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Informationen zum Dokument  BGer 9C_27/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_27/2019 vom 27.06.2019
 
 
9C_27/2019
 
 
Urteil vom 27. Juni 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, nebenamtlicher Bundesrichter Brunner,
 
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokat Dr. Thomas Wyler,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 22. November 2018 (VBE.2018.157).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1969 geborene A.________ bezog vom 1. September 2001 bis zum 31. Oktober 2003 eine halbe Rente (Härtefallrente) resp. eine Viertelsrente der Invalidenversicherung. Im Juni 2009 ersuchte A.________ um einen (Elektro-) Rollstuhl, im Oktober 2009 um Hilflosenentschädigung; die IV-Stelle des Kantons Aargau wies die Gesuche mit Verfügungen vom 23. November 2009 und 13. April 2010 ab. Im April 2010 meldete sich die Versicherte erneut zum Leistungsbezug (berufliche Integration/Rente) an. Nach Abklärungen - insbesondere Einholung des psychiatrischen Gutachtens des Dr. med. B.________ vom 3. Mai 2013 - verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 1. Juli 2013 einen Leistungsanspruch mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens.
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Im Juni 2015 meldete sich A.________ wiederum zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle traf Abklärungen und holte im Verlauf des Vorbescheidverfahrens insbesondere die interdisziplinäre Expertise des Zentrums für Interdisziplinäre Medizinische Begutachtungen (ZIMB) vom 19. Mai 2017 ein. Mit Verfügung vom 25. Januar 2018 verneinte die IV-Stelle abermals einen Leistungsanspruch; zur Begründung führte sie u.a. einen seit dem 1. Juli 2013 unveränderten Gesundheitszustand an.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 22. November 2018 ab.
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C. A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 22. November 2018 und der Verfügung vom 25. Januar 2018 sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr eine ganze Invalidenrente ab 1. Juni 2015 auszurichten, und die Angelegenheit sei zur Rentenberechnung an die Verwaltung zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
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1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat. Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 144 V 50 E. 4.2 S. 53 mit Hinweisen; Urteil 9C_752/2018 vom 12. April 2019 E. 1.2).
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1.3. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit sowie bei der konkreten Beweiswürdigung handelt es sich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dagegen sind frei überprüfbare Rechtsfragen etwa jene nach der Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) und den Anforderungen an die Beweiskraft ärztlicher Berichte und Gutachten (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352).
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2. Bei einer Neuanmeldung zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung finden die Grundsätze zur Rentenrevision analog Anwendung (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV [SR 831.201]; BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77), weshalb zunächst eine anspruchsrelevante Veränderung des Sachverhalts (zum massgebenden zeitlichen Referenzpunkt vgl. BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114) erforderlich ist. Erst in einem zweiten Schritt ist der (Renten-) Anspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (BGE 141 V 9; Urteile 9C_247/2017 vom 7. August 2017 E. 2.1; 9C_894/2015 vom 25. April 2016 E. 5 und 6.4). Eine lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts ist im revisionsrechtlichen Kontext nicht massgeblich (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).
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3. Die Vorinstanz hat auf das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 3. Mai 2013, die ZIMB-Expertise vom 19. Mai 2017 und die Stellungnahmen der Dr. med. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie beim Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), vom 14. August 2017 und 18. Januar 2018 verwiesen und festgestellt, im Vergleich zum Gesundheitszustand der Versicherten bei Erlass der Verfügung vom 1. Juli 2013 sei hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit - bei im Wesentlichen unveränderten medizinischen Befunden - lediglich von einer anderen Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts auszugehen. Folglich hat das kantonale Gericht einen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 ATSG und einen Rentenanspruch verneint.
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Erwägung 4
 
4.1. Das kantonale Gericht hat der ZIMB-Expertise im Grundsatz Beweiskraft (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) zuerkannt; dennoch ist es von der darin enthaltenen Beantwortung der - entscheidenden (E. 2) - Frage nach der Veränderung des Gesundheitszustandes resp. der Arbeitsfähigkeit abgewichen. Damit hat es berücksichtigt, dass es sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen darf (vgl. BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306 f.; 140 V 193 E. 3 S. 194 ff.; Urteil 8C_255/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 4.4; je mit Hinweisen). Darin liegt kein Widerspruch.
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4.2. Die ZIMB-Experten hielten zwar fest, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten seit der Begutachtung durch Dr. med. B.________ "deutlich verschlechtert" habe. Diesen Schluss begründeten sie aber lediglich mit den Angaben der Versicherten; insbesondere setzten sie sich weder mit den von Dr. med. B.________ erhobenen Befunden noch mit der (zur Kenntnis genommenen) Auffassung der RAD-Ärztin, die keine nennenswerte Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes erkannt hatte, auseinander.
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Anders als die Versicherte anzunehmen scheint, genügt für die Anerkennung eines verschlechterten Gesundheitszustandes nicht, dass die ZIMB-Experten im Vergleich zu Dr. med. B.________ eine höhere Arbeitsunfähigkeit attestierten oder dass sie abweichende Diagnosen stellten. Notwendig ist vielmehr eine veränderte Befundlage (E. 2; vgl. auch Urteile 9C_561/2018 vom 8. Februar 2019 E. 5.3.2.1; 8C_419/2018 vom 11. Dezember 2018 E. 4.3). Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem im ZIMB-Gutachten erwähnten Umstand, dass die Beschwerdeführerin "völlig abgeschottet" in einer Bergpension lebe, kaum in der Lage sei, sich selbst zu versorgen, und die Beeinträchtigung "mittlerweile massiv" sei: Dr. med. B.________ nahm eine Beurteilung des Längsverlaufs vor und berücksichtigte bereits dabei nicht nur verschiedene Klinikaufenthalte, sondern u.a. auch, dass die Versicherte nicht in der Lage gewesen war, selbst einen eigenen Haushalt zu führen, umfangreiche Unterstützung in Anspruch genommen und über mehr als zwei Jahre mit ihrem Sohn bei ihren Eltern gelebt hatte. Ein rechtsgenüglicher Nachweis einer veränderten Befundlage lässt sich auch den Schreiben der Bergpension D.________ vom 11. September 2017 und der Klinik E.________ vom 24. Juli und 24. August 2018 - soweit sie denn den hier massgebenden Vergleichszeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 25. Januar 2018 betreffen - nicht entnehmen.
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4.3. Es stellt keine Verletzung der "Beweiswerthierarchie" dar, dass die Vorinstanz ihre Feststellung des unveränderten Gesundheitszustandes auch auf die Stellungnahmen der RAD-Ärztin abgestützt hat. Bei diesen handelt es sich um zulässige Beurteilungen im Rahmen von Art. 49 Abs. 1 IVV (i.V.m. Art. 59 Abs. 2bis IVG), die für den Ausgang des angefochtenen Entscheids weder allein ausschlaggebend noch notwendig waren. Aus dem von der Beschwerdeführerin angerufenen Urteil 8C_756/2008 vom 4. Juni 2009 (SVR 2009 IV Nr. 50 S. 153) ergibt sich somit nichts zu ihren Gunsten.
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4.4. Die mit Erlass des Urteils BGE 141 V 281 vom 3. Juni 2015 geänderte Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen, die auch auf andere psychische Störungen anwendbar ist (vgl. BGE 143 V 418 und 409), betrifft die materielle Beurteilung des umstrittenen Rentenanspruchs. Für die sich bei einer Neuanmeldung vorab stellende Frage nach einer erheblichen Sachverhaltsveränderung (E. 2) lässt sich daraus nichts ableiten. Zudem stellt die Praxisänderung für sich allein keinen Neuanmeldungs- bzw. Revisionsgrund dar und sie gibt auch nicht Anlass zu einer Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG (BGE 141 V 585 E. 5 S. 587 ff.).
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4.5. Nach dem Gesagten kann im Zusammenhang mit der vorinstanzlichen Feststellung eines unveränderten Sachverhalts von Willkür - soweit diesbezüglich überhaupt von einer genügenden Beschwerdebegründung auszugehen ist - keine Rede sein (E. 1.2). Die Feststellung beruht auch nicht auf einer (anderen) Rechtsverletzung, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleibt (E. 1.1). Damit ist ein Rentenanspruch ausgeschlossen; die Beschwerde ist unbegründet.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 27. Juni 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann
 
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