BGer 2C_670/2018 | |||
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BGer 2C_670/2018 vom 10.09.2018 |
2C_670/2018 |
Urteil vom 10. September 2018 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Stadelmann, Haag,
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Gerichtsschreiberin Mayhall.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
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gegen
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1. Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern,
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2. Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Rechtsverweigerung,
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Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 3. Juli 2018 (100.2017.264).
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
A.________ (Jahrgang 1972) ist philippinischer Staatsangehöriger. Er reiste am 10. September 1990 im Familiennachzug zu seiner Mutter in die Schweiz ein. Seit dem 13. September 2000 ist er im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Mit seiner Ehefrau (Jahrgang 1981), welche er am 14. Mai 2014 ehelichte, hat er zwei Kinder (Jahrgang 2009 und 2013). Am 31. Januar 2014 verurteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland A.________ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen wegen qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121), begangen von 2008 bis am 10. April 2013, und wegen qualifizierter Geldwäscherei, begangen vom 1. Januar 2009 bis am 10. April 2013. A.________, der sich seit dem 10. April 2013 in Untersuchungshaft befand, hatte am 15. Januar 2014 den vorzeitigen Strafvollzug angetreten. Am 8. Mai 2015 widerrief das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern die Niederlassungsbewilligung und wies A.________ auf den Tag der Entlassung aus dem Strafvollzug hin aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern am 15. Dezember 2015 ab unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 27. Juli 2016, wobei es den Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abwies. Das Bundesgericht wies seine am 8. August 2016 gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde und das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit Urteil vom 5. Januar 2017 ebenfalls ab (Verfahren 2C_681/2016). Im Zusammenhang mit seiner offenbar gegen dieses Urteil des Bundesgerichts vom 5. Januar 2017 erhobenen Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wies der EGMR die Schweiz mit "Decision on interim measure" vom 19. Juli 2017 an, vom Vollzug der Wegweisung sei während der Dauer des Verfahrens abzusehen. Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 verweigerte das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern den Erlass einer anfechtbaren Verfügung über das Gesuch von A.________, beim SEM sei ein Antrag auf seine vorläufige Aufnahme in die Schweiz zu stellen. A.________ beantragte mit Rechtsverweigerungsbeschwerde vom 21. Juni 2017 bei der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, das kantonale Migrationsamt sei anzuweisen, eine anfechtbare Verfügung zu erlassen, ausserdem sei mit einer vorsorglichen Massnahme dem kantonalen Migrationsamt bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zu untersagen, ihn aus der Schweiz auszuschaffen. Mit Verfügung vom 6. Juli 2017 wies die kantonale Polizei- und Militärdirektion das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und um Anordnung der vorsorglichen Massnahme ab. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern bestätigte jedoch am 20. Juli 2017, sie werde bis zum Vorliegen des Entscheids des EGMR von jeglichen Vollzugshandlungen absehen. Am 14. September 2017 wies die kantonale Polizei- und Militärdirektion die Rechtsverweigerungsbeschwerde ab. Auf die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde vom 21. September 2017 mit dem Antrag, das kantonale Migrationsamt sei anzuweisen, seine Weigerung, beim Staatssekretariat für Migration (SEM) die vorläufige Aufnahme zu beantragen, als anfechtbare Verfügung auszugestalten, trat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil des Einzelrichters vom 3. Juli 2018 nicht ein und wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 19. August 2018 beantragt A.________, in Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils seien für das erst- und vorinstanzliche Rechtsmittelverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, die geleisteten Kostenvorschüsse zu erstatten, die auferlegten Verfahrenskosten einstweilen auf die Staatskasse zu nehmen, Rechtsanwalt Oliver Lücke als unentgeltlicher Rechtsbeistand für das vorinstanzliche Verfahren beizugeben und die Sache zur Festsetzung des amtlichen Honorars an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägung 2 | |
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ausgeschlossen gegen Entscheide über die vorläufige Aufnahme (Ziff. 3). Ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen, kann kein in diesem Verfahren getroffener Entscheid mit diesem Rechtsmittel an das Bundesgericht weitergezogen werden; dies gilt insbesondere für Kostenentscheide (THOMAS HÄBERLI, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 9 zu Art. 83 BGG). Die Eingabe kann jedoch als subsidiäre Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV entgegengenommen werden (BGE 137 II 305 E. 1.1 S. 306; Urteil 2D_67/2009 vom 4. Februar 2010 E. 2.1) und ist, weil offensichtlich unbegründet, mit summarischer Begründung abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 117 BGG).
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2.2. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Als aussichtslos im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV (wie auch Art. 64 Abs. 1 BGG) sind Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 235 f.; 125 II 265 E. 4b S. 275; 124 I 304 E. 2c S. 306).
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Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil erwogen, der EGMR habe mit einer provisorischen Massnahme vom 19. Juli 2017 die Schweiz angewiesen, vom Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers während der Dauer des Verfahrens abzusehen. Die kantonale Polizei- und Militärdirektion habe dieser Anordnung umgehend Folge geleistet und am 20. Juli 2017 bestätigt, dass sie bis zum Vorliegen des Entscheids des EGMR von jeglichen Vollzugshandlungen absehen werde, weshalb kein Raum für eine vorläufige Aufnahme im Sinne von Art. 83 AuG bestehe und der Beschwerdeführer hinsichtlich einer diesbezüglich eingereichten Rechtsverweigerungsbeschwerde zurzeit offensichtlich kein schutzwürdiges Interesse habe, weshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten werden könne. Die Beschwerdeführung müsse als aussichtslos bezeichnet werden, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen sei.
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Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag die Beurteilung der Erfolgsaussichten der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Beschwerde nicht zu erschüttern. Das Verfahren ist auf das Gesuch um Erlass einer anfechtbaren Verfügung betreffend die Frage zurückzuführen, ob beim SEM ein Antrag auf vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers in die Schweiz zu stellen sei. Der Betroffene hat im ausländerrechtlichen Verfahren keinen Anspruch auf eine vorläufige Aufnahme: Art. 83 Abs. 6 AuG sieht ausdrücklich nur vor, dass die kantonale Behörde beim Bundesamt diese beantragen kann. Art. 83 AuG verschafft dem Einzelnen keinen Rechtsanspruch; im Gegenteil: Der Gesetzgeber schloss den direkten Zugang des Ausländers zu diesem Verfahren bewusst aus und überliess es dem Kanton, gegebenenfalls ein solches einzuleiten (BGE 137 II 305 E. 3.2 S. 310). Aus der dem Bundesgericht eingereichten Rechtsschrift geht nicht hervor, aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung über den Antrag an das SEM über die vorläufige Aufnahme zustehen sollte; in diesem Punkt blieb das vorinstanzliche Urteil denn auch unangefochten. Diese Rechtsschrift ist somit nicht geeignet, die Beurteilung der Erfolgsaussichten der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Beschwerde durch das kantonale Verwaltungsgericht zu erschüttern. Daran ändert der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Urteil 2C_840/2017 nichts, wo das Bundesgericht erwogen hat, das Anliegen, dass per Verfügung darü ber befunden werde, ob er ausgeschafft werden könne, sei nicht aussichtslos. Denn dies betraf nicht den hier streitgegenständlichen Antrag auf vorläufige Aufnahme.
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2.3. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet. Sie ist im Verfahren nach Art. 109 i.V.m. Art. 117 BGG abzuweisen (Urteil 2C_1066/2012 vom 22. Februar 2013 E. 2.3).
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2.4. Da die vorliegende Beschwerde von vornherein aussichtslos erschien, ist auch das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 64 BGG). Entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) dem Beschwerdeführer als unterliegende Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
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Das Bundesgericht erkennt: |
Erwägung 1 | |
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Erwägung 2 | |
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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Erwägung 3 | |
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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Erwägung 4 | |
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. September 2018
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Die Gerichtsschreiberin: Mayhall
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