BGer 9C_344/2018 | |||
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BGer 9C_344/2018 vom 17.12.2018 |
9C_344/2018 |
Urteil vom 17. Dezember 2018 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
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Gerichtsschreiber R. Widmer.
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Verfahrensbeteiligte | |
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Thomann,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. März 2018 (VBE.2017.263).
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Sachverhalt: | |
A. A.________, geboren 1967, wurde am 19. November 2004 als Radfahrerin von einem Personenwagen erfasst und über die Motorhaube geschleudert, worauf sie auf die Strasse prallte. Am 20. Juli 2006 meldete sie sich unter Hinweis auf die Folgen des beim Unfall erlittenen Distorsionstraumas der Halswirbelsäule bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht sprach die IV-Stelle Aargau A.________ mit Verfügung vom 3. Juli 2007 rückwirkend ab 1. Dezember 2006 gestützt auf den von ihr ermittelten Invaliditätsgrad von 40% eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. Im Rahmen eines im August 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens veranlasste die IV-Stelle eine polydisziplinäre Begutachtung durch die PMEDA AG, Zürich (Expertise vom 21. Oktober 2013), worauf sie der Versicherten zunächst die Aufhebung der Rente in Aussicht stellte, in der Folge jedoch aufgrund der erhobenen Einwendungen eine neuerliche polydisziplinäre Untersuchung, nunmehr durch die estimed AG, MEDAS Zug, Baar, anordnete (Gutachten vom 12. April 2016). Nach Einholung von Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) hob die IV-Stelle die Invalidenrente mit Verfügung vom 13. Februar 2017 auf Ende April 2017 auf.
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B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ hatte beantragen lassen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr die bisherige Invalidenrente weiter auszurichten, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 9. März 2018 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern.
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Erwägungen: | |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Nach lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision) werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind.
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3.
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3.1. In Würdigung der medizinischen Aktenlage, wie sie sich zum Zeitpunkt der Zusprechung der Viertelsinvalidenrente präsentierte (Verfügung vom 3. Juli 2007), gelangte die Vorinstanz zum Schluss, dass damals Beschwerden im Rahmen eines Schleudertraumas der HWS vorgelegen hätten. Diese hätten jedoch keiner organischen Grundlage zugeordnet werden können. Rein muskuläre Einschränkungen stellten kein entsprechendes Korrelat dar, während die festgestellten neuropsychologischen Defizite weder dokumentiert noch einer erklärbaren Pathologie zugehörig seien; deshalb könne die laufende Viertelsrente aufgehoben werden, ohne dass die Revisionsvoraussetzungen nach Art. 17 Abs. 1 ATSG erfüllt sind. Weil aufgrund der polydisziplinären Gutachten der PMEDA AG vom 21. Oktober 2013 und der estimed AG vom 12. April 2016 sowie der Stellungnahmen der RAD-Ärzte Dr. med. B.________ vom 15. Juni 2016 und med. pract. C.________ vom 17. August 2016 kein morphologisches Korrelat für die geklagten Beschwerden mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit festgestellt werden konnte und sich auch im Rahmen der Indikatorenprüfung keine invalidisierende Arbeitsfähigkeit ergab, bestätigte das kantonale Gericht die Auffassung der Verwaltung, wonach am 13. Februar 2017, als die Viertelsrente aufgehoben wurde, keine rentenbegründende Invalidität mehr vorlag.
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3.2. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen diese Betrachtungsweise, indem sie geltend macht, die Vorinstanz habe aktenwidrig festgestellt, dass bei Gewährung der Invalidenrente ein unklares Beschwerdebild ohne nachweisbare organische Grundlage bestanden hat. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Gerichtsentscheid hätten bereits bei Zusprechung der Invalidenrente objektivierbare Beschwerden vorgelegen, die auf einer organischen Grundlage beruhten. Die Rentenaufhebung nach Massgabe der Übergangsbestimmung der 6. IV-Revision sei damit unzulässig. Ferner hätten auch bei Aufhebung der Invalidenrente objektivierbare Gesundheitsstörungen bestanden. Das Gutachten der PMEDA AG sei ungenügend, wie später von der estimed AG dargelegt wurde. Auf die Expertise der PMEDA AG könne auch deswegen nicht abgestellt werden, weil sie bei Verfügungserlass bereits 3 ½ Jahre alt gewesen sei. Des Weiteren äussert sich die Versicherte in weiten Teilen der Beschwerde zur Beweiswürdigung der Vorinstanz und wirft dieser wiederholt Willkür vor. Als massgebend erachtet werden müsse entgegen den Erwägungen des kantonalen Gerichts nicht das Gutachten der PMEDA AG, sondern dasjenige der estimed AG. Dieses habe Beschwerden mit organischem Korrelat erkannt, den medizinischen Sachverhalt korrekt gewürdigt und sei zum Schluss gekommen, dass die Versicherte hälftig arbeitsunfähig sei. Weil objektivierbare Beschwerden vorlägen, entfalle eine Indikatorenprüfung. Selbst wenn eine solche durchgeführt werden müsste, wäre gestützt auf die Expertise der estimed AG entgegen der Ansicht der Vorinstanz ein invalidisierender Gesundheitsschaden zu bejahen.
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4.
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4.1. In Würdigung der Arztberichte aus der Zeit der Rentenverfügung vom 3. Juli 2007 stellte das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich (E. 1 hievor) fest, dass die Beschwerdeführerin zu jener Zeit an keinen somatischen Gesundheitsschäden gelitten habe, die eine Arbeitsunfähigkeit zu bewirken vermochten. Weder muskuläre Beschwerden, die innert kurzer Zeit therapiert werden könnten, noch neurologische Defizite, die keiner erklärbaren Pathologie zugeordnet werden können, seien organischer Natur.
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Letztinstanzlich wird nichts vorgebracht, was eine offensichtlich unrichtige und damit willkürliche Sachverhaltsermittlung durch die Vorinstanz für den Zeitpunkt der Rentenverfügung belegen könnte. Dies wird in der Beschwerde wohl behauptet, jedoch nicht ausreichend begründet. Namentlich die in einer neuropsychologischen Untersuchung festgestellten kognitiven Einschränkungen können nicht als solche somatischen Ursprungs bezeichnet werden, sondern sind Teil des in Schlussbestimmung lit. a Abs. 1 der 6. IV-Revision umschriebenen syndromalen Beschwerdebildes ohne nachweisbare organische Grundlage. Eine Aufhebung der Invalidenrente ist daher zulässig, wenn auch im Zeitpunkt, in dem diese überprüft wird, keine Erwerbsunfähigkeit im Sinne von Art. 7 ATSG vorliegt.
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4.2. Aufgrund des in dieser Beziehung klaren Gutachtens der PMEDA AG vom 21. Oktober 2013 sowie unter Berücksichtigung der interdisziplinären Expertise der estimed AG vom 12. April 2016 und der fachärztlichen Stellungnahmen der RAD-Ärzte Dr. med. B.________ vom 15. Juni 2016 und med. pract. C.________ vom 17. August 2016 hat die Vorinstanz festgestellt, dass bei Erlass der Rentenaufhebungsverfügung vom 13. Februar 2017 kein Gesundheitsschaden vorlag, der die Arbeitsfähigkeit einschränkt. Dabei hat sie nicht übersehen, dass die Ärzte der estimed AG eine von der PMEDA AG abweichende Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit von 50 % abgegeben hatten. Sie hielt aber in einem Vergleich der beiden Gutachten fest, dass in orthopädischer Hinsicht lediglich eine andere Würdigung des gleich gebliebenen Gesundheitsschadens vorgelegen habe. Ein morphologisches Korrelat für die geklagten Beschwerden habe von keinem Arzt festgestellt werden können. Zu beachten gelte es auch, dass die Gutachter der estimed AG ihre Einschätzung zu einem erheblichen Teil aufgrund der subjektiven Angaben der Versicherten getroffen hätten. Eine zuverlässige Überprüfung der Schmerzangaben hätten die Experten nicht vorgenommen. Dies betreffe auch die behaupteten neuropsychologischen Defizite, die nicht psychiatrisch bestätigt wurden. Da eine somatische Grundlage der geklagten Beschwerden sich nicht erhärten liess, prüfte das kantonale Gericht den Rentenanspruch, der aufgrund der Folgen einer Distorsionsverletzung der HWS geltend gemacht wurde, in Einklang mit der Rechtsprechung (140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13 f.) unter dem Gesichtswinkel eines psychosomatischen Leidens aufgrund eines strukturierten Beweisverfahrens nach BGE 141 V 281.
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4.3.
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4.3.1. Die von der Vorinstanz im Rahmen dieser Prüfung gewonnenen Erkenntnisse zeigen mit Bezug auf das Merkmal der Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome, die Indikatoren Behandlungs- und Eingliederungserfolg resp. -resistenz sowie Komorbidität, dass nicht sehr ausgeprägte Symptome gegeben sind, die Versicherte keine psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen hat und Therapieoptionen hinsichtlich der Schmerzen offen stünden. Hingegen ergebe eine Prüfung im Hinblick auf den Komplex Sozialer Kontext und Persönlichkeit, dass die Beschwerdeführerin über umfangreiche Ressourcen in Form eines geregelten Tagesablaufs mit Erwerbstätigkeit, Hausarbeiten sowie Spaziergängen und umfangreicher Unterstützung durch ihren Partner, ihre Mutter und ihre Schwester verfüge. Diese fielen stärker ins Gewicht als die sich lediglich aus der neuropsychologischen Beurteilung wiederspiegelnde Einschränkung in der Persönlichkeitsstruktur. Eine gesamthafte Betrachtung im Lichte der Beweisindikatoren ergebe, dass das psychosomatische Leiden kein rentenauslösendes Ausmass erreiche. Vor diesem Hintergrund sei eine Konsistenzprüfung gemäss BGE 141 V 281 E. 4.4 S. 303 f. hinfällig.
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4.3.2. Beschwerdeweise werden keine Argumente vorgebracht, welche die vorinstanzliche Indikatorenprüfung als in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unrichtig oder anderweitig bundesrechtswidrig erscheinen lassen könnten. Die eigene Sichtweise an die Stelle der sorgfältigen Beurteilung der Vorinstanz zu setzen, die der Rechtsprechung Rechnung trägt, ist unbehelflich, während die Behauptung, die Versicherte verfüge nicht über genügend soziale Kontakte, den Feststellungen des kantonalen Gerichts widerspricht, ohne dass diese Behauptung näher begründet würde.
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5. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Vorinstanz die Voraussetzungen für die Aufhebung der seit 1. Dezember 2006 ausgerichteten Invalidenrente gemäss Verfügung der IV-Stelle vom 13. Februar 2017 aufgrund von lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der 6. IV-Revision zu Recht bejaht hat.
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6. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Pensionskasse D.________ und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 17. Dezember 2018
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Der Gerichtsschreiber: Widmer
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