BGer 1B_242/2019 | |||
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BGer 1B_242/2019 vom 13.08.2019 |
1B_242/2019 |
Urteil vom 13. August 2019 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Kneubühler, Muschietti,
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Gerichtsschreiber Forster.
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Verfahrensbeteiligte | |
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
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Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau,
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Einzelrichter, Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden.
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Gegenstand
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Ueberwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs,
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Beschwerde gegen die Verfügung des
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Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau
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vom 10. Mai 2019 (ZM.2019.100).
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Sachverhalt: | |
A. Die Staatsanwaltschaft Baden führt eine Strafuntersuchung gegen noch unbekannte Täterschaft wegen vorsätzlicher Tötung von A.________, begangen am 5. Mai 2019. Am 10. Mai 2019 verfügte die Staatsanwaltschaft die aktive Überwachung (in "Echtzeit") von fünf Telefonanschlüssen für die Dauer vom 10. Mai bis 9. August 2019. Gleichentags verweigerte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau, Einzelrichter (ZMG), die von der Staatsanwaltschaft bei ihm beantragten aktiven Fernmeldeüberwachungen.
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B. Gegen die ablehnende Verfügung des ZMG vom 10. Mai 2019 gelangte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau mit Beschwerde vom 16. Mai 2019 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Bewilligung der beantragten Fernmeldeüberwachungen. Das ZMG verzichtete am 27. Mai 2019 auf eine Stellungnahme.
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Erwägungen: | |
1. Die Oberstaatsanwaltschaft ist zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG i.V.m. Art. 381 Abs. 1-2 StPO); auch die Sachurteilsvoraussetzungen des drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) und der kantonalen Letztinstanzlichkeit des Nichtbewilligungsentscheides (Art. 80 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 274 und Art. 279 Abs. 3 StPO) sind erfüllt (BGE 142 IV 196 E. 1.5.2 S. 200; 137 IV 340 E. 2.2.2 S. 343, E. 2.3 S. 344-346). Die Oberstaatsanwaltschaft macht geltend, dass die streitige Nichtgenehmigung der Überwachungen die Untersuchung eines Kapitalverbrechens beeinträchtigen und zu einem empfindlichen Beweisverlust bei der Ermittlung der Täterschaft führen könnte. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.
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2. Die Vorinstanz begründet ihren Nichtbewilligungsentscheid damit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer aktiven Überwachung der fraglichen Drittanschlüsse nicht erfüllt seien. Die Staatsanwaltschaft habe nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die unbekannte Täterschaft Kontakt mit den betroffenen Familienangehörigen aufnehmen sollte oder inwiefern diese für die Täterschaft Mitteilungen entgegennehmen bzw. weiterleiten könnten.
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3. Die Oberstaatsanwaltschaft rügt, der angefochtene Entscheid verletze Art. 270 lit. b StPO. Ziel der verfügten Überwachungen sei die Ermittlung der noch unbekannten Täterschaft des Tötungsdeliktes. Es bestünden "ganz offensichtlich konkrete Anhaltspunkte" dafür, dass sich die Täterschaft bei den betroffenen Familienangehörigen telefonisch melden könnte. Von einem Journalisten stam me ein "Hinweis", wonach die Ehefrau des Opfers einer anderen Person mitgeteilt habe, "dass ihr Ehemann ihr vor seinem Tod gesagt habe, durch wen er angegriffen" worden sei. Gemäss dieser dritten Person habe die Witwe auch geäussert, sie werde die Strafbehörden darüber nicht informieren. Daraus, dass die Witwe bei der polizeilichen Befragung verneint habe, Täter oder mögliche Verdächtige zu kennen, sei zu schliessen, dass sie "dies auch in die Tat umgesetzt" habe. Nach Ansicht der Oberstaatsanwaltschaft bestünden "dringende Anzeichen dafür, dass die Ehefrau Kenntnisse über die Täterschaft" habe, die sie den Strafbehörden nicht mitteilen wolle. Ihre Aussage, das Opfer habe ihr den oder die Namen der Täterschaft nicht genannt, sei unglaubwürdig, da der Schwerverletzte dafür noch ausreichend Zeit gehabt hätte. Aus dem Aussageverhalten der Ehefrau gehe zudem hervor, dass es ihr sehr wichtig gewesen sei, "so schnell wie möglich klarzustellen", dass sie über die Identität der Täterschaft nichts wisse. Aufgrund der engen persönlichen Verbundenheit sei zudem davon auszugehen, dass die Witwe "ihre Kenntnisse zur Täterschaft nicht für sich behalten, sondern ihren Familienangehörigen mitgeteilt" habe. Da somit auch davon auszugehen sei, dass die Familienangehörigen "die Identität des Täters kennen" und gegenüber den Strafbehörden verheimlichen würden, liege die weitere "Vermutung nahe", der Täter werde die Familienangehörigen "telefonisch kontaktieren und ihnen möglicherweise sogar drohen, um sie von der Bekanntgabe seiner Identität abzuhalten, oder um sich bei diesen darüber zu erkundigen, ob sein Name nach wie vor den Strafverfolgungsbehörden verheimlicht werde".
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Erwägung 4 | |
4.1. Unter den Voraussetzungen von Art. 269 Abs. 1-3 i.V.m. Art. 270-279 StPO kann der Fernmeldeverkehr inhaltlich und aktiv (während des Kommunikationsvorgangs) überwacht werden. Die Überwachung bedarf der Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht (Art. 272 Abs. 1 StPO). Sie ist grundsätzlich geheim (Art. 279 StPO). Gemäss Art. 270 lit. b StPO darf der Telefonanschluss von nicht beschuldigten Eine "Benutzung" des Drittanschlusses durch die beschuldigte Person (sog. Anschlussüberlassung i.S.v. Ziffer 1) kann nach der Praxis des Bundesgerichtes auch vorliegen, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschuldigte die Drittperson anruft und sich daraus Hinweise auf die Straftat oder den Aufenthalt des Beschuldigten ergeben. Die Verhältnismässigkeit einer solchen Überwachung bedarf allerdings einer besonders genauen Prüfung aufgrund der konkreten Verhältnisse (BGE 138 IV 232 E. 6.1-6.3 S. 238 f.). Diese Voraussetzungen wurden vom Bundesgericht im Fall einer überwachten Lebenspartnerin des flüchtigen Beschuldigten als erfüllt angesehen (vgl. BGE 138 IV 232 E. 8 S. 240).
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4.2. Die beschwerdeführenden kantonalen Strafverfolgungsbehörden legen auch im Verfahren vor Bundesgericht nicht nachvollziehbar dar, weshalb die unbekannte Täterschaft mit ausreichender Wahrscheinlichkeit telefonischen Kontakt mit den betroffenen Familienangehörigen aufnehmen sollte oder inwiefern diese für die Täterschaft Mitteilungen entgegennehmen bzw. weiterleiten könnten. Schon die Argumentation, wonach die Witwe des Opfers den oder die Namen der Täterschaft kennen müsse, erscheint spekulativ und teilweise zirkelhaft. Die Argumentation der Oberstaatsanwaltschaft beruht aber noch auf weiteren mehrstufigen Mutmassungen, die teilweise sachlich nur schwer nachvollziehbar sind und jedenfalls keine hinreichende Grundlage bilden für eine aktive Fernmeldeüberwachung bei nicht beschuldigten Familienangehörigen des Opfers.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 270 lit. b StPO sind nicht erfüllt. Der angefochtene Nichtbewilligungsentscheid hält vor dem Bundesrecht stand.
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5. Die Beschwerde ist abzuweisen. Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
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Ein Aufschalten des vorliegenden Entscheides in anonymisierter Form im Internet oder eine Abgabe an die Medien erfolgt erst nach vorheriger Rücksprache mit der untersuchungsleitenden Staatsanwaltschaft Baden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Dieses Urteil wird der Staatsanwaltschaft Baden sowie der Oberstaatsanwaltschaft und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. August 2019
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Merkli
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Der Gerichtsschreiber: Forster
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