BGer 6B_552/2018 | |||
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BGer 6B_552/2018 vom 27.12.2018 |
6B_552/2018 |
Urteil vom 27. Dezember 2018 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Rüedi,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiberin Bianchi.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________,
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vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, Postfach 1638, 1701 Freiburg,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Entschädigung und Genugtuung bei Einstellung eines Strafverfahrens, überspitzter Formalismus,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafkammer, vom 19. April 2018 (502 2018 2).
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Sachverhalt: | |
A. Die Staatsanwaltschaft stellte am 15. Dezember 2017 das Verfahren wegen Betrugs gegen X.________ ein. Sie auferlegte ihm die Verfahrenskosten von Fr. 505.-- und verweigerte ihm eine Entschädigung und Genugtuung.
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B. Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft erhob X.________ Beschwerde an das Kantonsgericht Freiburg. Er beantragte insbesondere, die Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen und es sei ihm für die im Vorverfahren entstandenen Verteidigungskosten eine Entschädigung gemäss eingereichter Kostennote sowie eine Genugtuung und Ersatz für entgangene Einkommensmöglichkeiten in der Höhe von Fr. 300'000.-- auszurichten.
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C. Das Kantonsgericht Freiburg hiess die Beschwerde von X.________ am 19. April 2018 teilweise gut und auferlegte die Verfahrenskosten dem Kanton Freiburg. Auf seinen Antrag, es sei ihm eine Entschädigung gemäss eingereichter Kostennote zuzusprechen, trat es nicht ein. Im Weiteren wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
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D. X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts sei betreffend Nichteintreten auf die geforderte Entschädigung aufzuheben, die Sache sei zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen und es sei ihm eine Entschädigung gemäss eingereichter Kostennote von Fr. 26'642.50 zulasten der Staatskasse Freiburg zuzusprechen.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO sowie des Verbots des überspitzten Formalismus. Die Vorinstanz sei angesichts der Verfahrenseinstellung und der dem Staat auferlegten Kosten nach Art. 429 Abs. 2 StPO verpflichtet gewesen, den Anspruch auf Entschädigung für die entstandenen Verteidigungskosten von Amtes wegen zu prüfen und auf seinen Antrag einzutreten. Die vorinstanzliche Erwägung, der geforderte Betrag habe sich weder aus dem Antrag noch aus der Beschwerdebegründung ergeben, sei überspitzt formalistisch. Der geforderte Betrag habe sich nebst der in den Akten enthaltenen Kostennote auch aus der Einstellungsverfügung ergeben. Dass die Kostennote der Beschwerde nicht beigelegt worden sei, sei ein offensichtliches Versehen gewesen, weswegen die Vorinstanz eine Nachfrist zur Einreichung der Kostennote hätte ansetzen müssen.
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1.2. Die Vorinstanz erwägt, weder in den Rechtsbegehren noch in der Beschwerdebegründung sei die geforderte Parteientschädigung beziffert gewesen. Die im Antrag erwähnte Kostennote sei der Beschwerde nicht beigelegt worden. Da die Beschwerde von einem Anwalt eingereicht worden sei, habe vom Ansetzen einer Nachfrist abgesehen werden können und auf die Beschwerde sei insoweit nicht einzutreten gewesen.
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1.3. Wird die beschuldigte Person freigesprochen, hat sie unter den Voraussetzungen von Art. 429 Abs. 1 StPO Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung. Nach Art. 429 Abs. 2 StPO prüft die Strafbehörde Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung von Amtes wegen. Sie kann die beschuldigte Person auffordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen. Mit Art. 429 Abs. 2 StPO soll eine Ungleichbehandlung zwischen anwaltlich vertretenen und anwaltlich nicht vertretenen Personen vermieden werden (WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 31 zu Art. 429 StPO).
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Die Strafbehörde ist nicht verpflichtet, alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären. Gestützt auf Art. 429 Abs. 2 StPO hat sie die beschuldigte Person zur Frage der Entschädigung mindestens anzuhören und gegebenenfalls aufzufordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen (Urteile 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.3; 1B_475/2011 vom 11. Januar 2012 E. 2.3, in: Pra 2012 Nr. 82 S. 554). Dies bedeutet indessen nicht, dass die Strafbehörde im Sinne des Untersuchungsgrundsatzes von Art. 6 StPO alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären hat. Vielmehr obliegt es dem Antragsteller, seine Ansprüche zu begründen und auch zu belegen. Dies entspricht der zivilrechtlichen Regel gemäss Art. 42 Abs. 1 OR, wonach den Schaden zu beweisen hat, wer Schadenersatz beansprucht (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1 S. 240; Urteile 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.3; 6B_666/2014 vom 16. Dezember 2014 E. 4.1).
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Die Anforderungen an die Form und die Begründung der Beschwerde nach StPO sind in Art. 385 Abs. 1 i.V.m. Art. 396 Abs. 1 StPO geregelt. Nach diesen Bestimmungen hat die beschwerdeführende Partei oder Behörde genau anzugeben, welche Punkte des Entscheids sie anficht, welche Gründe einen anderen Entscheid nahe legen und welche Beweismittel sie anruft. Der Antrag ist grundsätzlich zu beziffern (ZIEGLER/KELLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 1a zu Art. 385 StPO). Dieses Erfordernis entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 42 Abs. 1 BGG, wonach die Anträge im Falle von Geldforderungen zu beziffern sind (BGE 143 III 111 E. 1.2 S. 112; 137 III 617 E. 4.3 S. 619; 134 III 235 E. 2 S. 236). Dies gilt insbesondere für die Beschwerdepartei, welche die Zusprechung einer Parteientschädigung im kantonalen Verfahren fordert (BGE 143 III 111 E. 1.2 S. 112).
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1.4. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Beschwerdeführer im Hinblick auf den Abschluss der Untersuchung Frist angesetzt, um allfällige Entschädigungsansprüche anzumelden (kantonale Akten, act. 9502) und ihm damit die Möglichkeit gegeben, seine Ansprüche zu beziffern und zu begründen. Eine Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO ist damit nicht ersichtlich. Es oblag dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer, seinen Anspruch auf Parteientschädigung im Beschwerdeverfahren in Form eines rechtsgenügenden Antrags geltend zu machen. Geldforderungen sind auch im Rahmen der Beschwerde nach StPO zu beziffern. Der vom Beschwerdeführer formulierte Antrag erfüllte diese Anforderung nicht.
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1.5. Die Rechtsfolge des Nichteintretens auf unbezifferte Begehren steht unter dem Vorbehalt des überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 1 BV). Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Rechtsuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 29 Abs. 1 BV im Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert (BGE 142 I 10 E. 2.4.2 S. 11; Urteil 6B_123/2018 vom 18. Juni 2018 E. 3).
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Im Zusammenhang mit formell mangelhaften Rechtsbegehren hat das Bundesgericht festgehalten, dass ausnahmsweise auf die Beschwerde einzutreten ist, wenn sich aus der Begründung, allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, ergibt, was der Beschwerdeführer in der Sache verlangt oder - im Falle zu beziffernder Rechtsbegehren - welcher Geldbetrag zuzusprechen ist. Rechtsbegehren sind im Lichte der Begründung auszulegen (BGE 137 II 313 E. 1.3 S. 317).
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Art. 385 Abs. 2 StPO konkretisiert das Verbot des überspitzten Formalismus für das Rechtsmittelverfahren. Erfüllt die Eingabe die in Art. 385 Abs. 1 StPO festgehaltenen Anforderungen nicht, so weist die Rechtsmittelinstanz sie zur Verbesserung innerhalb einer kurzen Nachfrist zurück. Genügt die Eingabe auch nach Ablauf der Nachfrist den Anforderungen nicht, so tritt die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein (Art. 385 Abs. 2 StPO). Keine Nachfrist ist anzusetzen, wenn die beschwerdeführende Partei die Anforderungen an die Begründung und die Form kennt und sie dennoch nicht erfüllt (Urteil 6B_678/2017 vom 6. Dezember 2017 E. 5.2). Von fachkundigen Personen, wie etwa Rechtsanwälten, kann erwartet werden, dass sie Rechtsmittel formgerecht einreichen; ihnen gegenüber wird eine Nachfristansetzung in der Regel nur bei Versehen oder unverschuldetem Hindernis in Frage kommen (ZIEGLER/KELLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 385 StPO).
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1.6. Im angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz geprüft, ob sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, welchen Betrag der Beschwerdeführer fordert. Die Vorinstanz war nicht gehalten, auf die in den Strafakten enthaltene Kostennote abzustellen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, der geforderte Betrag habe sich aus der Einstellungsverfügung ergeben, ist nicht zu folgen. In den Erwägungen der Einstellungsverfügung vom 15. Dezember 2017 wird im Zusammenhang mit der Verweigerung der Entschädigung darauf hingewiesen, auf welchen Betrag sich die der Staatsanwaltschaft eingereichte Honorarnote belaufe. Es besteht indessen keine Vermutung, dass ein Beschwerdeführer, der seine Anträge in der Beschwerde nicht präzisiert, diejenigen übernehmen will, die er vor der Vorinstanz gestellt hat (Urteile 5A_1048/2017 vom 4. Dezember 2018 E. 2.2; 5A_799/2014 vom 25. Juni 2015 E. 2.1; 4A_402/2011 vom 19. Dezember 2011 E. 1.2). Zu dem Vorbringen, es habe sich um ein offensichtliches Versehen gehandelt, ist festzuhalten, dass Art. 385 Abs. 2 StPO nicht die Nachbesserung von fehlerhaft formulierten Anträgen von anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern bezweckt.
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Die Vorinstanz ist nicht in überspitzten Formalismus verfallen, wenn sie dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer keine Nachfrist zur Nachbesserung seines Antrags angesetzt hat.
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2. Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 27. Dezember 2018
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Bianchi
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