BGer 6B_75/2017 | |||
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BGer 6B_75/2017 vom 16.11.2017 | |
6B_75/2017
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Urteil vom 16. November 2017 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Oberholzer,
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Gerichtsschreiber Stohner.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Bernard,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
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Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Entschädigung der amtlichen Verteidigung, Willkür,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 18. November 2016.
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Sachverhalt: |
A. | |
Rechtsanwalt X.________ wurde von der Staatsanwaltschaft Baden als amtlicher Verteidiger von A.________ eingesetzt.
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Mit Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 1. Juli 2015 wurde A.________ wegen diverser Delikte (einfache Körperverletzung, mehrfache, teilweise versuchte Nötigung, mehrfache Gefährdung des Lebens, qualifizierter Raub und mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz) schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. X.________ sprach das Bezirksgericht eine Entschädigung von Fr. 72'317.20 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu Lasten der Staatskasse zu. Es kürzte insoweit die Kostennote des amtlichen Verteidigers von Fr. 97'277.-- für einen Aufwand von 373 Stunden um rund 25 %.
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Gegen dieses Urteil reichte A.________ Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau ein. Er beantragte den Freispruch von diversen Vorwürfen (insbesondere mehrfache Gefährdung des Lebens, qualifizierter Raub und mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz). Zudem stellte er den Antrag, seinem amtlichen Verteidiger sei eine Entschädigung von nicht weniger als Fr. 90'000.-- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu Lasten der Staatskasse zuzusprechen.
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Mit Urteil vom 18. November 2016 sprach das Obergericht A.________ vom Vorwurf der mehrfachen Gefährdung des Lebens frei. Hingegen erklärte es ihn der einfachen Körperverletzung, der mehrfachen, teilweise versuchten Nötigung, des qualifizierten Raubes und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz für schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Des Weiteren wies das Obergericht das Bezirksgericht an, X.________ die für das erstinstanzliche Verfahren auf Fr. 72'317.20 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzte Entschädigung zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 8.2).
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B. | |
Gegen diesen Entscheid führt X.________ als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten in eigenem Namen Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht mit den Anträgen, Dispositiv-Ziffer 8.2 des vorinstanzlichen Urteils aufzuheben und ihn für seine Bemühungen bis und mit Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens mit nicht weniger als Fr. 90'000.-- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.
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Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
Angefochten ist ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, mit welchem dieses über die dem amtlichen Verteidiger für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochene Entschädigung entschieden hat. Die vom Obergericht für das Berufungsverfahren festgesetzte Entschädigung blieb unangefochten. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt in dieser Konstellation kein Anwendungsfall von Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO vor, sodass die beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde zulässig ist (vgl. BGE 140 IV 213 E. 1.7 S. 216 mit Hinweisen).
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Erwägung 2 | |
2.1. Der Beschwerdeführer rügt vorab eine Verletzung der richterlichen Begründungspflicht als Teilgehalt seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Die Vorinstanz habe diese Bestimmung auch dadurch verletzt, indem sie ihm keine Gelegenheit gegeben habe, zur "Substitutionsbegründung" - d.h. zur von der ersten Instanz abweichenden Begründung - vorgängig Stellung zu nehmen.
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2.2. Die Rügen des Beschwerdeführers erweisen sich als nicht stichhaltig.
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Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV (vgl. auch Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) ergibt sich für die Behörden die Pflicht, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236).
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Die Vorinstanz hat ausführlich begründet, weshalb sie die von der ersten Instanz vorgenommene Kürzung der Kostennote des Beschwerdeführers im Ergebnis als angemessen erachtet (vgl. angefochtenes Urteil E. 13.2.2, S. 52 - 55; vgl. auch nachfolgend E. 3.2). Dem Beschwerdeführer war es ohne Weiteres möglich, diesen Entscheid sachgerecht anfechten zu können. Eine Verletzung der Begründungspflicht liegt nicht vor.
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht zudem kein Anspruch der Parteien, zur rechtlichen Würdigung der in den Prozess eingeführten Tatsachen noch besonders angehört zu werden. Eine Ausnahme besteht namentlich dann, wenn ein Gericht seinen Entscheid mit einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, auf den sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit dessen Erheblichkeit sie vernünftigerweise nicht rechnen mussten (vgl. BGE 130 III 35 E. 5 S. 39; 126 I 19 E. 2c/aa S. 22; 124 I 49 E. 3c S. 52). Ein solcher Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung liegt nicht vor, was vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht behauptet wird.
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Erwägung 3 | |
3.1. Der Beschwerdeführer erachtet die Kürzung seines Honorars für das erstinstanzliche Verfahren als willkürlich. Insbesondere seien die Gefängnisbesuche im Umfang von 56,08 Stunden für eine sorgfältige Mandatsführung zwingend geboten gewesen. Hinsichtlich des gesamten Aufwands sei zu berücksichtigen, dass der gesamte Aktenumfang 30 Bundesordner betrage und dass insgesamt 27 Personen (vier Beschuldigte, fünf Geschädigte und 18 Auskunftspersonen) zum Teil mehrmals einvernommen worden seien, sodass er rund 80 Einvernahmeprotokolle mit seinem Klienten habe besprechen müssen. Die Vorinstanz habe § 9 des kantonalen Dekrets vom 10. November 1987 über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif, AnwT/AG; SAR 291.150), wonach der angemessene Zeitaufwand zu entschädigen sei, willkürlich angewendet.
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3.2. Die Vorinstanz hat zusammenfassend erwogen, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers rechtfertige der Umstand, dass eine Einvernahme anstehe, nicht per se Gefängnisbesuche von mehreren Stunden Dauer am Vortag, wie er sie wiederholt in Rechnung gestellt habe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Besprechungen im Gefängnis nicht zeitsparend und in der gebotenen Kürze vor den Einvernahmen hätten abgehalten werden können. Der für die Gefängnisbesuche betriebene zeitliche Aufwand sei insgesamt zu hoch ausgefallen. Angemessen erscheine eine Kürzung um 15 Stunden (auf rund 41 Stunden).
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Sodann sei der vom Beschwerdeführer im Vorfeld zur erstinstanzlichen Verhandlung für das Aktenstudium und das Verfassen des Plädoyers in Rechnung gestellte Aufwand übersetzt, auch wenn es sich um einen umfangreichen Fall mit mehreren Beschuldigten handle. Immerhin sei der amtliche Verteidiger von Anfang an involviert gewesen. Der nach dem Vorliegen der Anklageschrift für das Aktenstudium, das Verfassen des Plädoyers sowie die Vorbereitung und Abhaltung von Besprechungen mit dem Beschuldigten betriebene Zeitaufwand von rund 130 Stunden erweise sich auch unter Berücksichtigung des Umfangs und der Dauer des Strafverfahrens als deutlich zu hoch ausgefallen. Er sei um 60 Stunden (auf rund 70 Stunden) zu kürzen.
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Insgesamt erscheine somit ein Aufwand von rund 295 Stunden als angemessen. Unter Berücksichtigung des gemäss § 9 Abs. 2bis AnwT/AG üblichen Stundensatzes von Fr. 220.--, der separat zu entschädigenden Auslagen von ermessensweise 3 % sowie der Mehrwertsteuer von 8 % resultiere daraus eine Entschädigung von gerundet Fr. 72'200.--. Die dem amtlichen Verteidiger von der Vorinstanz zugesprochene Entschädigung von Fr. 72'317.20 (inklusive Auslagen und Mehrwertsteuer) erweise sich damit im Ergebnis nicht als unangemessen.
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Erwägung 3.3 | |
3.3.1. Nach der Rechtsprechung kommt den Kantonen bei der Bemessung des Honorars des amtlichen Anwalts ein weiter Ermessensspielraum zu. In Fällen, in denen die kantonale Behörde den vom Anwalt in Rechnung gestellten Arbeitsaufwand als übersetzt bezeichnet, greift das Bundesgericht nur mit grosser Zurückhaltung ein. Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten worden ist und Bemühungen nicht honoriert werden, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines amtlichen Verteidigers gehören. Für die Annahme einer Verletzung von Art. 135 StPO genügt es nicht, wenn die kantonale Behörde, welche die Entschädigung festzusetzen hat, einen in Rechnung gestellten Posten irrtümlich würdigt oder sich auf ein unhaltbares Argument stützt. Vielmehr muss die Festsetzung des Honorars ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten stehen und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstossen (vgl. zum Ganzen Urteile 6B_951/2013 vom 27. März 2014 E. 4.2 und 6B_360/2014 vom 30. Oktober 2014 E. 3.3, nicht publ. in: BGE 140 IV 213; siehe auch BGE 138 IV 197 E. 2.3.6 S. 204; 118 Ia 133 E. 2b S. 134).
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3.3.2. Gemäss Art. 9 AnwT/AG bemisst sich die Entschädigung in Strafsachen nach dem angemessenen Zeitaufwand des Anwalts (Abs. 1), wobei der Stundenansatz in der Regel Fr. 220.-- beträgt (vgl. Abs. 2); die Entschädigung in Strafsachen gilt auch für die amtliche Verteidigung (vgl. Abs. 3).
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3.4. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Die Vorinstanz hat ausdrücklich anerkannt, dass es sich vorliegend um einen umfangreichen Fall (rund 30 Bundesordner) mit mehreren Beschuldigten handelt. Ihre Beurteilung, angemessen erscheine ein Aufwand von rund 295 Stunden (davon rund 41 Stunden für Gefängnisbesuche und rund 70 Stunden für die Vorbereitung der erstinstanzlichen Hauptverhandlung), ist indes ohne Weiteres haltbar. Das von ihr festgesetzte Honorar von Fr. 72'317.20 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) bis und mit Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens liegt innerhalb des ihr zustehenden Ermessensbereichs. Es steht insgesamt in einem vernünftigen Verhältnis zu den vom Anwalt geleisteten Diensten. Eine willkürliche Anwendung von Art. 9 AnwT/AG liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht vor.
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Erwägung 4 | |
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 16. November 2017
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Stohner
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