BGer 1B_395/2019 | |||
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BGer 1B_395/2019 vom 10.10.2019 |
1B_395/2019 |
Urteil vom 10. Oktober 2019 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Chaix, Präsident,
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Bundesrichter Fonjallaz, Muschietti,
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Gerichtsschreiberin Sauthier.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Victoria Huber,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft Baden.
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Gegenstand
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Strafverfahren; Entsiegelung im Vorverfahren,
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Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau vom 2. Juli 2019 (ZM.2018.207).
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Sachverhalt: |
A. | |
Die Staatsanwaltschaft Baden führt gegen A.________ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Am 9. November 2018 verlangte A.________ die Siegelung des gleichentags durch die Staatsanwaltschaft sichergestellten Mobiltelefons (iPhone 8) sowie der SIM-Karte (Sunrise). Diese würden zahlreiche persönliche Daten (Bilder und Videos) enthalten, welche seine Persönlichkeitsrechte tangieren würden und an welchen er ein grosses Geheimhaltungsinteresse habe. Mit Schreiben vom 15. November 2018 ersuchte die Staatsanwaltschaft um Entsiegelung des sichergestellten Mobiltelefons sowie der SIM-Karte beim Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau.
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Da sowohl die FCS Forensic Computing Services GmbH als auch die Abteilung IT-Forensik, CyberCrime der Bundeskriminalpolizei die Codesperre des Mobiltelefons nicht bzw. nicht innert absehbarer Frist umgehen bzw. entsperren konnten, setzte das Zwangsmassnahmengericht A.________ mit Verfügung vom 28. Mai 2019 eine Frist, um den Code zur Entsperrung des Mobiltelefons und der SIM-Karte bekanntzugeben. Dieser weigerte sich jedoch.
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Mit Verfügung vom 2. Juli 2019 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch hinsichtlich der Entsiegelung und Durchsuchung des Mobiltelefons iPhone 8 gut (Dispositiv-Ziffer 1.1). Zur Begründung führte es aus, A.________ habe es versäumt, darzulegen, inwiefern die gespeicherten privaten Daten besonders schützenswert seien. Zudem habe er seine Mitwirkungspflicht im Entsiegelungsverfahren verletzt, indem er sich geweigert habe, den Code des Mobiltelefons bekannt zu geben. Weiter verfügte das Zwangsmassnahmengericht, A.________ werde unter Androhung der Straffolgen gemäss Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) verpflichtet, der Staatsanwaltschaft bis spätestens zum 29. Juli 2019 den Code zur Entsperrung des Mobiltelefons gemäss Dispositiv-Ziffer 1.1 bekannt zu geben (Dispositiv-Ziffer 1.2).
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B. | |
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 12. August 2019 beantragt A.________, Dispositiv-Ziffer 1.2 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 2. Juli 2019 sei aufzuheben.
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Das Zwangsmassnahmengericht sowie die Staatsanwaltschaft haben auf eine Vernehmlassung in der Sache verzichtet.
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C. | |
Mit Präsidialverfügung vom 3. September 2019 hat das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Angefochten ist eine kantonal letztinstanzliche Verfügung über die Entsiegelung von Daten, die in Anwendung von Art. 246 ff. StPO in einem Strafverfahren sichergestellt wurden. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG offen. Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer allerdings nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der nur unter der Voraussetzung angefochten werden kann, dass ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht. Dieser muss rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er sich auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren End- oder anderen Entscheid nicht mehr beheben lässt (BGE 141 IV 289 E. 1.2 S. 291 mit Hinweis).
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Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil wird nach der Praxis des Bundesgerichts angenommen, wenn in einem Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht wird, einer Entsiegelung stünden geschützte Geheimhaltungsrechte entgegen, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann. Beruft sich der Betroffene dagegen auf andere Gründe, aus denen die Entsiegelung unzulässig sein soll, wie etwa Beschlagnahmehindernisse oder Nichtverwertbarkeitsgründe, droht ihm in der Regel kein nicht wieder gutzumachender Nachteil, da er die Unverwertbarkeit dieser Beweismittel vor dem Sachrichter geltend machen kann (vgl. Urteil 1B_167/2018 vom 31. Mai 2018 E. 1.2; BGE 141 IV 289 E. 1.2 f. S. 291 f.).
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1.2. Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht nicht mehr gegen die von der Vorinstanz angeordnete Entsiegelung seines Mobiltelefons und macht keinerlei Ausführungen zu allfällig bedrohten Geheimhaltungsinteressen. Vielmehr rügt er einzig, er werde, indem er im angefochtenen Entscheid unter Strafandrohung zur Bekanntgabe des Entsperrungscodes seines Mobiltelefons verpflichtet werde, zur Selbstbelastung gezwungen, was unzulässig sei. Ihm sei es nicht möglich, die Verwaltungsverfügung aufzuheben. Folglich könne er bei Nichtbefolgung der Anordnung mit Busse bestraft werden. Dadurch würde er ständig mit Strafbefehlen konfrontiert sein, deren Anfechtung mit grossem finanziellen und zeitlichem Aufwand verbunden wären, weshalb ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohe.
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1.3. Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer womöglich wegen einer Verletzung von Art. 292 StGB bestraft werden könnte. Dies war bisher soweit ersichtlich aber (noch) nicht der Fall, obschon die von der Vorinstanz angesetzte Frist zur Bekanntgabe des Codes bereits seit über zwei Monaten verstrichen ist. Diesfalls steht es dem Beschwerdeführer sodann frei, einen allfälligen Entscheid des Sachrichters mit Berufung anzufechten und die Angelegenheit schliesslich an das Bundesgericht weiterzuziehen (vgl. Urteil 1B_376/2019 vom 12. September 2019 E. 2.3 und E. 2.6).
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Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen ausführt, es sei ihm "jedoch sicherlich nicht möglich, die Verwaltungsverfügung aufzuheben", übersieht er, dass es sich vorliegend um eine von der Vorinstanz im Rahmen der Strafverfolgung angeordnete Verpflichtung handelt, welcher kein verwaltungsrechtliches Verfahren bzw. keine eigentliche Verwaltungsverfügung zugrunde liegt, die von einem Strafrichter nicht aufgehoben werden kann (BERNHARD INSENRING, in: Orell Füssli Kommentar, StGB/JStG Kommentar, 20. Aufl. 2018, N. 8 zu Art. 292 StGB mit Hinweis).
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1.4. Aufgrund des Umstandes, dass sich die im angefochtenen Entscheid in Dispositiv-Ziffer 1.2 verfügte Verpflichtung durch einen späteren für den Beschwerdeführer eventuell günstigen Entscheid gänzlich beseitigen lässt, fehlt es vorliegend an einem nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. E. 1.1 hiervor). Auf die Beschwerde ist demnach nicht einzutreten.
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Erwägung 2 | |
Bei diesem Ausgang des Verfahrens würde der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig. Er stellt indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Dieses erweist sich jedoch als von vornherein aussichtslos, weshalb es abzuweisen ist (Art. 64 BGG). Hingegen rechtfertigt es sich ausnahmsweise auf eine Kostenauflage zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Es werden keine Kosten erhoben.
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4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Baden und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. Oktober 2019
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Chaix
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Die Gerichtsschreiberin: Sauthier
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