VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8C_82/2019  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8C_82/2019 vom 19.09.2019
 
 
8C_82/2019
 
 
Urteil vom 19. September 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiber Hochuli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2018 (IV.2017.00706).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________, geboren 1956, arbeitete seit 1989 als Hausangestellte im Heim B.________ (Arbeitgeberin). Am 18. Juli 2002 erlitt sie eine Distortsion der Halswirbelsäule (HWS). Seither blieb sie voll arbeitsunfähig. Wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis per 31. Juli 2003 auf. Der zuständige Unfallversicherer erbrachte die gesetzlichen Leistungen nach UVG (Heilbehandlung und Taggeld) und schloss den Fall mit Verfügung vom 1. Februar 2006 per 31. Januar 2006 folgenlos ab (letztinstanzlich bestätigt durch Urteil 8C_590/2007 vom 6. Oktober 2008).
1
A.b. Am 27. Juni 2003 meldete sich A.________ wegen seit 18. Juli 2002 anhaltender Beschwerden bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Einholung der Unfallversicherungsakten und Durchführung medizinischer Abklärungen verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 21% einen Rentenanspruch (Verfügung vom 19. Februar 2009), was das Bundesgericht letztinstanzlich bestätigte (Urteil 8C_80/2011 vom 14. Juni 2011).
2
A.c. Am 6. Januar 2015 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an. Sie machte wiederum geltend, seit 18. Juli 2002 zu 100% arbeitsunfähig zu sein. Gestützt auf die Ergebnisse des polydisziplinären Gutachtens der ABI Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH in Basel vom 9. Februar 2016 (nachfolgend: ABI-Gutachten) und den Ergänzungsbericht des ABI vom 22. November 2016 (nachfolgend: ABI-Ergänzungsbericht) ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 28%, weshalb sie das Rentengesuch wiederum ablehnte (Verfügung vom 22. Mai 2017).
3
B. Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Dezember 2018 ab.
4
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, in Abänderung des angefochtenen Entscheides habe ihr die IV-Stelle rückwirkend eine angemessene Invalidenrente auszurichten.
5
Während die IV-Stelle auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichten das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung.
6
D. Am 19. September 2019 führte das Bundesgericht eine öffentliche Beratung durch.
7
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
8
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
9
2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Rente der Invalidenversicherung verneinte.
10
3. Die Vorinstanz legte die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Dies betrifft namentlich die Ausführungen zum Begriff der Invalidität (Art. 7 f. ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), insbesondere bei Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit (vgl. 139 V 547 E. 5.2 S. 555), und zu den Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG). Richtig sind auch die Hinweise zu den bei der Neuanmeldung analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132, 117 V 198 E. 3a), zum massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) sowie zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470, 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.
11
4. Fest steht, dass sich der Gesundheitszustand im massgebenden Zeitraum zwischen der am 19. Februar 2009 verfügten - letztinstanzlich mit Urteil 8C_80/2011 vom 14. Juni 2011 bestätigten - und der hier strittigen, am 22. Mai 2017 verfügten Verneinung eines Rentenanspruchs erheblich verschlechtert hat. Nach vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung besteht die relevante Verschlechterung laut beweiskräftigem ABI-Gutachten darin, dass die Versicherte nur noch in einer leichten, wechselbelastenden, mehrheitlich sitzend auszuübenden adaptierten Tätigkeit bei einem erhöhten Pausenbedarf zu 80% arbeitsfähig ist (vgl. demgegenüber Urteil 8C_80/2011 vom E. 8).
12
5. Was die Beschwerdeführerin gegen die Beweiskraft des ABI-Gutachtens unter Mitberücksichtigung des ABI-Ergänzungsberichts vorbringt, ist nicht geeignet, die vorinstanzliche Beweiswürdigung als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
13
5.1. Die Versicherte beanstandete bereits im Administrativverfahren und vor kantonalem Gericht die Unvollständigkeit und/oder Unrichtigkeit der rechtserheblichen Tatsachenfeststellungen. Anlässlich der ABI-Begutachtung seien zwecks des Vergleichs mit früheren MRI-Befunden einzig neue Röntgenaufnahmen erstellt worden. Diese würden keine zuverlässige Grundlage für eine vollständig neue Befunderhebung an Gelenken und Wirbelsäule bilden. Nach Abschluss des vorinstanzlichen Schriftenwechsels liess die Beschwerdeführerin am 7. November 2017 drei neue Berichte einreichen. Sie halten die Ergebnisse fest zu den MRT- bzw. MRI-Untersuchungen der HWS vom 26. Juni 2017, der LWS vom 25. September 2017 und der rechten Schulter vom 12. Oktober 2017, welche der seit 2002 behandelnde Rheumatologe Dr. med. C.________ offensichtlich erst nach Erlass der strittigen Verfügung vom 22. Mai 2017 veranlasst hat.
14
 
Erwägung 5.2
 
5.2.1. Zwar nahm die Vorinstanz die mit Eingabe vom 7. November 2017 eingereichten drei neuen Berichte zur Kenntnis. Doch zog sie die neuen Befunde - wie von der Beschwerdeführerin zu Recht gerügt - nicht in die Beweiswürdigung mit ein.
15
5.2.2. Das kantonale Versicherungsgericht hat den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln (Art. 61 lit. c ATSG) und ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 61 lit. d ATSG; SVR 2017 UV Nr. 25 S. 83, 8C_81/2017 E. 6.2). Es hat die Beweise - ohne Bindung an förmliche Regeln - umfassend, pflichtgemäss und objektiv zu würdigen und insbesondere die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt (BGE 132 V 393 E. 2.1 S. 396; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen) darf sich die Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden; vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis) medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen.
16
5.2.3. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht die bundesrechtswidrige Beweiswürdigung der Vorinstanz. Es wäre Sache des kantonalen Gerichts gewesen, unter Gewährung der Parteirechte die neuen Befunde in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen (Art. 61 lit. c ATSG; Art. 29 BV). Unter den gegebenen Umständen kann jedoch - wie nachfolgend darzulegen ist - von einer Rückweisung abgesehen werden.
17
5.3. Für die richterliche Überprüfungsbefugnis ist der Gesundheitszustand massgebend, wie er sich bis zum Erlass der strittigen Verfügung präsentierte (vgl. BGE 143 V 409 E. 2.1 i.f. S. 411 mit Hinweis; vgl. auch SVR 2018 IV Nr. 10 S. 32, 8C_35/2017 E. 3.1, mit Hinweis auf BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220). Deshalb sind im kantonalen Gerichtsverfahren neu aufgelegte Berichte zu bildgebenden Untersuchungen, die erst nach Verfügungserlass durchgeführt wurden, grundsätzlich unbeachtlich. Zudem sind degenerative Veränderungen an der HWS (am Vorderrand von C5 und 6 beginnende osteophytäre Reaktion mit beginnender Osteochondrose C5/6) bei der Versicherten aktenkundig schon seit 2002 bekannt. Dr. med. D.________ beschrieb im interdisziplinären Gutachten vom 21. August 2008 im Bereich der Wirbelsäule durchwegs altersentsprechende degenerative Veränderungen. Nach der medizinischen Literatur sind radiologisch sichtbare degenerative Veränderungen an den Wirbeln allein noch kein Beweis, dass irgendwelche Schmerzen in Nacken, Kopf oder Armen wirklich hier ihren Ursprung haben (Urteil 8C_227/2009 vom 30. September 2009 E. 5.2.2 mit Hinweis auf ALFRED M. DEBRUNNER, Orthopädie Orthopädische Chirurgie, Bern/Göttingen/Toronto/Seattle 2002, S. 801). Unabhängig davon, ob es sich um eine nachweisliche organische Pathologie oder um ein unklares Beschwerdebild handelt, setzt eine Anspruchsberechtigung stets eine nachvollziehbare ärztliche Beurteilung der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus (BGE 140 V 290 E. 3.3.2 S. 297 mit Hinweis). Soweit die Beschwerdeführerin unter Berufung auf die drei neuen Berichte (E. 5.1) geltend macht, daraus sei ersichtlich, welche konkreten Gesundheitsschäden im Einzelnen "während der vergangenen sieben Jahre" beziehungsweise im massgebenden Vergleichszeitraum (vgl. E. 4) neu signifikant geworden seien, lassen die neuen medizinischen Unterlagen solche Schlussfolgerungen in zeitlicher Hinsicht nicht zu. Überdies steht fest, dass die neuen Berichte keine Angaben zur Arbeitsfähigkeit enthalten und sich daraus insbesondere keine Anhaltspunkte ergeben, inwiefern die Beurteilung der Leistungsfähigkeit gemäss ABI-Gutachten mit Blick auf den relevanten Zeitraum (E. 4) offensichtlich unrichtig sei. Für die Bestimmung des Rentenanspruchs ist jedoch grundsätzlich unabhängig von der Diagnose und unbesehen der Ätiologie massgebend, ob und in welchem Ausmass eine Gesundheitsschädigung die Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit einschränkt (Urteil 8C_95/2019 vom 3. Juni 2019 E. 5.2 mit Hinweisen). Nach dem Gesagten hätte auch eine bundesrechtskonforme Würdigung der vorinstanzlich neu eingereichten Berichte nichts an der Beweiskraft des ABI-Gutachtens geändert.
18
6. Demnach ist die vorinstanzliche Feststellung der trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zumutbaren Leistungsfähigkeit (E. 4 i.f.) bundesrechtskonform. Gegen die darauf basierende Bemessung des Invaliditätsgrades bringt die Beschwerdeführerin vor, bei der unbestritten anwendbaren Methode des Einkommensvergleichs hätten Verwaltung und Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie hinsichtlich des Valideneinkommens nicht vom langjährigen Verdienst aus der angestammten Tätigkeit ausgegangen seien. Bei korrekter Ermittlung des Einkommens, welches die Versicherte ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen im Jahre 2015 hypothetisch an der angestammten Stelle erzielt hätte, sei dem Einkommensvergleich ein Validenlohn von Fr. 70'650.70 zu Grunde zu legen. Zudem hätte beim Invalideneinkommen ein leidensbedingter Tabellenlohnabzug berücksichtigt werden müssen.
19
6.1. Das kantonale Gericht ermittelte beide Vergleichseinkommen ausgehend von demselben statistischen Tabellenlohn aller auf dem Kompetenzniveau 1 im privaten Sektor arbeitenden Frauen gemäss Tabelle TA1 der vom Bundesamtes für Statistik (BfS) herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2014, aufgerechnet um die bis 2015 eingetretene Nominallohnentwicklung der Frauenlöhne. Gegen den so errechneten Ausgangswert von Fr. 54'253.- gemäss angefochtenem Entscheid erhebt die Beschwerdeführerin zu Recht keine Einwände. Sie macht jedoch geltend, dieser Ausgangswert sei nicht nur um die gesundheitsbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 20% (vgl. dazu hievor E. 4 i.f.), sondern aufgrund der behinderungsbedingten Einschränkungen zusätzlich um 10% zu reduzieren. Aus dem Vergleich des dergestalt reduzierten Invalideneinkommens mit dem Valideneinkommen resultiere ein anspruchsbegründender Invaliditätsgrad von 45%.
20
 
Erwägung 6.2
 
6.2.1. Die Frage, ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei zu prüfende Rechtsfrage dar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72; Urteil 8C_652/2008 vom 8. Mai 2009 E. 4, nicht publ. in: BGE 135 V 297).
21
6.2.2. Wird das Invalideneinkommen - wie hier unbestrittenermassen - auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können. Ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug kann aber nur vorgenommen werden, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person wegen eines oder mehrerer der genannten Kriterien ihre gesundheitlich bedingte (Rest-) Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem Erfolg erwerblich verwerten kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 mit Hinweisen; Urteil 8C_379/2011 vom 26. August 2011 E. 4.2.2). Der Abzug darf 25% nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80; Urteil 8C_319/2017 vom 6. September 2017 E. 3.2 mit Hinweisen).
22
6.2.3. Nach BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80 rechtfertigt es sich nicht, für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen. Vielmehr ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80).
23
6.3. Fest steht, dass aus dem Vergleich des Valideneinkommens von Fr. 70'651.- (E. 6 Ingress) mit dem Invalideneinkommen nur dann ein anspruchsbegründender Invaliditätsgrad von mindestens 40% (Art. 28 Abs. 2 IVG) resultiert, wenn die Rechtsfrage nach der Begründung eines Tabellenlohnabzuges (E. 6.2.1) bejaht wird. Ist die Rechtsfrage - mit Verwaltung und Vorinstanz - zu verneinen, kann offenbleiben, ob beim Einkommensvergleich tatsächlich das von der Versicherten geltend gemachte hohe Valideneinkommen zu berücksichtigen gewesen wäre.
24
6.3.1. Obwohl in Bezug auf die angestammte Arbeitsstelle kein genaueres Anforderungsprofil bekannt ist, ging auch das kantonale Gericht gestützt auf das ABI-Gutachten davon aus, dass die bis zum Unfall ausgeübte Tätigkeit für die Beschwerdeführerin "mindestens teilweise ungeeignet" sei. Laut beweiskräftigem ABI-Gutachten steht jedoch gemäss angefochtenem Entscheid fest, dass der Versicherten in einer leidensangepassten Tätigkeit bei vollschichtigem Pensum unter Mitberücksichtigung des erhöhten Pausenbedarfs die erwerbliche Verwertung einer 80%-igen Arbeitsfähigkeit zumutbar ist (E. 4 i.f.).
25
6.3.2. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die behinderungsbedingten Einschränkungen würden sie die ihr verbleibende 80%-ige Leistungsfähigkeit nur mit unterdurchschnittlichem Erfolg verwerten lassen (vgl. E. 6.2.2 hievor), weshalb insgesamt ein leidensbedingter Tabellenlohnabzug vorzunehmen sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Der zusätzliche Pausenbedarf von zehn Minuten pro Arbeitsstunde ist bereits in der gesundheitsbedingten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 20% - bezogen auf ein Vollzeitpensum, welches vollschichtig absolviert werden kann - enthalten. Zu Recht verweist die Vorinstanz auf die Praxis, wonach allfällige, in der Beurteilung der medizinischen Arbeitsfähigkeit schon enthaltene gesundheitliche Einschränkungen nicht zusätzlich in die Bemessung des leidensbedingten Abzugs einfliessen und so zu einer doppelten Anrechnung desselben Gesichtspunkts führen dürfen (Urteile 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.1 und 9C_846/2014 vom 22. Januar 2015 E. 4.1.1 mit Hinweisen). Sodann hat das kantonale Gericht bundesrechtskonform berücksichtigt, dass die gesundheitsbedingte Unfähigkeit, körperlich schwere Arbeit zu verrichten, nicht automatisch zu einer Verminderung des hypothetischen Invalidenlohnes führt. Denn allein der Umstand, dass nur mehr leichte bis mittelschwere Erwerbstätigkeiten zumutbar sind, rechtfertigt auch bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit keinen zusätzlichen leidensbedingten Abzug (Urteil 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.4.2 mit Hinweisen). Das trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielbare Einkommen ist wie erwähnt (vgl. E. 6.2.2) bezogen auf einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu ermitteln, der durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften gekennzeichnet ist und einen Fächer verschiedenster Tätigkeiten aufweist (Urteil 9C_353/2019 vom 11. Juli 2019 E. 3.3 mit Hinweis auf BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459). Der Tabellenlohn im Kompetenzniveau 1 umfasst eine Vielzahl von leichten Tätigkeiten, die den im Gutachten angeführten Einschränkungen Rechnung tragen. Angesichts des im Gutachten umschriebenen Zumutbarkeitsprofils ist von einem genügend breiten Spektrum an zumutbaren Verweistätigkeiten auszugehen, auch wenn die Beschwerdeführerin über keine Berufsausbildung verfügt. Zu denken ist beispielsweise an einfache Überwachungs-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten, die auch keine höheren Ansprüche an die Feinmotorik stellen. Folglich können unter dem Titel leidensbedingter Abzug grundsätzlich nur Umstände berücksichtigt werden, die auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt als ausserordentlich zu bezeichenen sind (Urteil 8C_61/2018 vom 23. März 2018 E. 6.5.2 mit Hinweisen). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. In der Beschwerde wird nicht gerügt, dass die Vorinstanz zu Unrecht weitere abzugsrelevante Merkmale nicht berücksichtigt hätte. Solche sind denn auch nicht ersichtlich.
26
6.3.3. Demnach ist mit Blick auf die Praxis nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden, dass Verwaltung und Vorinstanz die Rechtsfrage, ob bei dem nach dem LSE-Tabellenlöhnen zu bestimmenden Invalideneinkommen zusätzlich ein leidensbedingter Tabellenlohnabzug zu berücksichtigen sei, verneint haben. Was die Beschwerdeführerin hiegegen vorbringt, ist unbegründet.
27
6.3.4. Ist demnach vom grundsätzlich unbestrittenen LSE-Tabellenlohn von Fr. 54'253.- (E. 6.1 Ingress) nur die gesundheitsbedingte Leistungsfähigkeitseinbusse von 20% zu subtrahieren, resultiert für den Einkommensvergleich im Jahr 2015 ein massgebender Invalidenlohn von Fr. 43'402.- (= Fr. 54'253.- x 0,8).
28
6.4. Aus dem Vergleich mit dem Valideneinkommen (E. 6 Ingress) bemisst sich der Invaliditätsgrad demnach auf (gerundet) 39%. Das kantonale Gericht hat demnach die von der IV-Stelle am 22. Mai 2017 verfügte Verneinung eines Rentenanspruchs im Ergebnis zu Recht bestätigt. Die hiegegen erhobenen Einwände sind unbegründet und die Beschwerde folglich abzuweisen.
29
7. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegenden Beschwerdeführer haben die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
30
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 19. September 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).