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Informationen zum Dokument  BGer 5A_811/2017  Materielle Begründung
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BGer 5A_811/2017 vom 06.11.2017
 
5A_811/2017
 
 
Urteil vom 6. November 2017
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Häberling,
 
Beschwerdegegnerin,
 
Gemeindeammannamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon.
 
Gegenstand
 
Rechtsschutz in klaren Fällen (Ausweisung aus einer zwangsversteigerten Liegenschaft; Grundeigentum),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 11. September 2017 (LF170053-O/U).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ und der von ihr getrennt lebende Ehemann C.________ waren hälftige Miteigentümer der Liegenschaft an der D.________strasse xxx in U.________. Die Miteigentumsanteile wurden je separat in verschiedenen Betreibungsverfahren gepfändet. Die Liegenschaft wurde jedoch als Ganzes verwertet (vgl. Urteil 5A_774/2014 vom 3. November 2014 zur betreffenden Verfügung) und die Liegenschaft am 8. Juni 2016 zum Preis von Fr. 4,1 Mio. der B.________ AG zugeschlagen (vgl. Urteil 5A_43/2017 betreffend den Zuschlag).
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B. Gestützt auf ein Gesuch der B.________ AG um Rechtsschutz in klaren Fällen verpflichtete das Bezirksgericht Zürich mit Urteil vom 11. Juli 2017 die immer noch in der Liegenschaft weilende A.________, diese zu räumen und ordnungsgemäss zu übergeben, unter Anweisung des Gemeindeammannamts Küsnacht-Zollikon-Zumikon mit der Vollsteckung auf Verlangen der B.________ AG.
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C. Die hiergegen erhobene Berufung von A.________ wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 11. September 2017 ab, unter Bestätigung des erstinstanzlichen Ausweisungsbefehls.
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D. Gegen das obergerichtliche Urteil hat A.________ am 15. Oktober 2017 eine Beschwerde in Zivilsachen bzw. eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben mit dem Begehren um Feststellung, dass es sich nicht um einen klaren Fall handle, welcher dem Rechtsschutz in klaren Fällen zugänglich sei. Ferner verlangt sie die unentgeltliche Rechtspflege und stellt ein Gesuch um aufschiebende Wirkung, zu welchem die B.________ AG am 20. Oktober 2017 eine auf Abweisung schliessende Stellungnahme eingereicht hat. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
 
1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzliches, im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen ergangenes und sich auf den Eigentumsfreiheitsanspruch der Beschwerdegegnerin stützendes Ausweisungsurteil, bei welchem angesichts des sich aus dem hohen Verkehrswert ergebenden ansehnlichen Nutzungswertes (aus der Perspektive der Beschwerdeführerin) bzw. Nutzungsausfalls (aus der Perspektive der Beschwerdegegnerin) der Mindeststreitwert von Fr. 30'000.-- ohne Weiteres erreicht ist; dies entspricht denn auch der obergerichtlichen Annahme und im Übrigen geht das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe mit der Beschwerdegegnerin keinen Mietvertrag und es gebe deshalb gar keinen Streitwert, an der Sache vorbei. Die Beschwerde in Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 90 BGG) und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde scheidet damit aus (vgl. Art. 113 BGG).
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2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich rügt, weil Zollikon im Gerichtskreis Meilen liege, was sie im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht habe, so lässt sich dem Verhandlungsprotokoll trotz der ausführlichen Protokollierung der Voten der Beschwerdeführerin keine dahingehende Äusserung entnehmen. Ohnehin aber müsste die Beschwerdeführerin mit präzisen Aktenhinweisen darlegen, dass sie das entsprechende Vorbringen im obergerichtlichen Verfahren prozesskonform eingeführt hätte (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90). Weder tut sie dies noch ist ein solches Vorbringen aus ihrer Berufungseingabe ersichtlich, weshalb es als neu und damit im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig zu gelten hat (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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Gleiches gilt für das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Beschwerdegegnerin habe entgegen Art. 136 SchKG den Steigerungspreis nie bezahlt, weshalb sie ohne Weiteres in der Liegenschaft verbleiben dürfe. Auch diesbezüglich wird weder aufgezeigt, inwiefern diese Behauptung bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform eingeführt worden wäre, noch ist solches ersichtlich.
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Neu und damit unzulässig im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG ist sodann das Vorbringen, die Beschwerdegegnerin habe keinen genauen Streitwert angeben können und die Ausweisung im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen sei mithin unstatthaft gewesen, weil zwischen den Parteien kein Mietvertrag bestehe bzw. weil die Beschwerdegegnerin noch nicht im Grundbuch eingetragen sei und ihr folglich noch gar kein Schaden habe entstehen können. Ohnehin wäre das Vorbringen auch in der Sache unbegründet; die Beschwerdegegnerin ist offensichtlich die rechtmässige Eigentümerin des Grundstückes (dazu E. 3) und sie hat kein auf Geldleistung gerichtetes Begehren gestellt, welches genau zu beziffern wäre, sondern die Ausweisung der die Liegenschaft unrechtmässig okkupierenden Beschwerdeführerin verlangt.
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3. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern das angefochtene Urteil Recht verletzt. Die Begründung muss sachbezogen sein und sich auf den Streitgegenstand beziehen und beschränken; die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheides massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f.; 140 III 115 E. 2 S. 116).
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Eine solche Auseinandersetzung erfolgt nur ansatzweise; ausserdem gehen die meisten Ausführungen über den durch das einschränkende Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin definierten Streitgegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens hinaus. In erster Linie wiederholt die Beschwerdeführerin verschiedene ihrer bereits vor den kantonalen Instanzen gemachten Ausführungen, welche indes offensichtlich unbegründet sind, so dass vorliegend im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG zu entscheiden ist.
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Primär vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass ihre Ausweisung erst verlangt werden könne, nachdem die Beschwerdegegnerin im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen sei. Indes bewirkt der Steigerungszuschlag unmittelbar den Eigentumsübergang am Grundstück (Art. 656 Abs. 2 ZGB) und der grundbuchliche Nachvollzug des bereits ausserbuchlich erfolgten Eigentumsüberganges hat lediglich deklaratorischen Charakter (sog. relatives Eintragungsprinzip, vgl. SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 5. Aufl. 2017, Rz. 576). Falsch ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, Art. 656 Abs. 2 ZGB und Art. 235 Abs. 3 OR beträfen nur den Eigentumsübergang im Rahmen eines Konkurses; erfasst ist auch der auf Art. 126 Abs. 1 und Art. 142a SchKG beruhende Zuschlag eines Grundstücks im Pfändungsverfahrens (RUTZ/ROTH, Basler Kommentar, N. 24a zu Art. 126 SchKG). Wenn sodann Art. 656 Abs. 2 ZGB festhält, dass der Ersteigerer bis zur Eintragung im Grundbuch nicht über das Grundstück verfügen dürfe, sind damit nur grundbuchliche Verfügungen gemeint, während er sofort alle Rechte ausüben kann, die ohne grundbuchliche Eintragung denkbar sind (BGE 128 III 82 E. 1 S. 84 mit Hinweis auf MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 66 f. zu Art. 656 ZGB). Die Beschwerdegegnerin war somit zur Erhebung des Ausweisungsbegehrens, welches keine grundbuchliche Verfügung darstellt, aktivlegitimiert und das Begehren konnte aufgrund des sofort beweisbaren Sachverhaltes und der klaren Rechtslage entgegen der wiederholten Behauptung der Beschwerdeführerin im Verfahren nach Art. 257 ZPO gestellt werden, zumal die Anschlussbehauptung fehl geht, mangels Grundbucheintrages habe die Beschwerdegegnerin ihre Eigentümerstellung nicht in der für das betreffende Verfahren erforderlichen Weise dokumentiert.
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Nicht den vorliegenden Fall betreffen die Ausführungen zum Mietrecht bzw. zur Exmission von Mietern.
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Zu Recht nicht mehr in Frage gestellt wird vor Bundesgericht, dass aufgrund der diesbezüglich rechtskräftigen Entscheide das Grundstück gesamthaft verwertet werden durfte und das Lastenverzeichnis in Rechtskraft erwachsen war.
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4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
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5. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos betrachtet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das betreffende Gesuch abzuweisen ist.
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Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und sie hat die Beschwerdegegnerin für die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeindeammannamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. November 2017
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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