April 2015 erfolgten mündlichen Mahnungen nicht zielführend waren (siehe Urteil 8C_364/2012 vom 24. August 2012 E. 4.2).
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4.3. Der Beschwerdeführer wendet weiter ein, es sei für ihn absolut nicht vorhersehbar gewesen, dass der Arbeitgeberin der Konkurs drohen könnte. Denn ähnliche Verspätungen der Lohnzahlungen habe es schon in früheren Jahren gegeben und die Auslastung der Mitarbeiter sei gut gewesen. In der Vergangenheit seien die Ausstände aber schlussendlich immer bezahlt worden. Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig, wie bereits das kantonale Gericht richtig erkannt hat (vgl. E. 3 hiervor).
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4.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei nachvollziehbar, dass er mit seinen schriftlichen Mahnungen keine fristlose Kündigung angedroht habe. Im Juni 2015 sei er nämlich 63 Jahre alt geworden und somit kurz vor der Pensionierung gewesen. Er hätte keine Chance mehr auf eine Anstellung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Denn der Vorinstanz ist beizupflichten, dass sein Verhalten selbst dann als grobfahrlässig zu taxieren ist, wenn berücksichtigt wird, dass er einen Stellenverlust nicht habe riskieren wollen (siehe E. 3 hiervor).
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4.5. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer schliesslich aus seinem pauschalen Hinweis auf das Urteil 8C_641/2014 vom 27. Januar 2015 E. 4.1, wonach dem Erfordernis der Verhältnismässigkeit mit dem Ausmass der von der versicherten Person zu erwartenden Vorkehrungen Rechnung zu tragen sei. Er bringt keine triftigen Gründe vor, die es rechtfertigten, von der vorinstanzlichen Verschuldensbeurteilung abzuweichen. Soweit er einwendet, die Leistungsverweigerung nach Art. 55 Abs. 1 AVIG setze schweres Verschulden voraus, ist festzuhalten, dass Grobfahrlässigkeit als schweres Verschulden gilt (Urteil 8C_748/2015 vom 9. Februar 2016 E. 3.2).
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4.6. Insgesamt erhebt der Beschwerdeführer keine Rügen, aus denen sich ergäbe, dass das kantonale Gericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt oder sonstwie bundesrechtswidrig entscheiden hätte (vgl. E. 1 hiervor).
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5. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird das Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG angewendet. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 18. Oktober 2017
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar
 
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