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Informationen zum Dokument  BGer 1B_338/2017  Materielle Begründung
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BGer 1B_338/2017 vom 24.11.2017
 
1B_338/2017
 
 
Urteil vom 24. November 2017
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Chaix,
 
Gerichtsschreiber Misic.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; amtliche Verteidigung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 20. Juni 2017 (BES.2017.24).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Mit Strafbefehl vom 3. Februar 2017 erklärte die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt A.________ der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 BetmG) für schuldig. Er wurde zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.-- (mit Aufschub des Vollzugs unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren) und zu einer Busse in Höhe von Fr. 600.-- (bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise eine Freiheitsstrafe von sechs Tagen) verurteilt, wobei zwei Tagessätze Geldstrafe durch den angeordneten Freiheitsentzug getilgt wurden. Zudem wurden der angebliche Drogenerlös in Höhe von Fr. 300.-- eingezogen und A.________ die Verfahrenskosten von Fr. 1'624.-- auferlegt. Dieser erhob am 7. Februar 2017 gegen den Strafbefehl Einsprache. Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 ersuchte er die Staatsanwaltschaft um die Bewilligung der amtlichen Verteidigung. Am 16. Februar 2017 wies die Staatsanwaltschaft das Gesuch ab. Mit Präsidialentscheid vom 20. Juni 2017 wurde die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt abgewiesen.
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B.
 
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt die Aufhebung des Entscheids des Appellationsgerichts. Es sei ihm die amtliche Verteidigung zu bewilligen.
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Das Appellationsgericht und die Staatsanwaltschaft beantragen, es sei die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat sich geäussert und hält vollumfänglich an seinen Begehren fest.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem das Appellationsgericht die Abweisung des Gesuchs des Beschuldigten um Einsetzung eines amtlichen Verteidigers schützte; dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 BGG). Er schliesst das Verfahren indessen nicht ab; es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte. Das ist bei der Verweigerung der amtlichen Verteidigung der Fall (BGE 140 IV 202 E. 2.2 S. 205). Der Beschwerdeführer, der im Strafverfahren beschuldigt wird und dessen Gesuch um amtliche Verteidigung abgelehnt wurde, ist zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
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1.2. In der Beschwerdeschrift ist gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Die Verletzung von Grundrechten - mit Einschluss des Willkürverbots (Art. 9 BV) - untersucht das Bundesgericht insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144; 141 I 36 E. 1.3 S. 41; 139 I 229 E. memento 2.012.2 S. 232).
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Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) rügt und der Staatsanwaltschaft, dem Migrationsamt und dem Staatssekretariat für Migration pauschal eine Gesetzesumgehung vorwirft, sind die soeben dargelegten Anforderungen an die Beschwerdeschrift nicht erfüllt. Darauf ist nicht einzutreten.
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Erwägung 2
 
Die Verteidigung ist in den Art. 128 ff. StPO geregelt, welche die konventions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben konkretisieren. In besonders schwer wiegenden Straffällen ist sie unter bestimmten Voraussetzungen - etwa wenn die Untersuchungshaft mehr als 10 Tage gedauert hat oder eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr in Aussicht steht (Art. 130 lit. a und b StPO) - notwendig, d.h. der beschuldigten Person muss auf jeden Fall ein Verteidiger zur Seite gestellt werden. In Bagatellfällen - etwa wenn für den Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe bis zu 4 Monaten, eine Geldstrafe bis zu 120 Tagessätzen oder gemeinnützige Arbeit bis zu 480 Stunden in Aussicht steht (Art. 132 Abs. 3 StPO) - besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch auf amtliche Verteidigung (Art. 132 Abs. 2 StPO), sondern nur ausnahmsweise, etwa wenn der Fall besondere Schwierigkeiten bietet, denen der Beschuldigte nicht gewachsen ist, oder der Ausgang des Verfahrens eine besondere Tragweite aufweist. In den dazwischen liegenden Fällen relativer Schwere ist eine amtliche Verteidigung anzuordnen, wenn der Beschuldigte nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung seiner Interessen geboten erscheint (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO). Letzteres ist dann der Fall, wenn der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Probleme aufwirft, denen der Beschuldigte allein nicht gewachsen ist (Art. 132 Abs. 2 StPO; vgl. zum Ganzen BGE 143 I 164 E. 3.4 ff. S. 174 ff.).
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Erwägung 3
 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 Bst. c EMRK sowie Art. 29 Abs. 3 BV. Zwar räumt er ein, es handle sich noch knapp um einen Bagatellfall, in welchem grundsätzlich keine amtliche Verteidigung bewilligt werde. Hier seien jedoch die Voraussetzungen für eine amtliche Verteidigung erfüllt, da er besonders schwer betroffen sei. So sei ihm neben dem Strafbefehl gestützt auf den Tatvorwurf gleichzeitig die Wegweisung und ein Einreiseverbot eröffnet worden. Die Auswirkungen des Strafbefehls gingen somit über das Strafverfahren hinaus und würden erheblich in seine Bewegungsfreiheit eingreifen (Art. 10 Abs. 2 BV). Er sei als Tourist in die Schweiz eingereist, spreche keine Schweizer Landessprache, sei mit der hiesigen Rechtsordnung nicht vertraut und verfüge über keine juristischen Kenntnisse. Es würden sich daher sowohl tatsächliche als auch rechtliche Schwierigkeiten ergeben, denen er alleine nicht gewachsen wäre.
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Erwägung 4
 
4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Unterlagen oder Belege eingereicht, die über seine wahren finanziellen Verhältnisse Auskunft geben. Entgegen seiner Behauptung und mit Verweis auf die Ausführungen im Urteil des Bundesgerichts 1B_280/2017 vom 16. Oktober 2017 E. 2 kann seine Mittellosigkeit keineswegs als erstellt gelten. Zu prüfen ist mithin, ob im vorliegenden Bagatellfall aufgrund der besonderen Schwierigkeit der Angelegenheit ausnahmsweise eine amtliche Verteidigung zu bestellen ist.
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4.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei besonders schwer betroffen, weil das Staatssekretariat für Migration aufgrund des Strafbefehls gegen ihn die Wegweisung und ein Einreiseverbot verfügt habe, ist ihm nicht zu folgen. Die migrationsrechtlichen Massnahmen sind in einem separaten Verwaltungsverfahren angeordnet worden und hätten dort auch angefochten werden können. Die in jenem Verfahren erfolgte Wegweisung kann - wie auch die Vorinstanz zutreffend hervorhebt - bei der Frage der Betroffenheit im Strafverfahren nicht "hinzugerechnet" werden und die Ablehnung des Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung kann im vorliegenden Verfahren nicht nochmals geltend gemacht werden. Dies umso weniger, als bei der Anordnung einer Wegweisung und dem damit zusammenhängenden Einreiseverbot nicht an die Erfüllung einer Strafnorm angeknüpft wird, sondern an das Vorliegen einer Polizeigefahr. Ob eine solche besteht und wie sie zu gewichten ist, hat die Verwaltungsbehörde in eigener Kompetenz unter Zugrundelegung spezifisch ausländerrechtlicher Kriterien zu beurteilen.
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4.3. In Bezug auf das Argument des Beschwerdeführers, eine amtliche Verteidigung müsse auf jeden Fall bestellt werden, da auch eine fakultative Landesverweisung möglich sei, ist Folgendes zu bemerken: Im Strafbefehl vom 3. Februar 2017 wurde keine fakultative Landesverweisung in Erwägung gezogen. Andernfalls hätte Anklage erhoben werden müssen. Im Strafbefehlsverfahren ist die Verhängung einer Landesverweisung nicht zulässig. Erhebt die Staatsanwaltschaft keine Anklage oder beantragt sie keine Landesverweisung, droht dem Beschuldigten keine Landesverweisung im Sinne von Art. 130 Bst. b StPO, weshalb diese Bestimmung hier auch nicht anwendbar ist. Darauf weist auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme hin. Wie die Vorinstanz zutreffend hervorhebt, kann der vorliegende Sachverhalt auch nicht als "faktische Landesverweisung" qualifiziert werden, da kein schwerer Eingriff in die Rechtspositionen des Beschwerdeführers vorliege. Diese Auffassung entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach in Bezug auf die Gewährung der amtlichen Verteidigung eine Landesverweisung als qualifizierendes Eingriffsmerkmal für Ausländer angenommen werden kann, die seit langem in der Schweiz leben, hier verwurzelt sind und kaum mehr Beziehungen zum Ausland haben (Urteil des Bundesgerichts 1P.365/2002 vom 31. Juli 2002 E. 3.1). Dies trifft auf den Beschwerdeführer, der sich nach eigenen Angaben als Tourist in der Schweiz aufgehalten habe, ganz offensichtlich nicht zu.
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4.4. Sodann liegt offensichtlich kein besonders komplexer Fall vor. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, Kokain an einen Konsumenten verkauft zu haben. Die erforderlichen weiteren Beweiserhebungen erschöpfen sich in der Einvernahme des Kokainkäufers und des Beschuldigten. Der Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung sind auch für einen juristischen Laien überschaubar. Der Beschwerdeführer vermochte denn auch selbständig Einsprache gegen den Strafbefehl vom 3. Februar 2017 zu erheben. Zur Überwindung sprachlicher Schwierigkeiten kann ein Dolmetscher beauftragt werden. Beim derzeitigen Stand der Dinge ist daher - wie die Vorinstanz richtig festgehalten hat - keine amtliche Verteidigung erforderlich. Sollte diese Lagebeurteilung im weiteren Verlauf des Strafverfahrens aufgrund der nunmehr zu erhebenden Beweise nicht mehr zutreffen, wird eventuell die Verteidigung von der Verfahrensleitung sicherzustellen sein.
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Erwägung 5
 
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. Da seine Mittellosigkeit nicht als erstellt gelten kann (E. 4.1 hiervor), ist sein Gesuch abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt er daher die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3. Die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. November 2017
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Merkli
 
Der Gerichtsschreiber: Misic
 
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