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Informationen zum Dokument  BGer 9C_192/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_192/2019 vom 25.04.2019
 
 
9C_192/2019
 
 
Urteil vom 25. April 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Gebert,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau,
 
Ausgleichskasse, EL-Stelle, St. Gallerstrasse 13, 8501 Frauenfeld,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 30. Januar 2019 (VV.2018.213/E) und den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. Juni 2018 (EL 2017/50).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1953 geborene A.________ bezieht seit November 2008 Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente, seit 1. Februar 2015 zur vorgezogenen Altersrente. Nachdem die Ausgleichskasse festgestellt hatte, dass A.________ Rentenzahlungen aus Deutschland erhielt, die bei der EL-Berechnung nicht berücksichtigt worden waren, setzte sie die Ergänzungsleistungen mit Verfügung vom 4. Mai 2016 rückwirkend auf den 1. Februar 2015 herab und forderte Fr. 24'140.- zurück. Dagegen erhob A.________ Einsprache. Bis Ende September 2017 war A.________ im Kanton Thurgau, ab 1. Oktober 2017 im Kanton St. Gallen wohnhaft. Mit Entscheid vom 17. November 2017 änderte die Ausgleichskasse die Verfügung zu Ungunsten der Leistungsbezügerin ab.
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B. Die gegen diesen Einspracheentscheid gerichtete Eingabe von A.________ überwies die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau zuständigkeitshalber als Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. Dieses trat mit Entscheid vom 20. Juni 2018 auf die Beschwerde mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein und überwies die Sache nach Eintritt der Rechtskraft zur weiteren Behandlung an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Dieses gewährte den Parteien Gelegenheit, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen, wovon sie keinen Gebrauch machten. Das Bundesamt für Sozialversicherungen wies auf einen gleichartigen Fall hin, der beim Bundesgericht hängig sei, worauf der Präsident des Verwaltungsgerichts das Verfahren am 9. Oktober 2018 sistierte. Nachdem das Bundesgericht am 18. Dezember 2018 im Verfahren 9C_260/2018 entschieden hatte, setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren fort. Es stellte fest, örtlich unzuständig zu sein. Eine Überweisung an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen falle jedoch nicht in Betracht; dieses habe am 20. Juni 2018 bereits einen Nichteintretensentscheid zufolge örtlicher Unzuständigkeit erlassen. A.________ müsse daher gegen den vorliegenden Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde führen, womit auch der Nichteintretensentscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen als angefochten gelte. Dementsprechend trat das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 30. Januar 2019 auf die Beschwerde der A.________ zufolge örtlicher Unzuständigkeit nicht ein.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, die Nichteintretensentscheide des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. Juni 2018 und des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 30. Januar 2019 seien aufzuheben und es sei über die Zuständigkeit zur Beurteilung der Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau zu entscheiden; die Sache sei zu materieller Entscheidung an die zuständige Instanz zu überweisen. Ferner ersucht sie um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Erwägungen:
 
1. Nach dem im Abschnitt Rechtspflegeverfahren unter der Überschrift "Zuständigkeit" stehenden Art. 58 Abs. 3 ATSG überweist die Behörde, die sich als unzuständig erachtet, die Beschwerde ohne Verzug dem zuständigen Versicherungsgericht. Mit der Einreichung der Beschwerde bei der unzuständigen Behörde wird die Beschwerdefrist gewahrt (Art. 60 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 2 ATSG). Dabei kann das sich als unzuständig betrachtende kantonale Versicherungsgericht sich darauf beschränken, die Sache an das als zuständig betrachtete Versicherungsgericht eines anderen Kantons weiterzuleiten. Unabhängig davon, ob das erste Gericht die Beschwerde formlos weiterleitet oder einen förmlichen Nichteintretensentscheid erlässt, welcher von der rechtsuchenden Person im Hinblick auf die vorgenommene Weiterleitung der Sache an das zweite Gericht unangefochten blieb, ist bei Verneinung der örtlichen Zuständigkeit in einem Nichteintretensentscheid des zweiten Gerichts im Rahmen des dagegen eingeleiteten Beschwerdeverfahrens die Zuständigkeit beider in Frage kommenden Gerichte vom Bundesgericht ohne Bindung an den Nichteintretensentscheid des ersten kantonalen Gerichts zu prüfen. Da bei fehlender Zuständigkeit des zweiten Gerichts keine Instanz nach Art. 58 ATSG zur Verfügung stünde, kann bei einer solchen Verfahrenskonstellation der Nichteintretensentscheid des ersten kantonalen Gerichts nicht rechtskräftig werden (BGE 143 V 363 E. 2 S. 365 f.; 135 V 153 E. 1.2 S. 155 f.).
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2. 
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2.1. Gemäss Art. 58 Abs. 1 ATSG (in Verbindung mit Art. 1 ELG) ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem die versicherte Person oder der Beschwerde führende Dritte zur Zeit der Beschwerdeerhebung Wohnsitz hat. In BGE 139 V 170 E. 5.3 S. 175 hat das Bundesgericht bestätigt, dass zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit an den Wohnsitz der versicherten Person anzuknüpfen ist. Daran hat das Gericht in dem von der Vorinstanz zitierten Urteil 9C_260/2018 vom 18. Dezember 2018 festgehalten, wobei es sich mit den vom Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im damals angefochtenen Entscheid vom 15. Januar 2018 vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt hat. Ein Grund, weshalb das Bundesgericht vom damaligen Urteil abweichen sollte, ist nicht erkennbar. Die vom Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im Entscheid vom 20. Juni 2018 wiederholten Argumente, so die Übereinstimmung der örtlichen Zuständigkeit von EL-Stelle und überprüfendem Versicherungsgericht sowie die kantonale Zuständigkeit zum Erlass von Normen im EL-Bereich, was beim Gerichtsstand zu berücksichtigen sei, vermögen kein anderes Ergebnis herbeizuführen.
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2.2. Ein Abweichen vom Wortlaut des Art. 58 Abs. 1 ATSG, was einer Änderung der Rechtsprechung gleichkäme (vgl. zu deren Voraussetzungen BGE 142 IV 1 E. 5.2 S. 3; 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303 mit Hinweisen), lässt sich auch nicht durch die weiteren Ausführungen im Nichteintretensentscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen rechtfertigen. Dass dieses thurgauisches EL-Recht anzuwenden, z. B. die Höchstbeträge der Heimtaxen oder die kantonalen Krankheits- und Behinderungskosten zu überprüfen hätte, wird im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht. Falls sich diese Frage in einem konkreten Fall tatsächlich stellen sollte, wird seitens der zuständigen Instanzen darüber zu befinden sein. Von der gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung abzuweichen, weil in einem rein hypothetischen Einzelfall unter sehr besonderen Umständen die im Entscheid des Versicherungsgerichts geschilderte Konstellation eintreten könnte (Umzug einer EL-beziehenden Person in einen anderen Kanton; Beschwerde gegen eine auf dem Recht des früheren Wohnsitzkantons beruhende EL-Verfügung der EL-Stelle des früheren Wohnsitzkantons beim Versicherungsgericht des neuen Wohnsitzkantons), verletzt Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). Weitere Auslegungselemente wie die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck von Art. 58 Abs. 1 ATSG, wie sie vom Versicherungsgericht aufgefasst werden, bilden keine Grundlage, um unter den vorliegenden Gegebenheiten vom Wortlaut der Bestimmung abzuweichen.
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3. Da die EL-Bezügerin bei Einreichung der Beschwerde ("Einspruch") bei der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau am 25. November 2017 ihren Wohnsitz im Kanton St. Gallen hatte, ist laut Art. 58 Abs. 1 ATSG das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zur Beurteilung der Beschwerde zuständig.
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4. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird von einem Schriftenwechsel abgesehen (Art. 102 Abs. 1 BGG).
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5. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der das prozessuale Kostenrisiko tragenden Ausgleichskasse des Kantons Thurgau aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit ist das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1. In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. Juni 2018 aufgehoben und die Sache wird an dieses zurückgewiesen, damit es materiell über die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau vom 17. November 2017 entscheide.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
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3. Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 25. April 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Der Gerichtsschreiber: Widmer
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