BGer 6B_1227/2018 | |||
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BGer 6B_1227/2018 vom 08.02.2019 |
6B_1227/2018 |
Urteil vom 8. Februar 2019 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Rüedi,
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nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher,
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Gerichtsschreiber Weber.
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Verfahrensbeteiligte | |
X.________, vertreten durch
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Rechtsanwältin Carmela Degen,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Einfache Verkehrsregelverletzung (ungenügendes Abstandhalten beim Hintereinanderfahren); Willkür,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 11. Oktober 2018 (2M 18 7).
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Sachverhalt: |
A. | |
Am 28. Februar 2017 fuhr X.________ auf der Autobahn von U.________ Richtung V.________. Gemäss dem zur Anklage erhobenen Strafbefehl vom 21. September 2017 der Staatsanwaltschaft Abteilung 3 Sursee fuhr X.________ beim Autobahnkilometer 90.000 mit einer maximalen Geschwindigkeit von 100 km/h mit ungenügendem Abstand, namentlich maximal 18 Meter, hinter einem anderen Personenwagen her.
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B. | |
Das Bezirksgericht Willisau verurteilte X.________ mit Urteil vom 24. Januar 2018 wegen einfacher Verkehrsregelverletzung durch ungenügendes Abstandhalten beim Hintereinanderfahren zu einer Busse von Fr. 800.-- unter entsprechender Auferlegung der Verfahrens- und Gerichtskosten. Die dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 11. Oktober 2018 mit Ausnahme einer Neufassung des Kostenspruchs ab.
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C. | |
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er verlangt sinngemäss, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. Er macht geltend, dass die Anklage sich auf den Autobahnkilometer 90.000 beschränke und nur die Geschehnisse, die sich auf dem Streckenabschnitt 90.000 abgespielt haben, dem Urteil hätten zugrunde gelegt werden dürfen. Auf dem Video der Überwachungskamera, das mit 90.0 bezeichnet ist, sei mehr als nur dieser Autobahnabschnitt zu sehen. Wo genau der Abschnitt 90.000 ende und der Abschnitt 90.100 anfange, sei auf dem entsprechenden Video nicht zu sehen. Dies sei aber für die zu beurteilende Angelegenheit von Relevanz gewesen.
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1.2. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Kleinere Ungenauigkeiten in den Orts- und Zeitangaben führen nicht zur Unbeachtlichkeit der Anklage. Allgemein gilt, je gravierender die Vorwürfe, desto höhere Anforderungen sind an den Anklagegrundsatz zu stellen. Ob die zeitliche und örtliche Umschreibung ausreicht, ist nicht abstrakt, sondern zusammen mit dem übrigen Inhalt der Anklage zu beurteilen. Zugleich bezweckt der Anklagegrundsatz den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Unter diesem Gesichtspunkt muss die beschuldigte Person aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Dies bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass der Betroffene genau weiss, welcher konkreter Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit er sich in seiner Verteidigung richtig vorbereiten kann. Er darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2; 141 IV 132 E. 3.4.1; 140 IV 188 E. 1.3; Urteil 6B_432/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 2.2; je mit Hinweisen).
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1.3. Die Vorinstanz legt unter Verweis auf das erstinstanzliche Urteil überzeugend dar, weshalb der zur Anklage erhobene Strafbefehl vom 21. September 2017 dem Anklagegrundsatz sowohl unter dem Gesichtspunkt der Umgrenzungs- als auch der Informationsfunktion genügt. Für den Beschwerdeführer bestanden nie Zweifel daran, welcher Vorwurf ihm gemacht wird. Die in der Anklageschrift verwendete Formulierung "[e]benfalls auf derselben Strecke, beim Autobahnkilometer 90.000, fuhren Sie mit einer maximalen Geschwindigkeit von 100 km/h mit ungenügendem Abstand, namentlich maximal 18 Meter hinter dem Personenwagen xxx hinterher" hat weder eine ausreichende Konkretisierung des an den Beschwerdeführer gerichteten Vorwurfs verhindert noch ihn in der angemessenen Ausübung seiner Verteidigungsrechte beeinträchtigt. Beim Hintereinanderfahren mit ungenügendem Abstand handelt es sich um ein Delikt, das insbesondere auf der Autobahn naturgemäss nicht statisch an einer Stelle verwirklicht wird. So führt denn auch die Anklage aus, das Delikt sei "beim" Autobahnkilometer 90.000 begangen worden. Entsprechend brachte der Beschwerdeführer im Verfahren selbst vor, dass zur Beurteilung der Situation am Autobahnkilometer 90.000 auch das Entstehen der Situation und das Verhalten des Beschwerdeführers nachher gewürdigt werden müssen. Die Formulierung der Anklage hinderte den Beschwerdeführer keineswegs daran, seine Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Der Anklagegrundsatz wurde nicht verletzt.
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Erwägung 2 | |
2.1. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine offensichtlich unrichtige bzw. willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Er habe auf dem betreffenden Streckenabschnitt die Bremsen betätigt, was von der Vorinstanz zu Unrecht verneint werde. Zudem seien die Videosequenz der Überwachungskamera und die daraus entnommenen Screenshots nicht geeignet zur Beweisführung, weil darauf nicht erkennbar sei, ob die Bremslichter leuchteten.
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 143 I 310 E. 2.2; je mit Hinweis). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368).
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2.3. Die Behebung des gerügten Mangels in der Sachverhaltsfeststellung ist für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend. Selbst wenn dem Beschwerdeführer in seiner Darstellung bezüglich des Aufleuchtens der Bremslichter am betreffenden Ort gefolgt würde, wäre der vorinstanzliche Schuldspruch nicht zu beanstanden. Gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG hat der Lenker gegenüber allen Strassenbenützern einen ausreichenden Abstand zu wahren, namentlich beim Hintereinanderfahren. Er muss auch bei überraschendem Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig anhalten können (vgl. Art. 12 Abs. 1 VRV). Ebenso verhält es sich, wenn das vorausfahrende Fahrzeug wie vorliegend mit zu geringem Abstand vor dem dahinterfahrenden Fahrzeug einschwenkt. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer nicht das Entstehen des ungenügenden Abstands vor, sondern die Tatsache, in der Folge keinen genügenden Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hergestellt zu haben. Ob der Beschwerdeführer im darauffolgenden Streckenverlauf an einer Stelle abbremste, wie er dies vorbringt, ist für den Verstoss gegen Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV nicht entscheidend. Für den strafrechtlichen Vorwurf relevant ist der fehlende ausreichende Abstand, der vorliegend hinreichend erstellt ist, und der vom Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel gezogen wird. Selbst wenn mit der Darstellung des Beschwerdeführers davon auszugehen wäre, dass er die Bremsen mindestens einmal in der Folge betätigte, so bremste er jedenfalls nicht genügend ab, um einen ausreichenden Abstand herzustellen. Dies ist aus dem über längere Zeitdauer fehlenden ausreichenden Abstand zu schliessen, der mit dem Überwachungsvideo ohne Zweifel beweisbar ist. Aus diesem Grund sind auch die Rügen des Beschwerdeführers betreffend die angeblichen technischen Unzulänglichkeiten der Videoaufzeichnungen unbehelflich. Der vorinstanzliche Schuldspruch ist gestützt auf den verbindlich festgestellten Sachverhalt zu bestätigen.
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Erwägung 3 | |
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. Februar 2019
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Weber
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