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Informationen zum Dokument  BGer 8C_261/2019  Materielle Begründung
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BGer 8C_261/2019 vom 08.07.2019
 
 
8C_261/2019
 
 
Urteil vom 8. Juli 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
AXA Versicherungen AG,
 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus
 
vom 14. März 2019 (VG.2018.00110).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1963 geborene A.________ war seit dem 1. November 2016 bei der Stiftung B.________ als kaufmännische Angestellte tätig und somit bei der AXA Versicherungen AG (nachfolgend: AXA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 29. Januar 2015, als A.________ mit ihrem Personenwagen auf dem Weg zur Arbeit war, fuhr sie ein nicht vortrittsberechtigtes Auto von der linken Seite an. Durch die Wucht der Kollision schlug sie den Kopf am Seitenfenster ihres Wagens an. Nachdem dieser abgeschleppt worden war, begab sich die Versicherte mit dem Zug zur Arbeit. Am Folgetag fand eine medizinische Erstkonsultation statt. Ihr Hausarzt, Dr. med. C.________, Facharzt für Allgemeinmedizin FMH, diagnostizierte ein leichtes Schädelhirntrauma, eine HWS-Distorsion sowie diverse Prellungen und attestierte ihr ab dem 11. Februar 2015 eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit. Nach medizinischen Abklärungen stellte die AXA die Versicherungsleistungen, insbesondere gestützt auf die Aktenbeurteilung des Dr. med. D.________, Vertrauensarzt und Facharzt Neurologie FMH, vom 22. August 2017, rückwirkend per 1. September 2016 ein, wobei sie auf eine Rückforderung der über dieses Datum hinaus erbrachten Leistungen verzichtete (Verfügung vom 14. November 2017). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 17. September 2018 fest.
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B. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 14. März 2019 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Angelegenheit an die Vorinstanz, eventuell an die Beschwerdegegnerin, zurückzuweisen, und zwar zu neuem Entscheid bzw. zur neuen Verfügung unter Anwendung der Praxis gemäss BGE 141 V 281.
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Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Aufgrund der Vorbringen der Beschwerdeführerin ist einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die Einstellung der Versicherungsleistungen per 16. September 2016 schützte, ohne einen weitergehenden Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 zu prüfen.
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3. Die Zusprechung von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung setzt grundsätzlich einen Berufsunfall, einen Nichtberufsunfall oder eine Berufskrankheit voraus (Art. 6 Abs. 1 UVG). Der Unfallversicherer haftet jedoch für einen Gesundheitsschaden nur insoweit, als dieser nicht nur in einem natürlichen, sondern auch in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum versicherten Ereignis steht (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E. 3 S. 181). Dabei spielt die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 134 V 109 E. 2 S. 111 f.; 127 V 102 E. 5b/bb S. 103). Objektivierbar sind Untersuchungsergebnisse, die reproduzierbar und von der Person des Untersuchenden und den Angaben des Patienten unabhängig sind. Von organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann somit erst dann gesprochen werden, wenn die erhobenen Befunde mit apparativen/bildgebenden Abklärungen bestätigt wurden und die hierbei angewendeten Untersuchungsmethoden wissenschaftlich anerkannt sind (BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251; Urteil 8C_387/2018 vom 16. November 2018 E. 3.3). Sind die geklagten Beschwerden natürlich unfallkausal, nicht aber in diesem Sinne objektiv ausgewiesen, so ist bei der Beurteilung der Adäquanz vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind gegebenenfalls weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.). Hat die versicherte Person einen Unfall erlitten, welcher die Anwendung der Schleudertrauma-Rechtsprechung rechtfertigt, so sind hierbei die durch BGE 134 V 109 E. 10 S. 126 ff. präzisierten Kriterien massgebend. Ist diese Rechtsprechung nicht anwendbar, so sind grundsätzlich die Adäquanzkriterien, welche für psychische Fehlentwicklungen nach einem Unfall entwickelt wurden (BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140), heranzuziehen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.). Wird die Unfallkausalität bejaht, sind für die Beurteilung der invalidisierenden Wirkung einer spezifischen HWS-Verletzung ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle die in BGE 130 V 352, später in BGE 141 V 281 entwickelten Kriterien analog anzuwenden (vgl. BGE 141 V 574; unter der alten Rechtsprechung: BGE 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283 in Verbindung mit 141 V 281 E. 4.2 S. 298).
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Erwägung 4
 
4.1. Die Vorinstanz erwog, dass zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung am 1. September 2016 keine namhafte Besserung des Gesundheitszustands durch Fortsetzung der ärztlichen Behandlung zu erwarten gewesen sei, so dass die Beschwerdegegnerin zu Recht den Fall abgeschlossen habe. Sodann verneinte sie mit Blick auf die im Vordergrund stehende HWS-Distorsion gestützt auf die Schleudertrauma-Rechtsprechung (BGE 134 V 109) einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 29. Januar 2015 und einer (allfälligen) Arbeitsunfähigkeit für die über den 1. September 2016 hinaus geklagten Beschwerden. Dabei qualifizierte sie den Unfall, wie auch die Beschwerdegegnerin zuvor, als mittelschweren Unfall im Grenzbereich zu den leichten Unfällen, höchstens aber als mittelschweren Unfall im engeren Bereich. Nach Prüfung der adäquanzrelevanten Kriterien (BGE 134 V 109, zusammengefasst unter E. 10.3 S. 130) bejahte sie lediglich jenes der Dauerbeschwerden, wobei es nicht in auffallender oder besonders ausgeprägter Weise vorliege. Da die Vorinstanz die Adäquanz verneint hatte, hätte sie die Frage eines natürlichen Kausalzusammenhangs praxisgemäss offen lassen können (BGE 135 V 465 E. 5.1 S. 472). Sie prüfte sie im Anschluss dennoch und stellte gestützt auf die Aktenberichte des Dr. med. D.________ vom 22. August und 25. Oktober 2017 sowie die damit korrelierende Bildgebung fest, dass die von der Beschwerdeführerin über den 1. September 2016 hinaus geklagten Beschwerden nicht mehr unfallbedingt, sondern degenerativer Natur seien.
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4.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet den Zeitpunkt des Fallabschlusses nicht. Sie vertritt jedoch die Ansicht, die Berichte des Dr. med. D.________ seien nicht verwertbar, da sie nicht unter Anwendung des strukturierten Beweisverfahrens erstellt worden seien. Nach der neuen Rechtsprechung sei ein adäquater Kausalzusammenhang auch bei leichten depressiven Störungen zu bejahen, wenn sich im Rahmen der ressourcenorientierten Begutachtung herausstelle, dass die diagnostizierte gesundheitliche Störung sich als natürliche Folge des erlittenen Unfalls entwickelt habe.
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Erwägung 4.3
 
4.3.1. Der Beschwerdeführerin ist insofern beizupflichten, als grundsätzlich sämtliche psychischen Gesundheitsschäden im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf das funktionelle Leistungsvermögen einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen sind (BGE 143 V 418). Dies gilt aus Gründen der Rechtsgleichheit gleichermassen und ungeachtet ihres allenfalls organischen Charakters für die Beurteilung der invalidisierenden Wirkung einer spezifischen HWS-Verletzung ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (vgl. BGE 141 V 574; vgl. bereits 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283 noch unter der damals geltenden Überwindbarkeitspraxis gemäss BGE 130 V 352). Im Gegensatz zur Invalidenversicherung, die als finale Versicherung im Leistungsbereich zentral auf die Folgenabschätzung des Gesundheitsschadens ausgerichtet ist, wird in der obligatorischen Unfallversicherung vorausgesetzt, dass zwischen dem Unfall und dem Letzteren ein natürlicher und (bei nicht organisch objektiv ausgewiesenen Beschwerden besonders zu prüfender, vgl. BGE 138 V 248 E. 4 S. 251) adäquater Kausalzusammenhang besteht (vgl. E. 3 hiervor). Kausalzusammenhang (Art. 6 Abs. 1 UVG) und Einschränkung des funktionellen Leistungsvermögens bzw. Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 18 UVG) stellen verschiedene Anspruchsvoraussetzungen dar und ziehen ganz andere Fragen mit je unterschiedlichem Abklärungs- bzw. Prüfungsbedarf nach sich. Daher hat das Bundesgericht kürzlich festgehalten, dass das strukturierte Beweisverfahren nicht darauf angelegt ist, den Nachweis eines natürlichen Kausalzusammenhanges zu erbringen (Urteil 8C_181/2019 vom 2. Mai 2019 E. 5.2). Dementsprechend verfolgt die kriteriengestützte, rein normative Adäquanzprüfung eine andere Zielrichtung, nämlich jene der Haftungsbegrenzung (vgl. hiervor E. 3), als die indikatorengeleitete Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des strukturierten Beweisverfahrens. Daran ändert nichts, dass dabei teilweise auf identische Sachverhaltselemente abgestellt wird und sich bei einzelnen Kriterien und Indikatoren gewisse Überschneidungen zeigen mögen (vgl. Thomas Gächter, Funktion und Kriterien der Adäquanz im Sozialversicherungsrecht, Personen-Schaden-Forum 2016, S. 36 f.). Wenn es darum mit der Verneinung der natürlichen und adäquaten Kausalität bereits an dieser wesentlichen Leistungsvoraussetzung fehlt, besteht kein Bedarf zur Bemühung eines strukturierten Beweisverfahrens (vgl. BGE 141 V 574 E. 5.2 a.E. S. 582; Kaspar Gehring, in Frey/Mosimann/Bollinger [Hrsg.]: AHVG-IVG, 2018, N. 58 zu Art. 4 ATSG).
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4.3.2. Da die Vorinstanz sowohl den natürlichen als auch den adäquaten Kausalzusammenhang verneinte, was der Beschwerdeführer nicht substanziiert bestreitet (vgl. zur Rügepflicht E. 1.1), ist nicht zu beanstanden, dass sie das Vorliegen einer Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 18 UVG) nicht weiter prüfte. Die Beschwerde ist unbegründet und demnach abzuweisen.
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5. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 8. Juli 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu
 
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