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Informationen zum Dokument  BGer 9C_646/2018  Materielle Begründung
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BGer 9C_646/2018 vom 11.03.2019
 
 
9C_646/2018
 
 
Urteil vom 11. März 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin Stanger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Erdös,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2018 (IV.2017.00145).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Mit Verfügung vom 12. Februar 2009 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem 1972 geborenen A.________ rückwirkend ab dem 1. Dezember 2004 eine ganze Invalidenrente zu. Im Rahmen einer im Oktober 2009 eingeleiteten Rentenrevision wurde dieser Anspruch bestätigt (Mitteilung vom 12. April 2010).
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Mitte 2015 eröffnete die IV-Stelle ein weiteres Revisionsverfahren und holte ein orthopädisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. med. B.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, und Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie vom 7. Juni 2016 (ergänzt durch psychiatrische Stellungnahme vom 12. Juli 2016)ein. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2016 hob die IV-Stelle revisionsweise die ganze Rente auf das Ende des der Verfügungszustellung folgenden Monats auf.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Juni 2018 ab.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 29. Juni 2018 sei aufzuheben, und es seien ihm die gesetzlichen Leistungen gemäss IVG zu gewähren; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz bzw. direkt an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen mit der Verpflichtung, ein rechtskonformes Beweisverfahren durchzuführen, berufliche und medizinische Massnahmen zu prüfen und durchzuführen und abschliessend einen Einkommensvergleich vorzunehmen.
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Erwägungen:
 
1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form - unter Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden vorinstanzlichen Erwägungen (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 134 II 244 E. 2.1 S. 245f.) - darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).
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2. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2016 hob die IV-Stelle revisionsweise die bisher ausgerichtete ganze Rente auf. Weiter führte sie aus, der Versicherte könne sich bei ihr melden, wenn er Unterstützung bei der Stellensuche wünsche. Über einen weitergehenden Anspruch auf Massnahmen beruflicher Art (Art. 15 ff. IVG) hat die IV-Stelle nicht verfügt. Ebenso wenig bildete ein Anspruch auf medizinische Massnahmen (Art. 12 ff. IVG) Gegenstand der angefochtenen Verfügung. Soweit der Beschwerdeführer somit geltend macht, es seien medizinische und berufliche Massnahmen durchzuführen, ist auf die Beschwerde mangels Anfechtungsgegenstandes nicht einzutreten (BGE 131 V 164 E. 2.1 S. 164 f.; 125 V 413 E. 1 S. 414 f.). Falls der Beschwerdeführer aber sinngemäss geltend machen will, dass die Rente nicht vor Durchführung von Eingliederungsmassnahmen hätte aufgehoben werden dürfen, zeigt er in keiner Weise auf, inwiefern die Voraussetzungen hierfür erfüllt sein sollen. Der erwähnte Umstand, er sei schon lange nicht mehr im Arbeitsprozess, genügt nicht.
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3. Die Vorinstanz kam gestützt auf das orthopädisch-psychiatrische Gutachten der Dres. med. B.________ und C.________ vom 7. Juni 2016 zum Schluss, dass im Vergleichszeitraum (zwischen den beiden Verfügungen vom 12. Februar 2009 und 15. Dezember 2016) von einer revisionsrechtlich relevanten Verbesserung des Gesundheitszustandes auszugehen sei. Gemäss Expertise sei der Versicherte aufgrund einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) zu 50 % in der angestammten Tätigkeit als Küchengehilfe und zu 30 % in einer leidensangepassten Tätigkeit arbeitsunfähig. Die Vorinstanz würdigte die Aktenlage im Lichte der Grundsätze zum strukturierten Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 (vorinstanzliche Erwägungen 5.1 bis 5.3) und gelangte zum Ergebnis, dass ab Mitte 2016 keine invalidenversicherungsrechtlich relevante Gesundheitsbeeinträchtigung mehr vorgelegen habe. Selbst wenn jedoch von einer Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit von (lediglich) 70 % gemäss gutachterlicher Einschätzung ausgegangen werde, ergebe der Einkommensvergleich einen Invaliditätsgrad von unter 40 %, was keinen Rentenanspruch (mehr) begründe (Art. 28 Abs. 2 IVG).
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4. Zunächst richtet sich die Beschwerde gegen das Vorliegen eines Revisionsgrundes nach Art. 17 Abs. 1 ATSG. Dazu hat die Vorinstanz erwogen, aufgrund der Feststellungen der Dres. med. B.________ und C.________ gemäss Expertise vom 7. Juni 2016 sei insgesamt von einer Besserung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit auszugehen. Dies ergebe sich zunächst aus der von den Gutachtern attestierten, nachvollziehbar begründeten Arbeitsunfähigkeit von 50 % in der angestammten und von 30 % in einer leidensangepassten Tätigkeit, während die Experten des Medizinischen Zentrums Römerhof (MZR) im August 2008 noch eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert hätten. Zwar hätten die Gutachter Dres. med. B.________ und C.________ festgehalten, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gemäss der MZR-Expertise sei retrospektiv nicht nachvollziehbar und im psychopathologischen Befund sei kein schwer depressiv verstimmter Beschwerdeführer beschrieben worden. Jedoch sei letztlich nicht erheblich, welcher psychiatrischen Diagnose die geklagte Symptomatik zugeordnet worden sei. Denn der Vergleich der gutachterlichen Ausführungen zeige jedenfalls eine deutliche Besserung des Befindens und des Soziallebens seit 2008. Seit diesem Zeitpunkt hätten sich nicht nur die Lebensumstände des Versicherten erheblich verbessert, auch sein schwer depressiver, resignierter und ängstlicher Zustand sei einer nur noch dysthymen Mittellage bei nur gering eingeschränkten Fähigkeiten in der Alltagsbewältigung gewichen.
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4.1. Was die Feststellungen der Vorinstanz zu seinem Sozialleben angeht (vgl. auch vorinstanzliche Erwägung 3.3.2), so macht der Versicherte geltend, dass sich seine "psychosoziale Situation" seit 2014 bzw. 2016 wieder massiv verschlechtert habe. Er lebe heute wieder allein, getrennt von seiner Ehefrau und seinem Sohn, und er sei sozial isoliert.
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Bei diesem Vorbringen wie auch bei den dazugehörigen Urkunden handelt es sich um unzulässige Noven. So haben der Arztbericht der med. pract. D._______ vom 23. August 2018 und der Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 18. Juli 2018 betreffend Eheschutz/Getrenntleben als echte Noven von vornherein unberücksichtigt zu bleiben (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f.). Was die übrigen Urkunden betrifft, so legt der Versicherte nicht dar, inwiefern erst der vorinstanzliche Entscheid zu deren Beibringung Anlass gab (unechte Noven; Art. 99 Abs. 1 BGG), weshalb auch sie unbeachtet bleiben. Daran nichts zu ändern vermag die (weder näher begründete noch belegte) Beh auptung des Versicherten, der Umstand, dass er die Verschlechterung seiner Situation weder den Gutachtern Dres. med. B.________ und C.________ noch seinem Rechtsvertreter mitgeteilt habe, vermöge damit zu erklären sein, dass er "wegen fehlender Ressourcen keine (psychiatrische) Krankheitsabsicht" aufweisen könne.
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4.2. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand/seine Leistungsfähigkeit verweist der Versicherte sodann lediglich auf die Beurteilung der Gutachter Dres. med. B.________ und C.________ sowie auf die Ausführungen der IV-Stelle und des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD), ohne jedoch aufzuzeigen, inwiefern die diesbezüglichen vorinstanzlichen Erwägungen (vgl. E. 4; vgl. auch vorinstanzliche Erwägung 3.3.2) in tatsächlicher Hinsicht willkürlich oder sonstwie rechtsfehlerhaft sein sollen (E. 1). Insbesondere hat die Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich eine Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes festgestellt.
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5. Auch die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht stichhaltig:
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5.1. Soweit er sinngemäss geltend macht, die fehlende Inanspruchnahme einer psychiatrischen Behandlung dürfe ihm ohne die Durchführung eines Mahn- und Bedenkzeitverfahrens (vgl. Art. 21 Abs. 4 ATSG) nicht entgegengehalten werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Rentenleistungen nicht aufgrund einer Verletzung der Schadenminderungspflicht aufgehoben wurden, sondern weil ein Revisionsgrund bejaht wurde und kein rentenbegründender Invaliditätsgrad mehr vorliegt (vgl. Urteil 8C_165/2016 vom 29. August 2016 E. 6).
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5.2. Ins Leere zielt sein Einwand, da in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit und einen möglichen Erfolg einer psychiatrischen Behandlung eine unklare Sachlage vorgelegen habe bzw. vorliege, sei die IV-Stelle ihren Abklärungspflichten nach Art. 61 lit. c ATSG (richtig: Art. 43 Abs. 1 ATSG) nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer setzt sich weder mit der Arbeitsfähigkeitsbeurteilung gemäss Gutachten vom 7. Juni 2016 noch mit der Feststellung des kantonalen Gerichts auseinander, wonach die Experten die Arbeitsfähigkeit nachvollziehbar begründet hätten (vgl. E. 3 und 4 in initio). Ebenso wenig findet eine Auseinandersetzung mit der vorinstanzlichen Feststellung statt, wonach gemäss Einschätzung der Experten eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung in der Muttersprache erfolgsversprechend und medizinisch zumutbar sei.
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5.3. Unbehelflich sind sodann die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Aggravationshinweisen gemäss Gutachten der Dres. med. B.________ und C.________. Insbesondere unklar ist, was er mit seinem Einwand erreichen will, der Expertise könne nicht entnommen werden, dass aufgrund einer Aggravation "keine fachlichen Einschätzungen hätten gemacht werden können". Solches hat die Vorinstanz nicht festgestellt.
15
5.4. Schliesslich orientiert sich die Expertise - entgegen der Auffassung des Versicherten - an den Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 (Gutachten S. 26 ff.) und die Vorinstanz hat die medizinische Aktenlage im Lichte dieser Indikatoren gewürdigt (vgl. E. 3).
16
Zur konkreten Durchführung des strukturierten Beweisverfahrens durch das kantonale Gericht äussert sich der Beschwerdeführer mit keinem Wort. Gleiches gilt für die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung. Es besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung.
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6. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und daher im vereinfachten Verfahren mit summarischer Begründung nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG zu erledigen.
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7. Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 11. März 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Die Gerichtsschreiberin: Stanger
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