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Informationen zum Dokument  BGer 8C_699/2018  Materielle Begründung
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BGer 8C_699/2018 vom 28.08.2019
 
 
8C_699/2018
 
 
Urteil vom 28. August 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Gehrig,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern,
 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. September 2018 (200 17 908 IV).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Im Mai 2015 meldete sich der 1971 geborene A.________ bei der IV-Stelle Bern zum Leistungsbezug an. Die Verwaltung prüfte die medizinischen und erwerblichen Verhältnisse. Aus somatischer Sicht verneinte der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) der IV-Stelle mit Bericht vom 26. Juni 2016 eine Arbeitsunfähigkeit. Zur Beurteilung des Zumutbarkeitsprofils aus psychiatrischer Sicht veranlasste die IV-Stelle eine Begutachtung durch Frau Dr. med. B.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, (Expertise vom 20. Januar 2017 [samt Stellungnahme vom 27. Juni 2017]). Gestützt darauf verneinte die Verwaltung mit Verfügung vom 13. September 2017 einen Leistungsanspruch.
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B. Die Beschwerde des A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 5. September 2018 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zur medizinischen Abklärung an die Vorinstanz, eventualiter an die IV-Stelle zurückzuweisen
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht die von der IV-Stelle am 13. September 2017 verfügte Leistungsverneinung zu Recht bestätigte.
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3. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung verlangt eine umfassende, inhaltsbezogene, verantwortliche und der behördlichen Begründungspflicht genügende Prüfung aller Beweismittel (BGE 140 V 193 E. 3.1 S. 195), unabhängig von ihrer Herkunft und ohne Bindung an förmliche Beweisregeln (BGE 137 V 210 E. 3.4.1.1 S. 248). Dem Beschwerdeführer ist insoweit zuzustimmen, dass trotz dieser grundsätzlichen Beweiseignung den Berichten versicherungsinterner medizinischer Fachpersonen praxisgemäss nicht dieselbe Beweiskraft zukommt wie einem gerichtlichen oder im Verfahren nach Art. 44 ATSG vom Versicherungsträger veranlassten Gutachten unabhängiger Sachverständiger. Soll ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 S. 469; Urteil 8C_348/2016 vom 9. Dezember 2016 E. 2.4).
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Erwägung 4
 
4.1. In somatischer Hinsicht sprach die Vorinstanz der Aktenbeurteilung des RAD vom 26. Januar 2016 volle Beweiskraft zu. Sie folgte dieser ärztlichen Einschätzung, wonach bei einem diagnostizierten Verdacht auf ein intermittierendes vorderes Impingement der linken Schulter bei Ventralisation, einem Verdacht auf ein zervikoradikuläres Syndrom C7 links, bei einem rezidivierenden lumbospondylogenen Schmerzsyndrom bei Spondylarthrosen L4 bis S1 sowie bei einer Otosklerose beidseits die Arbeitsfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt sei.
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4.1.1. Das kantonale Gericht setzte sich in nicht zu beanstandender Weise mit den in der Beschwerde angeführten Berichten, namentlich auch mit demjenigen des Hausarztes Dr. med. C.________, Praktischer Arzt, vom 19. Oktober 2015 auseinander. Die seitens des RAD diagnostizierten somatischen Leiden stehen dabei, was der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt, weitgehend in Einklang mit der übrigen Aktenlage. So fanden a uch die festgestellten relativ ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS im Bericht des RAD Eingang, wie das kantonale Gericht zutreffend festhielt Der RAD-Arzt Dr. med. D.________, Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin, befasste sich eingehend mit den vorhandenen medizinischen Unterlagen und konnte sich gestützt darauf ein umfassendes Bild der gesundheitlichen Verhältnisse in Bezug auf die somatische Problematik verschaffen. Soweit abweichende ärztliche Einschätzungen in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit bestehen, legte der RAD-Arzt mit der Vorinstanz einleuchtend dar, weshalb darauf nicht abzustellen ist. Entgegen der Auffassung des Versicherten vermag auch die hausärztliche Angabe, dass ganz leichte Tätigkeiten, sofern psychiatrisch erlaubt, möglich sein sollten, keine auch nur geringen Zweifel an der RAD-Beurteilung zu wecken, indem der Hausarzt zur Begründung einzig auf körperliche und psychische Einschränkungen verwies. Überdies gab er an, nicht beantworten zu können, welche Einschränkung hinsichtlich der bisherigen Tätigkeit (selbstständiger Transportunternehmer) bestünde. Im Bericht vom 29. Juni 2016 äusserte er sich sodann überhaupt nicht mehr zur Frage der bestehenden Restarbeitsfähigkeit und regte eine Überprüfung derselben durch die Invalidenversicherung an. Relevante Funktionseinschränkungen ergeben sich aus keinem der in der Beschwerde genannten Berichte. Das kantonale Gericht durfte daher, ohne Bundesrecht zu verletzen, der Beurteilung des RAD, auch wenn nicht auf eigenen Untersuchungen basierend, ungeschmälerte Aussagekraft und damit Beweiswert beimessen. Stichhaltige Gründe gegen eine solche Sichtweise bringt der Beschwerdeführer nicht vor.
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4.1.2. Seine Einwände sind demnach nicht geeignet, auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der RAD-Feststellungen zu wecken. Diese vermitteln vielmehr einen lückenlosen Befund und es wird damit fachärztlich ein an sich feststehender medizinischer Sachverhalt beurteilt, weshalb die Vorinstanz auf dessen Schlussfolgerungen abstellen durfte. Die Beurteilung des RAD gestattet es somit, einen invalidenversicherungsrechtlich relevanten somatischen Gesundheitsschaden verlässlich zu verneinen. Nach dem Gesagten liegt in diesem Zusammenhang weder eine offensichtlich unrichtige Abklärung des Sachverhalts noch eine sonstige Verletzung von Bundesrecht vor.
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4.2. Was die psychische Beeinträchtigung betrifft, rügt der Beschwerdeführer vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz, weil sie sich nicht mit seinen entscheidwesentlichen Einwänden im Hinblick auf die Kritik am psychiatrischen Gutachten auseinandergesetzt habe.
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4.2.1. Dieses Vorbringen geht ebenfalls fehl. Das kantonale Gericht legte die diesbezüglich als wesentlich und erstellt erachteten Tatsachen sowie die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse nachvollziehbar dar. Es musste sich bei der Begründung seines Entscheids rechtsprechungsgemäss nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich befassen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Entgegen der Kritik in der Beschwerde beschränkte es sich zudem nicht hauptsächlich auf die Feststellung, dass die Expertise den beweisrechtlichen Anforderungen genüge, sondern es befasste sich auch mit den zum Gutachten divergierenden Einschätzungen der behandelnden Frau Dr. med. E.________, Praktische Ärztin, in ihrem Bericht vom 5. Oktober 2017 sowie mit dem Vorwurf der mangelnden Objektivität und Professionalität der Gutachterin. Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Erkenntnisses war möglich. Daher kann nicht von einer Verletzung der Begründungspflicht resp. des Anspruchs auf rechtliches Gehör gesprochen werden (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit Hinweisen).
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4.2.2. Weiter erschöpfen sich die Ausführungen in der Beschwerde über weite Strecken in Wiederholungen der bereits im vorinstanzlichen Verfahren entkräfteten Rügen. Die psychiatrische Expertin legte im Gutachten wie auch in ihrer Stellungnahme vom 27. Juni 2017 schlüssig dar, dass im Gutachtenszeitpunkt keine depressive Episode (mehr) oder eine anderweitige invalidenversicherungsrechtlich relevante Gesundheitsschädigung vorlag. Daran vermögen die anderslautenden Einschätzungen der Frau Dr. med. E.________, des ehemals behandelnden Psychiaters Dr. med. F.________, oder des Hausarztes Dr. med. C.________, welche die Expertin durchaus in ihre Beurteilung miteinbezog, nichts zu ändern. Zu den diagnostizierten akzentuierten Persönlichkeitszügen mit Hinweisen auf emotionale Instabilität und Störung der Impulskontrolle (ICD-10: Z73), DD Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60) führte Frau Dr. med. B.________ aus, der Nachweis einer Persönlichkeitsstörung sei nicht erbracht, wobei sie mehrmals auf die mangelnde Mitarbeit des Versicherten während der Untersuchung hinwies. Die vorhandenen auffälligen Persönlichkeitszüge könnten zwar zu Schwierigkeiten bei beruflichen Tätigkeiten führen, eine um mehr als ca. 20%-ige Leistungseinschränkung aufgrund der erhobenen Fähigkeitsstörungen sei aber nicht wahrscheinlich. Im Übrigen trägt die ärztliche Beurteilung von der Natur der Sache her unausweichlich Ermessenszüge, die es zu respektieren gilt (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.3 S. 253; Urteil 9C_397/2015 vom 6. August 2015 E. 5.3). Sodann ist bezüglich der Diagnose von akzentuierten Persönlichkeitszügen zu beachten, dass sie als Z-Kodierung nicht unter den Begriff der invalidenversicherungsrechtlich erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung fällt, worauf die Vorinstanz bereits hinwies (Urteile 9C_551/2016 vom 5. Dezember 2016 E. 5.4; 9C_894/2015 vom 25. April 2016 E. 5.1).
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4.2.3. Sodann fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Begutachtung nicht lege artis erstellt wurde. Inwiefern die von Frau Dr. med. B.________ erhobenen Befunde falsch, die nachfolgende Beurteilung voreingenommen und nicht ergebnisoffen sein sollen, begründet der Versicherte nicht hinreichend schlüssig.
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4.3. Dass die Vorinstanz bei dieser Sachlage in psychiatrischer Hinsicht auf das Gutachten der Frau Dr. med. B.________ abstellte und zum Schluss gelangte, es sei von keiner relevanten Minderung der Arbeitsfähigkeit auszugehen, ist weder willkürlich noch sonstwie bundesrechtswidrig. Sie durfte demnach in antizipierender Beweiswürdigung auf weitere medizinische Abklärungen in Bezug auf den somatischen oder psychischen Gesundheitszustand verzichten (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236). Die Beschwerde ist unbegründet.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 28. August 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla
 
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