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Informationen zum Dokument  BGer 9C_34/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_34/2019 vom 25.04.2019
 
 
9C_34/2019
 
 
Urteil vom 25. April 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Williner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dieter Studer,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
 
vom 28. November 2018 (IV 2018/20).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1961 geborene A.________ war zuletzt ab Mai 2010 im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprogramms der B.________ in einer C.________ tätig. Im September 2011 meldete sie sich wegen einer im Alter von drei Jahren beidseits operierten Hüftluxation, einer Beinlängenverkürzung links, Arthrosen in Hüft- und Kniegelenken sowie Sehnen- und Muskelverkürzungen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) tätigte verschiedene Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht; namentlich veranlasste sie eine bidisziplinäre sowie zwei polydisziplinäre Begutachtungen (Expertisen der Medizinisches Gutachtenzentrum Region St. Gallen GmbH [MGSG] vom 5. September 2013 und vom 4. Juli 2016 sowie der PMEDA Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen vom 19. Juni 2017). Nachdem die IV-Stelle das Leistungsbegehren betreffend berufliche Massnahmen bereits am 2. September 2015 abschlägig beschieden hatte, verneinte sie nach entsprechendem Vorbescheid auch den Anspruch auf eine Invalidenrente (Verfügung vom 23. November 2017; Invaliditätsgrad 0 %).
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B. Die gegen die Verfügung vom 23. November 2017 erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ab (Entscheid vom 28. November 2018).
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu ergänzenden Abklärungen und Neubeurteilung, eventualiter die Zusprache einer ganzen Invalidenrente ab März 2012.
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Erwägungen:
 
1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form - unter Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden vorinstanzlichen Erwägungen (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.) - darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).
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2. Streitig ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente. Das kantonale Gericht legte die massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Es betrifft dies namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) sowie zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG). Richtig sind auch die Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
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Zu ergänzen ist, dass der Abschluss einer Berufsausbildung als Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen im Sinne von Art. 26 Abs. 1 IVV zu betrachten ist. Dazu gehören auch Anlehren, wenn sie auf einem besonderen, der Invalidität angepassten Bildungsweg ungefähr die gleichen Kenntnisse vermitteln wie eine eigentliche Lehre oder eine ordentliche Ausbildung und der versicherten Person in Bezug auf den späteren Verdienst praktisch die gleichen Möglichkeiten eröffnen. Kann die versicherte Person die in der Anlehre erworbenen zureichenden beruflichen Kenntnisse auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt verwerten, spricht dies grundsätzlich gegen eine Frühinvalidität (vgl. Urteil 9C_644/2018 vom 27. Februar 2019 E. 2.2 mit Hinweisen).
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3. Die Vorinstanz verneinte einen invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden primär gestützt auf das (implizit) als beweiskräftig beurteilte Gutachten der PMEDA vom 19. Juni 2017. Gestützt darauf sei die Beschwerdeführerin spätestens seit dem Gutachten in der zuletzt ausgeübten sowie in jeder vergleichbaren Tätigkeit oder einer anderen, körperlich leichten, wechselbelastenden oder überwiegend sitzenden einfachen Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts uneingeschränkt arbeitsfähig. Eine mehr als 10%ige Limitierung in adaptierter Tätigkeit zwischen Januar 2013 und der Begutachtung in der PMEDA sei zudem gestützt auf die Expertise der MGSG vom 4. Juli 2016 nicht überwiegend wahrscheinlich. Das kantonale Gericht erwog, Validen- und Invalideneinkommen seien anhand der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) zu ermitteln. Auf einen konkreten Einkommensvergleichs verzichtete es mit der Begründung, es resultiere daraus ohnehin kein rentenbegründender Invaliditätsgrad.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Beschwerdeführerin macht "erhebliche Zweifel" an der psychiatrischen Expertise des Dr. med. D.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 19. Juni 2017 geltend, womit sie deren Beweiswert in Frage stellt. Zur Begründung verweist sie auf abweichende Einschätzungen der sie behandelnden Dres. med. E.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, und med. F.________, FMH Neurologie, sowie auf die von ersterem im Bericht vom 22. August 2017 geäusserte Kritik am Gutachten. Mit diesen Rügen lässt sie ausser Acht, dass es die unterschiedliche Natur von Behandlungs- und Begutachtungsauftrag nicht zulässt, ein Administrativgutachten stets dann in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn behandelnde Ärzte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (vgl. statt vieler: SVR 2017 IV Nr. 49 S. 148, 9C_338/2016 E. 5.5). Solche Aspekte gehen weder aus dem Bericht des Dr. med. E.________ vom 5. Oktober 2016 noch aus jenem des Dr. med. F.________ vom 23. September 2016 hervor. Dr. med. D.________ hatte sich denn in seiner Expertise auch ausführlich mit den bei den Akten liegenden (abweichenden) fachärztlichen Einschätzungen auseinandergesetzt, insbesondere mit jenen des behandelnden Psychiaters. Darauf nimmt die Beschwerdeführerin keinerlei Bezug. Neue, bisher unerkannt oder ungewürdigt gebliebene Aspekte gehen auch aus dem erst nach der Begutachtung erstellten Bericht des Dr. med. E.________ vom 22. August 2017 nicht hervor.
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Darüber hinaus bestreitet die Beschwerdeführerin den Beweiswert der Expertise der PMEDA vom 19. Juni 2017 nicht. Sie bringt auch nichts gegen das Gutachten der MGSG vom 4. Juli 2016 vor, auf welches die Vorinstanz im Rahmen ihrer retrospektiven Einschätzung Bezug genommen hat. Weiterungen dazu erübrigen sich.
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4.2. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin bezüglich des festgestellten medizinischen Sachverhalts erschöpfen sich weitgehend in einer appellatorischen, im Rahmen der gesetzlichen Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts unzulässigen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung und der dieser zugrunde liegenden Arztberichte und Gutachten. Es betrifft dies insbesondere die Rüge, die Vorinstanz habe der Komplexität der verminderten Intelligenz im Zusammenhang mit dem körperlichen Geburtsgebrechen und der mehrjährigen Depressivität nicht Rechnung getragen. Das kantonale Gericht hat sich mit den relevanten bei den Akten liegenden medizinischen Berichten und Gutachten auseinandergesetzt und - insbesondere unter Hinweis auf die Expertise der PMEDA - dargelegt, weshalb weder eine relevante Minderintelligenz (wohl aber eine leicht unterdurchschnittliche Intelligenz) noch im massgebenden Zeitraum ein relevantes depressives Geschehen vorgelegen haben. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin nicht ansatzweise auseinander (zur Begründungspflicht vgl. E. 1 hievor).
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4.3. Wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, ist für die Bemessung des Invaliditätsgrades die Arbeitsfähigkeit in adaptierter Tätigkeit massgebend. Für eine solche ist die Beschwerdeführerin nach verbindlicher Feststellung des kantonalen Gerichts nicht eingeschränkt. Mit Blick darauf ist auf ihren Einwand, bei der letzten Tätigkeit habe es sich um keinen Arbeitsplatz gehandelt, der den rechtsprechungsgemässen Kriterien des ersten bzw. ausgeglichenen Arbeitsmarktes entspreche, mangels Relevanz nicht näher einzugehen. Dasselbe gilt für die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Rügen betreffend die unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Verletzung der Beweiswürdigungsregeln.
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4.4. Das kantonale Gericht bejahte angesichts der von der Beschwerdeführerin absolvierten Anlehre zur Vorhangnäherin, ihrem 2009 erlangten Bürofachdiplom sowie ihrer nahezu ununterbrochenen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt von 1980 bis 2009 den Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen im Sinne von Art. 26 Abs. 1 IVV. Diese Beweiswürdigung sowie die ihr zugrunde liegenden Tatsachen kann das Bundesgericht - anders als die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399 geltend macht - nur eingeschränkt überprüfen (vgl. E. 1 hievor). Inwiefern der vorinstanzliche Schluss auf das Fehlen einer Frühinvalidität offensichtlich unrichtig sein soll, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, weshalb es dabei sein Bewenden hat.
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5. Demnach hat das kantonale Gericht mit der Verneinung des Rentenanspruchs kein Bundesrecht verletzt. Bei diesem Ergebnis besteht kein Anlass für die beantragten weiteren medizinischen Abklärungen.
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6. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 25. April 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Williner
 
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