BGer 6B_888/2017 | |||
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BGer 6B_888/2017 vom 25.10.2017 | |
6B_888/2017
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Urteil vom 25. Oktober 2017 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiberin Unseld.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Herren Thomas Fingerhuth und Dr. Stephan Schlegel, Rechtsanwälte,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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1. X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mirko Ros,
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2. Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich, Tösstalstrasse 163, 8400 Winterthur,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Vergewaltigung, sexuelle Nötigung; Willkür; Beweisabnahmen im Berufungsverfahren,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 10. Mai 2017 (SB160446).
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Sachverhalt: | |
A. Die Jugendanwaltschaft See/Oberland wirft X.________ (geboren am 19. Oktober 1998) in der Anklageschrift gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid zusammengefasst vor, er habe am Abend des 21. August 2015 in einem Restaurant in Zürich A.________ (geboren am 26. Juni 1999) und deren Freundin eingeladen, ihn zu einem Fest bei einem Schulkollegen zu begleiten. Dort angekommen, habe X.________ A.________ angeboten, ihr den Jacuzzi zu zeigen, welcher sich im untersten Stockwerk befunden habe. Im Fitnessraum hätten sie Wasser in den Whirlpool eingelassen und begonnen, sich spasseshalber gegenseitig zu bespritzen. Als X.________ begonnen habe, A.________ Zungenküsse zu geben, habe diese den Kopf abgedreht und geantwortet, dass sie dies nicht wolle, keine gute Idee finde und es besser wäre, sie würden wieder hoch gehen. X.________ habe geantwortet, sie solle es geniessen. Dann habe er sie gebeten, ihm eine Nackenmassage zu geben, was sie gemacht habe. Inzwischen hätten sich beide auf einer Liege neben dem Whirlpool befunden. Nunmehr habe X.________ begonnen, die Unterhose der mit einem Jupe bekleideten Beschwerdeführerin bis zu den Knien herunterzuziehen, was er trotz ihres wiederholten Ausspruchs "Nein" und obwohl sie dies durch ausweichende Bewegungen ihres Körpers zu verhindern versucht habe, zu Ende geführt habe. Mit einem oder zwei Fingern sei er dann in die Vagina von A.________ eingedrungen, obschon sie wiederholt gesagt habe, er solle es nicht tun und es tue ihr weh. Auch ihr weiteres Bitten, dies zu unterlassen, habe ihn nicht dazu bewegen können, zu stoppen. Danach habe X.________ seine Hosen bis zu den Knien heruntergezogen und versucht, mit seinem steifen Penis in die Vagina von A.________ einzudringen. Da sich A.________, um die Penetration abzuwenden, hin und her bewegt und sich vaginal verkrampft habe, sei er trotz mehrfacher Versuche lediglich in den Scheidenvorhof eingedrungen. Trotz wiederholter Versuche sei es A.________ mangels ausreichender Kraft auch nicht gelungen, den auf ihr liegenden X.________ an den Schultern wegzustossen oder gar aufzustehen. Ihre mehrmalige Äusserung, dass sie dies nicht wolle, habe ihn ebensowenig dazu gebracht, von seinem Vorhaben abzulassen. Als ihr bewusst geworden sei, dass sich X.________ über ihren Widerstand hinwegsetzen würde und ihr keine Gegenwehr mehr aussichtsreich erschienen sei, habe sie ihn gebeten, ein Kondom zu benutzen. Nachdem X.________ klar geworden sei, dass eine vaginale Penetration nicht gelingen würde, sei er auf die Liege gekniet, habe den Kopf von A.________ ergriffen, seinen Penis in ihren Mund geschoben und ihn hin- und herbewegt. A.________ habe einige Male versucht aufzustehen, was ihr allerdings nicht gelungen sei, da X.________ sie immer wieder nach unten gedrückt und seinen Penis in ihren Mund gestossen und dabei jeweils ihren Kopf festgehalten habe. Schliesslich habe er in ihren Mund ejakuliert. Während des Aufenthalts der beiden im Fitnessraum, unter anderem auch während der sexuellen Handlungen, hätten mehrere Personen in Gruppen auf der Suche nach ihnen die Tür zum Fitnessraum geöffnet, sie aber sofort wieder geschlossen. Einmal habe X.________ mit dem Ausspruch "go away" reagiert.
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B. | |
B.a. Das Bezirksgericht Meilen, Jugendgericht, sprach X.________ mit Urteil vom 29. Juni 2016 der Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB) und der sexuellen Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB) schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 5 ½ Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von einem Jahr. Es stellte fest, dass X.________ gegenüber A.________ aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist, und verpflichtete ihn, ihr eine Genugtuung von Fr. 4'000.-- zu zahlen.
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B.b. Gegen dieses Urteil erhob X.________ Berufung mit den Anträgen, es sei aufzuheben und er sei freizusprechen; die zivilrechtlichen Begehren von A.________ seien abzuweisen. Die Oberjugendanwaltschaft erklärte Anschlussberufung. A.________ erhob weder Berufung noch Anschlussberufung. An der mündlichen Obergerichtsverhandlung erklärte ihr Vertreter, dass er im Berufungsverfahren keine Anträge stellen und keine Ausführungen machen wolle.
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B.c. Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sprach X.________ mit Urteil vom 10. Mai 2017 vollumfänglich frei. Es wies die Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren von A.________ ab.
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C. A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 10. Mai 2017 sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen: | |
1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG), unter anderen die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).
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1.1. Die Beschwerdeführerin hat sich am 5. Oktober 2015 als Privatklägerin konstituiert. Die Vorinstanz hat ihre Zivilforderung zufolge Freispruchs des Beschuldigten abgewiesen. Damit hat sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der Zivilansprüche der Beschwerdeführerin ausgewirkt.
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1.2. Zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat.
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1.2.1. Der Vertreter der Beschwerdeführerin war an der Berufungsverhandlung anwesend. Er erklärte auf entsprechende Frage, im Berufungsverfahren keine Anträge zu stellen und keine Ausführungen zur Sache zu machen (angefochtener Entscheid S. 6; Protokoll der Berufungsverhandlung, act. 81, S. 7). Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde in Strafsachen geltend, der Umstand, dass sie im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt habe, lasse ihre Beschwerdelegitimation nicht entfallen. Das Stellen von Anträgen könne von einer Privatklägerin jedenfalls dann nicht verlangt werden, wenn sie selbst keine Berufung erhoben habe, weil das erstinstanzliche Urteil basierend (auch) auf ihren Anträgen in ihrem Sinne ausgefallen sei.
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1.2.2. Es stellt sich somit die Frage, ob die Privatklägerschaft am Verfahren vor der Vorinstanz nur dann im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG teilgenommen hat, wenn sie in diesem Verfahren Anträge (beispielsweise auf Abweisung der Berufung der beschuldigten Person) gestellt hat.
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Die Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege scheint in diesem Punkt klar zu sein: "Damit von einer Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren gesprochen werden kann, muss die betroffene Partei zumindest Anträge zur Beschwerde gestellt haben. Verzichtet beispielsweise der Geschädigte auf eine Stellungnahme und einen Abweisungsantrag zur Beschwerde des Beschuldigten vor dem oberinstanzlichen kantonalen Gericht, so gibt er seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Entscheid dieses Gerichts zu erkennen und verliert damit jedes Interesse, den Entscheid beim Bundesgericht anzufechten, wenn ihn das Ergebnis nicht befriedigt" (BBl 2001 4202 ff., 4317).
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In der Lehre scheint unbestritten zu sein, dass die erstinstanzlich freigesprochene beschuldigte Person zur Beschwerde in Strafsachen gegen einen verurteilenden Berufungsentscheid selbstredend auch dann berechtigt ist, wenn sie im kantonalen Berufungsverfahren keine Anträge beispielsweise auf Abweisung der Berufung der Staatsanwaltschaft oder der Privatklägerschaft gestellt hat. Auch die Staatsanwaltschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen unabhängig davon legitimiert, ob sie im Berufungsverfahren Anträge gestellt hat. Die beschuldigte Person und die Staatsanwaltschaft erfüllen das Teilnahmeerfordernis im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG unabhängig von der Stellung von Anträgen schon aufgrund ihrer Parteistellung im vorinstanzlichen Verfahren (MARC THOMMEN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 81 BGG; YVES DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, Commentaire 2008, N. 2544; FELIX BOMMER, Ausgewählte Fragen der Strafrechtspflege nach Bundesgerichtsgesetz, in: BTJP 2006, S. 171 f.).
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Entsprechendes muss nach der einen Auffassung aus Gründen der Rechtsgleichheit auch für die Privatklägerschaft gelten (THOMMEN, a.a.O., N. 3 zu Art. 81 BGG). Nach einer anderen Auffassung setzt die Teilnahme der Privatklägerschaft am vorinstanzlichen Verfahren voraus, dass diese im vorinstanzlichen Verfahren Anträge (beispielsweise auf Abweisung der Berufung der beschuldigten Person) gestellt hat. Wenn dies unterbleibe, sei darin ein Desinteresse am Berufungsentscheid zu sehen mit der Folge, dass die Privatklägerschaft diesen nicht mit Beschwerde in Strafsachen anfechten könne (DONZALLAZ, a.a.O., N. 2538; FELIX BÄNZIGER, Der Beschwerdegang in Strafsachen, in: Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, 2006, S. 81 ff., 90). Nach einer weiteren Ansicht dürfte die Anwesenheit einer Partei vor den Schranken der Vorinstanz klarerweise genügen, um die Voraussetzung der Teilnahme zu erfüllen (NIKLAUS SCHMID, Die Strafrechtsbeschwerde nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht - Eine erste Auslegeordnung, ZStrR 124/2006 S. 178).
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1.2.3. Die Stellung der Privatklägerschaft kann nicht ohne Weiteres mit derjenigen der beschuldigten Person oder der Staatsanwaltschaft gleichgesetzt werden. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen unter Vorbehalt gewisser Ausnahmen nur berechtigt, wenn sie im kantonalen Verfahren adhäsionsweise Zivilansprüche geltend gemacht hat und der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung dieser Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Es liesse sich daher die Auffassung vertreten, dass die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur legitimiert ist, wenn sie auch im Berufungsverfahren Anträge betreffend ihren Zivilanspruch sowie bezüglich der Fragen gestellt hat, die für die Beurteilung des Zivilanspruchs von Bedeutung sind. Diese Sichtweise ist indessen zu eng. Hat sich die geschädigte Person als Privatklägerin konstituiert und spätestens im erstinstanzlichen Verfahren adhäsionsweise Zivilansprüche geltend gemacht, dann ist sie in einem Fall der hier vorliegenden Art, in dem die beschuldigte Person gegen das erstinstanzliche verurteilende Erkenntnis Berufung erhoben hat, nicht nur am erstinstanzlichen Verfahren, sondern, ungeachtet der Stellung von Anträgen, auch am Berufungsverfahren beteiligt, d.h. in dieses Verfahren eingebunden, wenn und weil die Beurteilung ihrer Zivilforderung vom Ausgang des Berufungsverfahrens abhängt (siehe auch FELIX BOMMER, a.a.O., S. 173; NIKLAUS OBERHOLZER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2015, N. 5 zu Art. 81 BGG). Die Vorinstanz hat denn zu Recht das Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren der Beschwerdeführerin beurteilt, obschon diese im Berufungsverfahren auf die Stellung von Anträgen verzichtet hat.
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Die Beschwerdeführerin hat das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten und war daher nicht verpflichtet, persönlich zur Berufungsverhandlung zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen (vgl. Art. 405 Abs. 2 StPO; kant. Akten, Urk. 68). Ihr Verzicht auf Anträge im Berufungsverfahren stellt nach der Rechtsprechung keine stillschweigende Anerkennung der Berufungsanträge dar, sondern die erstinstanzlich frist- und formgerecht gestellten Anträge bleiben beachtlich (zum Ganzen Urteil 6B_364/2016 vom 17. Juni 2016 E. 2.2). Als Zivilklägerin war die Beschwerdeführerin zwingend Partei im Berufungsverfahren, in welchem über ihre Zivilforderung befunden wurde. Sie hat im Berufungsverfahren - trotz des formellen Verzichts auf Anträge - auch als unterliegend zu gelten, da die Vorinstanz den Beschwerdegegner 1 mangels Beweis freisprach und die Zivilforderungen infolgedessen abwies (siehe dazu etwa BGE 128 II 90 E. 2; 123 V 156 E. 3; Urteile 5A_932/2016 vom 24. Juli 2017 E. 2.2.4; 2C_479/2014 vom 25. März 2015 E. 2.4 und 2.5; je mit Hinweisen). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, die Privatklägerschaft könne als Rechtsmittelgegnerin im kantonalen Rechtsmittelverfahren - wie im Verfahren vor Bundesgericht (vgl. etwa Urteile 6B_1251/2014 vom 1. Juni 2015 E. 3; 6B_588/2007 vom 11. April 2008 E. 5.3; anders bei der Gutheissung der Beschwerde der beschuldigten Person im Zivilpunkt, vgl. Urteil 6B_1160/2014 vom 19. August 2015 E. 10) - nur unterliegen, wenn sie in ihrer Stellungnahme zum Rechtsmittel Anträge gestellt habe (vgl. THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 428 StPO; YVONA GRIESSER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 428 StPO). Dies mag für das Beschwerdeverfahren nach Art. 393 ff. StPO zutreffen. Anders verhält es sich jedoch bei der Berufung (Art. 398 ff. StPO), da die erstinstanzlichen Anträge der Privatklägerschaft - trotz Verzichts auf Anträge im Berufungsverfahren - weiterhin beachtlich sind (Urteil 6B_364/2016 vom 17. Juni 2016 E. 2.2). Im Berufungsverfahren nicht als unterliegend gilt nach der Rechtsprechung hingegen, wer sich als geschädigte Person mittels Strafantrag im Strafverfahren zwar als Privatkläger konstituiert hat (vgl. Art. 118 Abs. 1 und 2 StPO; BGE 141 IV 380 E. 2.3.5), sich in der Folge am Verfahren jedoch nicht mehr beteiligt und namentlich bereits im erstinstanzlichen Verfahren keine Anträge gestellt hat (vgl. BGE 138 IV 248 E. 4.3 und 5.3).
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Der Verzicht der berufungsbeklagten Privatklägerschaft auf die freigestellte Anwesenheit an der mündlichen Berufungsverhandlung oder das Stellen von Anträgen ist folglich nicht als Gleichgültigkeit am Ausgang des Berufungsverfahrens, sondern in dem Sinne zu verstehen, dass diese an ihren erstinstanzlichen Anträgen festhält und - in einem Fall der vorliegenden Art - implizit die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils beantragt. Wer im Berufungsverfahren mit seinen erstinstanzlichen Anträgen unterlag, erfüllt die Legitimationsvoraussetzung von Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG.
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Die Beschwerdeführerin ist somit zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt.
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2. Der Beschuldigte beging die ihm zur Last gelegten Taten der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung vor Vollendung des 18. Altersjahres. Daher sind das Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 3 Abs. 1 JStG) und die Schweizerische Jugendstrafprozessordnung (Art. 1 JStPO) anwendbar. Betreffend das Verfahren gelten unter Vorbehalt von Art. 3 Abs. 2 JStPO die Bestimmungen der Schweizerischen Strafprozessordnung, soweit die Jugendstrafprozessordnung keine besondere Regelung enthält (Art. 3 Abs. 1 JStPO). Mangels besonderer Regelung in der Jugendstrafprozessordnung gelten für das Berufungsverfahren in Jugendstrafsachen die Bestimmungen der Schweizerischen Strafprozessordnung.
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Erwägung 3 | |
3.1. Die Beschwerdeführerin wurde am 23. und 27. August 2015 zur Sache polizeilich einvernommen. Die Einvernahmen wurden audiovisuell aufgezeichnet. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde die Beschwerdeführerin nicht einvernommen.
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Die Vorinstanz setzte sich eingehend mit der Frage auseinander, ob die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren ein weiteres Mal einvernommen werden sollte. Die Mehrheit des Gerichts verneinte dies. Zur Begründung wird im angefochtenen Entscheid (S. 28 ff.) erwogen, die damals rund 16-jährige Beschwerdeführerin sei im Vorverfahren zweimal zur Sache befragt worden. Die beiden Einvernahmen seien audiovisuell aufgezeichnet worden. Das Gericht habe die Darstellung der Beschwerdeführerin hören und sich aufgrund der Aufnahmen ein eigenes Bild über die Aussagen sowie das nonverbale Verhalten der Beschwerdeführerin machen können, welche einen altersadäquaten Eindruck hinterlassen habe. Beide Befragungen seien von einer Psychologin beobachtet worden, die ihre Wahrnehmungen in Berichten festgehalten habe. Die gewissen Defizite im deutschsprachlichen Ausdruck zufolge englischer Muttersprache habe die Beschwerdeführerin mittels englischer Wörter überbrücken können. Die Beschwerdeführerin habe sich verständlich und authentisch äussern können. Die Vorinstanz erwog im Weiteren, es lägen nicht nur die Aussagen des Beschuldigten und der Beschwerdeführerin, sondern weitere Personalbeweise vor, nämlich die Aussagen mehrerer Partygäste. Diese hätten sich anklagegemäss und unbetrittenermassen mehrmals in Gruppen zum Jacuzzi-Raum begeben, wo sie den Beschuldigten und die Beschwerdeführerin hätten beobachten und hören können. Zwar könne es sich dabei, wie die erste Instanz bemerkt habe, lediglich um Momentaufnahmen gehandelt haben, doch ergäben die einzelnen, über den gesamten mutmasslichen Tatzeitraum immer wieder erfolgten Beobachtungen auch ein Gesamtbild von Wahrnehmungen, welche zur Wahrheitsfindung herangezogen werden könnten. Es liege in keiner Weise ein Vier-Augen-Delikt vor. Die Vorinstanz erwog im Weiteren, bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine jugendliche Geschädigte, die gemäss Art. 154 Abs. 4 lit. b StPO während des ganzen Verfahrens in der Regel nicht mehr als zweimal einvernommen werden sollte. Berücksichtige man überdies den Zeitablauf von fast zwei Jahren seit dem hier zu beurteilenden Ereignis und die Gefahr der neuerlichen Traumatisierung mit dem aus ihrer Sicht negativ Erlebten, so habe hier die Abwägung der Interessen der Verteidigung und derjenigen der Beschwerdeführerin auch im Licht von Art. 8 EMRK zugunsten der minderjährigen Geschädigten auszufallen. Dem einzig durch die Verteidigung und auch nur eventualiter gestellten Antrag auf neuerliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor Gericht sei daher nicht stattzugeben.
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3.2. Die Konstellation ist im vorliegenden Fall von etwas besonderer Art. Im Verfahren der Berufung gegen das erstinstanzliche verurteilende Erkenntnis beantragte der Beschuldigte eventualiter die Einvernahme der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren. Die Beschwerdeführerin nahm dazu nicht Stellung. Die Vorinstanz lehnte eine Einvernahme aus den vorstehend zusammenfassend wiedergegebenen Gründen ab. In der Beschwerde in Strafsachen macht nunmehr die Beschwerdeführerin erstmals geltend, sie hätte im Berufungsverfahren von Amtes wegen einvernommen werden müssen. Sie bringt vor, sie hätte nach ihrer zweimaligen Befragung zur Sache im Vorverfahren von Amtes wegen im Berufungsverfahren ein weiteres Mal einvernommen werden müssen, weil ihre Aussagen im Vorverfahren von der Vorinstanz aufgrund mangelhafter Befragungstechnik nur gerade als "nicht ganz unbrauchbar" eingeschätzt worden seien und faktisch eine "Aussage gegen Aussage"-Konstellation bestanden habe. Die Beschwerdeführerin geht offenbar davon aus, in einer Einvernahme im Berufungsverfahren hätte sie bei mängelfreier Fragetechnik Aussagen machen und einen Eindruck erwecken können, die allenfalls zu einer Verurteilung des Beschuldigten und zu dessen Verpflichtung zur Zahlung von Schadenersatz und Genugtuung durch die Vorinstanz geführt hätten. Mit den Gründen, aus welchen die Vorinstanz die Einvernahme im Berufungsverfahren ablehnte (siehe E 3.1 hievor), setzt sich die Beschwerdeführerin nicht im Einzelnen auseinander.
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3.3. Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind (Art. 389 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 389 Abs. 3 StPO erhebt die Rechtsmittelinstanz von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise. Eine unmittelbare Beweisabnahme hat im Rechtsmittelverfahren gestützt auf Art. 343 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 405 Abs. 1 StPO auch zu erfolgen, wenn eine solche im erstinstanzlichen Verfahren unterblieb oder unvollständig war und die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint (BGE 140 IV 196 E. 4.4.1; Urteile 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015 E. 2.2; 6B_70/2015 vom 20. April 2016 E. 1.3). Die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels erscheint für die Urteilsfällung dann notwendig im Sinne von Art. 343 Abs. 3 StPO, wenn sie den Ausgang des Verfahrens beeinflussen kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Beweiskraft des Beweismittels in entscheidender Weise vom Eindruck abhängt, der bei seiner Präsentation entsteht, beispielsweise wenn es in besonderem Masse auf den unmittelbaren Eindruck einer Zeugenaussage ankommt, so etwa, wenn Aussage gegen Aussage steht. Allein der Inhalt der Aussage einer Person (was sie sagt) lässt eine erneute Beweisabnahme nicht als notwendig erscheinen. Massgebend ist, ob das Urteil in entscheidender Weise vom Aussageverhalten der Person (wie sie es sagt) abhängt (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2). Eine Beweisabnahme durch das Gericht ist aber nicht schon deshalb notwendig, weil nonverbales Verhalten wie Mimik, Gestik, Redefluss, Emotionen etc. der einvernommenen Person stets Teil ihrer Aussageleistung ist. Andernfalls hätte der Gesetzgeber bei den Personalbeweisen konsequenterweise das Unmittelbarkeitsprinzip statuieren müssen, was er jedoch unterliess (Urteil 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015 E. 2.3.2). Das Gericht verfügt beim Entscheid über die Frage, ob die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint, über einen Ermessensspielraum (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2). In der Beschwerdeschrift muss dargelegt werden, weshalb die erneute Beweisabnahme notwendig sei (Urteil 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015 E. 2.3.2).
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3.4. Die Vorinstanz hält fest, in Bezug auf die Fragetechnik, welche die Polizeibeamtin bei der Einvernahme der Beschwerdeführerin angewandt habe, habe die Verteidigung mehrfach Suggestivfragen und unangebrachtes beziehungsweise fehlendes Nachhaken gerügt. Dies treffe teilweise zu und sei auch vom Jugendanwalt an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingeräumt worden (angefochtenes Urteil S. 44). Die Vorinstanz listet einige Beispiele für diese Fragetechnik auf. Sie kommt zum Schluss, nichtsdestotrotz habe der Jugendanwalt zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ergebnis der Einvernahmen, die Aussagen der Beschwerdeführerin und ihr nonverbales Verhalten, deswegen "nicht ganz unbrauchbar" seien, weshalb nachfolgend der Inhalt der Aussagen und das Verhalten der Beschwerdeführerin in den Befragungen zu analysieren sei. Die Vorinstanz würdigt in der Folge sehr ausführlich die Aussagen der Beschwerdeführerin (angefochtenes Urteil S. 45 ff.). Sie kommt in Würdigung aller Beweise zum Ergebnis, zwar könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass sich der Sachverhalt gemäss Anklageschrift abgespielt habe. Es spreche aber doch einiges dafür, dass die sexuellen Handlungen durchaus freiwillig erfolgt seien und die Beschwerdeführerin diese erst im Nachhinein bereut habe, oder aber, dass die Beschwerdeführerin ihren ablehnenden Willen nicht klar genug zum Ausdruck gebracht habe, sodass der Beschuldigte ihr Verhalten als Zustimmung habe werten können (angefochtener Entscheid S. 52).
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3.5. Die Beschwerdeführerin verweist auf eine Bemerkung der Vorinstanz, worin diese festhielt, der Jugendanwalt habe zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ergebnis der Einvernahme, die Aussagen der Privatklägerin und ihr nonverbales Verhalten, wegen der von der Verteidigung behaupteten Mängel in den Einvernahmen "nicht ganz unbrauchbar" seien (Beschwerde S. 4 Rz. 9; angefochtener Entscheid S. 45). Die Vorinstanz gibt indessen die Ausführungen des Jugendanwalts ungenau wieder. Der Jugendanwalt hatte an der von der Vorinstanz zitierten Stelle, d.h. in seinem Plädoyer vor der ersten Instanz, nicht erklärt, dass die Einvernahmen "nicht
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3.6. Nichts deutet darauf hin, dass die Vorinstanz ihre Erkenntnis, dass die Fragetechnik der Polizeibeamtin teilweise mangelhaft war, in der Beweiswürdigung zugunsten des Beschuldigten und zu Ungunsten der Beschwerdeführerin berücksichtigt hat. Zudem kann ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin bei mängelfreier Befragungstechnik den Beschuldigten stärker belastet hätte, als dies tatsächlich geschehen ist. Im Gegenteil konnte eine teilweise suggestive Fragetechnik tendenziell zur Folge haben, dass die Aussagen der Beschwerdeführerin stärker zulasten des Beschuldigten ausfiehlen als bei einer mängelfreien Fragetechnik. Darüber kann sich die Beschwerdeführerin aber mangels Beschwer nicht beklagen.
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Die Vorinstanz, die den Beschuldigten freisprach, durfte daher trotz der von ihr festgestellten teilweise mangelhaften Fragetechnik bei der Befragung der Beschwerdeführerin im Vorverfahren auf deren Einvernahme im Berufungsverfahren verzichten. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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4. Die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin sind ebenfalls unbegründet.
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4.1. Im vorliegenden Fall stehen sich nicht bloss die Aussagen der Beschwerdeführerin einerseits und des Beschuldigten andererseits gegenüber. Die Vorinstanz berücksichtigte in der Beweiswürdigung auch die Aussagen von Partygästen, welche zu verschiedenen Zeiten die Tür zum Fitnessraum geöffnet und das Geschehen jeweils während einigen Sekunden beobachtet hatten. Diese Partygäste hatten gemäss ihren Aussagen nicht den Eindruck, dass etwas gegen den Willen der Beschwerdeführerin geschehen sei. Auch wenn die Partygäste unstreitig nicht das gesamte Geschehen von Anfang bis zum Ende, sondern jeweils nur Bruchstücke davon beobachteten, verfiel die Vorinstanz nicht in Willkür, indem sie die Aussagen der Partygäste zugunsten des Beschuldigten berücksichtigte.
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4.2. Für die Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen spricht gemäss den Ausführungen der Vorinstanz auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin während des Geschehens die Möglichkeit gehabt hätte, den Fitnessraum zu verlassen, von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch machte. Die Vorinstanz verfiel entgegen den Vorbringen in der Beschwerde nicht in Willkür, indem sie dieses Verhalten der Beschwerdeführerin abweichend von der ersten Instanz nicht mit der zurückhaltenden Art der Beschwerdeführerin, sondern damit erklärte, dass diese gegenüber den sexuellen Handlungen nicht abgeneigt gewesen sei. Dass das fragliche Verhalten der Beschwerdeführerin gemäss den Vorbringen in der Beschwerde so oder anders interpretiert werden kann, bedeutet nicht, dass die vorinstanzliche Interpretation willkürlich sei.
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5. Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen. Dem Beschwerdegegner 1 hat sie keine Entschädigung zu zahlen, da diesem im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. Oktober 2017
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Unseld
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