BGer 9C_7/2019 | |||
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BGer 9C_7/2019 vom 05.04.2019 |
9C_7/2019 |
Urteil vom 5. April 2019 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Peter A. Iten,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zug,
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Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 29. November 2018 (S 2018 79).
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Sachverhalt: |
A. | |
A.a. Der 1978 geborene A.________ war bis Mitte Januar 1996 als Bauhandlanger tätig gewesen, bevor er sich Ende September 1996 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug anmeldete, dies unter Hinweis auf die Folgen einer Knieoperation beidseits. Nach medizinischen und beruflichen Abklärungen sprach ihm die IV-Stelle Zug aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrades von 89 % mit Wirkung ab 1. August 2000 eine ganze Invalidenrente zu (Verfügung vom 7. Februar 2002).
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A.b. Mit Verfügung vom 23. März 2007 setzte die IV-Stelle die Rente des Versicherten nach Ermittlung eines Invaliditätsgrades von neu 56 % mit Wirkung ab 1. Mai 2007 revisionsweise auf eine halbe herab. Sie ging davon aus, dass A.________ zwar auf dem Bau weiterhin voll arbeitsunfähig war, eine körperlich leichte, vorwiegend sitzende Tätigkeit aber im Umfang von 50 % hätte ausüben können. Eine vom Versicherten gegen die Rentenherabsetzung erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 29. April 2008 ab.
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A.c. Im Rahmen eines 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens hob die IV-Stelle die Rente auf (ermittelter Invaliditätsgrad: 12 %), nachdem sich ergeben hatte, dass A.________ in einer angepassten Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig war (Verfügung vom 7. Juli 2014). Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies die vom Versicherten eingereichte Beschwerde ab (Entscheid vom 24. September 2015) und das Bundesgericht trat auf das dagegen erhobene Rechtsmittel nicht ein (Urteil vom 9. November 2015).
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A.d. Am 13. März 2017 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle trat auf sein Begehren nicht ein. Die entsprechende Verfügung vom 6. Juni 2017 blieb unangefochten.
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A.e. Als A.________ am 30. Mai 2018 eine weitere Neuanmeldung einreichte, holte die Verwaltung bei RAD-Arzt Dr. med. B.________, Facharzt für Allgemeinmedizin (D), eine Stellungnahme ein (erstattet am 5. Juni 2018). Vorbescheidweise eröffnete sie dem Versicherten am 7. Juni 2018, sie werde auf sein Leistungsgesuch nicht eintreten. Auf seinen Einwand hin verfügte sie am 12. Juli 2018 wie vorbeschieden.
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B. Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die Neubeurteilung durch die IV-Stelle beantragen. Mit Entscheid vom 29. November 2018 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Beschwerde ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Sache gegebenenfalls zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen: | |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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Erwägung 2 | |
2.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es das von der IV-Stelle am 12. Juli 2018 verfügte Nichteintreten auf die Neuanmeldung des Versicherten vom 30. Mai 2018 bestätigte.
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2.2. Im angefochtenen Entscheid werden die hier massgebenden Bestimmungen über die Neuanmeldung nach Verweigerung der Invalidenrente aufgrund eines zu geringen Invaliditätsgrades (Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen, wonach der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 bzw. Art. 61 lit. c ATSG) erst zum Tragen kommt, wenn die versicherte Person eine massgebliche Änderung ihres Gesundheitszustands seit der letzten rechtskräftigen Leistungsverweigerung glaubhaft gemacht hat (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil 9C_353/2017 vom 25. Juli 2017 E. 2). Darauf wird verwiesen.
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2.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung nach Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft gemacht ist, stellt eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage dar. Um eine Frage rechtlicher Natur handelt es sich hingegen, wenn zu beurteilen ist, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen zu stellen sind (Urteil 9C_570/2018 vom 18. Februar 2019 E. 2.2.2 mit Hinweis).
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Erwägung 3 | |
3.1. Die Vorinstanz erwog, nach den mit der Neuanmeldung vom 30. Mai 2018 eingereichten medizinischen Unterlagen (Sprechstundenbericht der Klinik C.________, Kniechirurgie, vom 25. Januar 2018 und Arztzeugnis der Dr. med. D.________, Fachärztin Innere Medizin, vom 9. März 2018) leide der Versicherte an den gleichen Gesundheitsstörungen wie im Zeitpunkt der rentenaufhebenden Verfügung vom 7. Juli 2014. Der Beschwerdeführer habe damit eine anspruchserhebliche Tatsachenänderung in der Zeit nach dem 7. Juli 2014 nicht glaubhaft gemacht. Die IV-Stelle sei auf sein Gesuch zu Recht nicht eingetreten.
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3.2. Der Versicherte bringt vor, im angefochtenen Entscheid sei der Sachverhalt willkürlich festgestellt und das Recht willkürlich angewendet worden. Seine körperliche Verfassung habe sich in den letzten Jahren stetig verschlechtert und die Schmerzen in den Knien, im Rücken sowie in den Schultern hätten zugenommen. Zur Knieproblematik äussert er sich nicht weiter; er beschränkt sich darauf, eine Verschlimmerung zu behaupten. Inwiefern die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung, wonach der Bericht der Klinik C.________ vom 25. Januar 2018 keine Hinweise auf eine seit der Untersuchung durch Dr. med. E.________, FMH Innere Medizin (Gutachten vom 4. Juli 2013), eingetretene diesbezügliche Verschlechterung enthält, offensichtlich unrichtig sein soll, vermag er damit nicht darzutun. Soweit der Beschwerdeführer sodann Schulterbeschwerden geltend macht, finden sich keinerlei Hinweise darauf in den mit der Neuanmeldung eingereichten Berichten. Was schliesslich die Rückenschmerzen anbelangt, stützt sich der Versicherte sinngemäss auf die im Sprechstundenbericht vom 25. Januar 2018 aufgeführte Lumbalgie. Wie die Vorinstanz diesbezüglich nicht offensichtlich unrichtig und damit verbindlich festgestellt hat, ist eine gesundheitliche Verschlechterung dadurch nicht glaubhaft gemacht, weil bereits Dr. med. E.________ im Gutachten vom 4. Juli 2013 ein Panvertebralsyndrom, betont lumbal, wenn auch ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, festgehalten hat und weil die Diagnose im Übrigen nicht durch objektive Befunde abgestützt ist, sondern alleine auf den Angaben des Versicherten beruht. Zusammenfassend ergibt sich, dass mit den der Neuanmeldung beigelegten ärztlichen Stellungnahmen eine Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht ist, weil sich die behauptete Tatsache aus diesen Unterlagen nicht einmal ansatzweise ergibt. Die in der Beschwerde erhobene Kritik, die Vorinstanz habe das falsche Beweismass angewendet, d.h. zu hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt, ist unbegründet.
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3.3. Weiter beanstandet der Versicherte als "nicht rechtmässig", dass das kantonale Gericht seinen am 2. August 2018 begonnenen Arbeitsversuch bei der Firma F.________ für nicht entscheidrelevant hielt. Seiner Auffassung nach ist das Ergebnis dieser praktischen Erprobung seiner Leistungsfähigkeit in die Beurteilung miteinzubeziehen. Im letztinstanzlichen Verfahren gibt er dazu eine Stellungnahme der Firma F.________ vom 8. November 2018 zu den Akten. Selbst wenn diese Einschätzung als neues Beweismittel zulässig wäre (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG), könnte der Versicherte daraus (unabhängig von ihrem Inhalt) nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn das Vorgehen der Vorinstanz steht im Einklang mit dem Grundsatz, dass die Gerichte der beschwerdeweisen Überprüfung der Nichteintretensverfügung den Sachverhalt zugrunde legen, wie er sich der Verwaltung darbot (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil 9C_570/2018 vom 18. Februar 2019 E. 3.2.2; 8C_389/2018 vom 8. Januar 2019 E. 4.2). Davon wäre nur abzuweichen, wenn die IV-Stelle das Neuanmeldeverfahren in formeller Hinsicht nicht bundesrechtskonform durchgeführt hätte (Urteile 9C_570/2018 vom 18. Februar 2019 E. 3.2.2 mit Hinweis), was hier nicht der Fall ist. Ohnehin aber geht es um einen Arbeitsversuch, welchen der Versicherte im Zeitpunkt der Nichteintretensverfügung (am 12. Juli 2018) noch nicht einmal begonnen hatte. Dass die Vorinstanz allfällige im Rahmen dieser Tätigkeit gewonnene Erkenntnisse als für das vorliegende Verfahren irrelevant betrachtet hat, ist deshalb bundesrechtskonform.
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3.4. Fehlt es nach dem Gesagten an der Glaubhaftmachung der Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse, war die IV-Stelle entgegen dem Beschwerdeführer auch nicht verpflichtet, bei den behandelnden Ärzten weitere Berichte einzuholen (vgl. dazu BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; Urteil 9C_353/2017 vom 25. Juli 2017 E. 2). Der an die Adresse der Verwaltung gerichtete Vorwurf, sie habe willkürlich gehandelt, indem sie auf entsprechende Abklärungen verzichtet habe, ist unbegründet.
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3.5. Zusammenfassend ergibt sich, dass der vorinstanzliche Entscheid, wonach der Versicherte eine anspruchserhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in der Neuanmeldung nicht glaubhaft gemacht hat und die IV-Stelle deshalb zu Recht nicht auf sein Begehren eingetreten ist, mit dem Bundesrecht im Einklang steht.
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4. Entsprechend dem Verfahrensausgang werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 5. April 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann
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