BGer 8C_64/2019 | |||
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BGer 8C_64/2019 vom 27.11.2019 |
8C_64/2019 |
Urteil vom 27. November 2019 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
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Gerichtsschreiberin Betschart.
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Verfahrensbeteiligte | |
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG, Bundesgasse 35, 3011 Bern, vertreten durch Fürsprecherin Barbara Künzi-Egli,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Marco Büchel,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Unfallversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Dezember 2018 (UV 2015/54).
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Sachverhalt: | |
A.
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A.a. A.________, geb. 1958, war bei der B.________ AG als Customs Engineer angestellt und über die Arbeitgeberin bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG (im Folgenden: Mobiliar) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Gemäss Unfallmeldung vom 12. März 2013 stürzte er am 6. Januar 2013 bei einem Ausritt vom Pferd, als dieses aus unbekannten Gründen bockte. Die erstbehandelnden Ärzte des Spitals C.________ diagnostizierten eine Atlasfraktur des vorderen Bogens, Processus transversus-Frakturen HWK6/7, ein Thoraxtrauma rechts sowie eine Commotio cerebri. Die Mobiliar anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilungskosten, Taggeld). Das Arbeitsverhältnis wurde per 31. Januar 2015 von der Arbeitgeberin aufgelöst.
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Die Mobiliar liess den Versicherten durch die Gutachterstelle D.________ polydisziplinär begutachten. Im Gutachten vom 28. November 2014 nannten die Experten als Diagnosen mit überwiegend wahrscheinlichem Bezug zum Unfall vom 6. Januar 2013 ein Schädelhirn-Trauma mit Contusio cerebri sowie ein chronisch intermittierendes leichtgradiges zerviko-brachiales Beschwerdesyndrom rechts. Das Ausmass der Leistungsminderung bezifferten sie mit 10 % sowohl in der angestammten als auch in einer adaptieren Tätigkeit. Für die minimale bis leichte Störung der kognitiven Funktionen sei ein Integritätsschaden von 10 % vorgesehen. Gestützt darauf stellte die Mobiliar mit Verfügung vom 30. März 2015 die Taggeldzahlungen und die Vergütung der Heilungskosten per 28. Februar 2015 ein. Sie sprach dem Versicherten mit Wirkung ab 1. März 2015 eine Rente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 10 % sowie eine Integritätsentschädigung basierend auf einem Integritätsschaden von 10 % zu. Daran hielt sie im E inspracheentscheid vom 10. Juli 2015 fest.
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B. A.________ erhob dagegen Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. Im Verlauf des Verfahrens wurden zahlreiche weitere medizinische Berichte und Gutachten mit teilweise stark divergierenden Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit vorgelegt. Das Versicherungsgericht veranlasste in der Folge bei der Gutachterstelle E.________ eine polydisziplinäre Begutachtung. Gestützt auf das Gerichtsgutachten vom 6. September 2018 bejahte es im Entscheid vom 17. Dezember 2018 die Ansprüche des Versicherten auf eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 76 % sowie auf eine Integritätsentschädigung bei einem Integritätsschaden von 25 % und wies die Sache zur Festsetzung und Ausrichtung dieser Leistungen an die Mobiliar zurück. Ausserdem verpflichtete es die Mobiliar, die Kosten der Expertise von Fr. 22'647.95 zu bezahlen.
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C. Die Mobiliar führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 10. Juli 2015 zu bestätigen. Zudem sei das Gutachten der Gutachterstelle E.________ vom 6. September 2018 aus den Akten zu entfernen, und die Kosten dieses Gutachtens seien A.________ aufzuerlegen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
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A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde und ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit und das Versicherungsgericht verzichten auf eine Stellungnahme.
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D. Mit Verfügung vom 7. März 2019 gewährte die Instruktionsrichterin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
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Erwägungen: | |
1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, gelten grundsätzlich als Zwischenentscheide, weil sie das Verfahren nicht abschliessen; sie können nur unter den Voraussetzungen der Art. 92 und 93 BGG beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 140 V 282 E. 2 S. 284; 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f.). Wenn aber der unteren Instanz, an die die Sache zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr bleibt und die Rückweisung - wie hier - bloss der (rein rechnerischen) Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, handelt es sich materiell nicht mehr um einen Zwischenentscheid, sondern um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG (BGE 140 V 282 E. 4.2 S. 285 f. mit Hinweisen; Urteil 8C_759/2018 vom 13. Juni 2019 E. 1). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
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2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
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Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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Erwägung 3 | |
3.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es dem Beschwerdegegner eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 76 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einem Integritätsschaden von 25 % zusprach. Ebenso gilt es zu prüfen, ob es die Kosten des Gerichtsgutachtens zu Recht der Beschwerdeführerin auferlegte.
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3.2. Die Vorinstanz legte die für die Beurteilung der Streitsache massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Dies betrifft namentlich die Ausführungen zu den Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 UVG) sowie zu den Anspruchsvoraussetzungen und zur Bemessung der Integritätsentschädigung (Art. 24 und 25 Abs. 1 UVG, Art. 36 Abs. 2 UVV i.V.m. Anhang 3 zur UVV; BGE 124 V 29 E. 1c S. 32, E. 3c S. 35 f.; 115 V 147 E. 1 S. 147; 113 V 218 E. 4b S. 221 f.). Gleiches gilt für die Ausführungen zum Beweiswert von ärztlichen Gutachten und Berichten, insbesondere von Gerichtsgutachten, von denen das Gericht nicht ohne zwingende Gründe abweichen darf (BGE 143 V 269 E. 6.2.3.2 S. 282; 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.; 125 V 351 E. 3b/aa S. 352 f.). Darauf kann verwiesen werden.
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4.
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4.1. Die Beschwerdeführerin macht vorab geltend, dass im kantonalen Gerichtsverfahren bereits das im Auftrag der IV-Stelle des Kantons St. Gallen (im Folgenden IV-Stelle) eingeholte polydisziplinäre Gutachten der Gutachterstelle F.________ vom 21. Oktober 2016 beigezogen worden sei. Diesem zufolge sei keine die Arbeitsfähigkeit in der angestammten sowie jedweder vergleichbaren Tätigkeit mindernde Gesundheitsschädigung ausgewiesen. Zusammen mit dem Gutachten der Gutachterstelle D.________ hätten dem Gericht somit zwei Gutachten vorgelegen, die den Anforderungen der Rechtsprechung an schlüssige und beweiskräftige Gutachten genügten. Das Gerichtsgutachten stelle mithin eine unzulässige sog. "second opinion" (bzw. third opinion) dar.
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4.2. Grundsätzlich sind Administrativgutachten auch für das kantonale Gericht verbindlich, sofern nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353; vgl. auch BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470 sowie Urteil 9C_609/2018 vom 6. März 2019 E. 3.2.2). Dazu bedarf es, dass die Vorinstanz sich zuerst mit den im betreffenden Fall bei den Akten befindlichen medizinischen Berichten auseinandersetzt und folglich begründet, weshalb nicht auf ein nach Art. 44 ATSG eingeholtes Administrativgutachten abgestellt werden kann, bevor es ein Gerichtsgutachten anordnet. Andernfalls setzt es sich dem Vorwurf aus, mit dem Gerichtsgutachten lediglich eine unzulässige second opinion einzuholen (Urteile 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 E. 5.1; 9C_609/2018 vom 6. März 2019 E. 3.6).
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4.3. Dem angefochtenen Entscheid ist zwar nicht explizit zu entnehmen, weshalb es sich aufdrängte, das Gerichtsgutachten einzuholen. Immerhin werden im Sachverhalt die verschiedenen medizinischen Gutachten und Berichte mit unterschiedlichen Auffassungen betreffend die Diagnosen und die Arbeitsfähigkeit, die im Gerichtsverfahren aufgelegt wurden, zutreffend wiedergegeben. Insbesondere schloss das im Auftrag der Krankentaggeldversicherung der Arbeitgeberin erstellte Gutachten der Gutachterstelle G.________, Dres. med. H.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, und I.________, Fachärztin für Neurologie, spez. Neuropsychologie und Verhaltensneurologie FMH, vom 17. März 2016 auf eine 50%ige Arbeitsfähigkeit in der angestammten sowie in jeder weiteren, bildungsadäquaten Tätigkeit. Das Gutachten der Gutachterstelle G.________ stellt ebenfalls ein versicherungsexternes Gutachten dar. Zudem holten diese Gutachter auch Fremdauskünfte ein. Angesichts dieser und weiterer, wiederum anderslautender ärztlicher Beurteilungen sowie seiner Untersuchungspflicht (Art. 61 lit. c ATSG) hatte das kantonale Gericht hinreichende Anhaltspunkte, nicht auf die Expertise der Gutachterstelle D.________ oder der Gutachterstelle F.________ abzustellen und zur Klärung des medizinischen Sachverhalts selbst medizinische Sachverständige beizuziehen. Dem entsprechend stellt das Gerichtsgutachten der Gutachterstelle E.________ keine unzulässige second opinion dar. Mithin erübrigt sich auch der Antrag, dass das Gutachten der Gutachterstelle E.________ aus den Akten zu entfernen sei.
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5.
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5.1. Die Vorinstanz erachtete das Gerichtsgutachten vom 6. September 2018 als beweiswertig, weshalb darauf abzustellen sei. Die Experten der Gutachterstelle E.________ nannten darin als unfallkausale Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit einen Status nach mittelschwerer traumatischer Hirnverletzung und ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (ICD-10 F07.2) mit neuropsychologisch persistierender leichter bis mittelschwerer Störung bei bildgebend nachgewiesenen posttraumatischen Scherverletzungen temporal und frontal rechts. Für die bisherige Tätigkeit bestehe seit dem Unfall eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. In einer angepassten Tätigkeit hielten sie eine Leistungsfähigkeit von 50 % (halbtags) ab Datum des Fallabschlusses per 28. Februar 2015 für möglich. Den Integritätsschaden schätzten sie auf 25 %.
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5.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet die Beweiskraft des Gerichtsgutachtens. Vorab fällt auf, dass sie sich dazu nicht auf fachärztliche Berichte abstützt, die sich qualifiziert mit der Expertise auseinandersetzen und gravierende Mängel aufzeigen würden. Vielmehr verweist sie im Wesentlichen auf frühere ärztliche Berichte und Gutachten, die teilweise zu anderen Schlussfolgerungen gekommen waren. Die Gutachter der Gutachterstelle E.________ kannten diese Dokumente und nahmen zu einigen davon auch Stellung. Im Einzelnen kann zu den Rügen der Beschwerdeführerin Folgendes festgehalten werden:
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5.2.1. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die Vorinstanz sei gestützt auf dieses Gutachten zu Unrecht von einer organisch nachweisbaren, unfallkausalen Schädigung des Gehirns ausgegangen. Insbesondere handle es sich um eine unzulässige Beurteilung "post hoc ergo propter hoc", wenn die neurologische Expertin der Gutachterstelle E.________, Dr. med. J.________, Fachärztin für Neurologie, ausführe, dass die erst elf Monate nach dem Unfall (im MRI vom 19. November 2013) festgestellten persistierenden strukturellen Defizite intrakraniell in Form von diffusen Scherverletzungen wegen fehlender Hinweise auf eine anderweitige Genese unfallbedingt seien. Trotz der (für sich allein betrachtet) verfänglichen Formulierung der Gutachterin kann dem nicht gefolgt werden. Denn Dr. med. J.________ legte nachvollziehbar dar, dass die Verletzungen wegen unterschiedlicher bildgebenden Methoden (initiales CT und späteres MRI) erstmals im November 2013 festgestellt wurden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Radiologe die Verletzungen im Bericht vom 19. November 2013 lediglich als "möglicherweise posttraumatisch bedingt" bewertete. Hierzu ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass diese Beurteilung des Radiologen in Unkenntnis der Vorakten ergangen ist, so dass darauf nicht abgestellt werden kann. Weiter attestierten die Ärzte der Rehaklinik ebenfalls eine traumatische Hirnverletzung, und auch das Gutachten der Gutachterstelle D.________ ging von unfallkausalen strukturellen Veränderungen des Gehirns aus.
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5.2.2. Bezüglich der Schwere der Hirnverletzung bringt die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Ausführungen der Gutachter der Gutachterstelle F.________ vom 12. Juli 2017 vor, ursprünglich sei bloss eine Commotio cerebri und keine Contusio cerebri diagnostiziert worden. Der "aktenkundige Ablauf einer diagnostischen Augmentation (aus einer Commotio cerebri wird eine Contusio cerebri, es treten vermeintliche kognitive Defekte hinzu) " laufe der Biologie zerebraler Verletzungen zuwider. Die neurologische Gutachterin widerlegte jedoch auch dies mit der Begründung, dass die erste Diagnose einer Commotio cerebri angesichts des dokumentierten initialen Glasgow Coma Scale (GCS) -Werts von 12 und nachgewiesener persistierender strukturellen Läsionen nicht korrekt gewesen sei. Die Gutachter der Gutachterstelle D.________ nahmen ebenfalls eine initiale Contusio cerebri an. Im Rahmen der Begutachtung durch die Gutachterstelle E.________ wurde ausserdem eine erneute MRI-Untersuchung durchgeführt, bei der wiederum "vereinzelt bekannte Hämosiderin-Ablagerungen temporal und frontal rechts" zu Tage traten. Dass diese im MRI vom 9. August 2016, das den Gutachtern der Gutachterstelle F.________ vorlag, nicht erkannt worden sind, erklärt Dr. med. J.________ mit den unterschiedlichen technischen Untersuchungsmethoden (SWI Sequenzen statt T2-Hemo-Sequenzen).
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5.2.3. Soweit die Beschwerdeführerin gegen die Diagnose des organischen Psychosyndroms ins Feld führt, dass diese nicht bereits vier Wochen nach dem Unfall gestellt worden sei, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn entscheidend ist nicht die Diagnosestellung, sondern dass innert dieser Frist Symptome aufgetreten sind (Dilling/Mombour/Schmid/Schulte-Markwort [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F), 6. Aufl. 2016, S. 76). Solche Symptome (wie Konzentrationsschwierigkeiten, kognitive Störungen oder rasche Ermüdung) wurden hier immerhin ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeit im April 2013 von verschiedenen Ärzten dokumentiert.
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5.2.4. Sodann verweist die Beschwerdeführerin auf die in den Gutachten der Gutachterstelle D.________ und der Gutachterstelle F.________ beschriebenen Hinweise auf Verdeutlichungstendenzen bzw. ein mögliches Testartefakt. Die neurologische Teilgutachterin der Gutachterstelle E.________ hielt dazu fest, diese Diskrepanzen würden dadurch relativiert, dass die eigenen neuropsychologischen Untersuchungen keine Hinweise für eine Aggravation oder gar Simulation ergeben hätten. Eine Diskrepanz ergibt sich im Übrigen auch nicht daraus, dass der Beschwerdegegner grundsätzlich in der Lage ist, seinen Alltag zu bewältigen und z. B. Arbeiten am Computer, im Haushalt oder im Garten auszuführen. Dies wurde von der psychiatrischen Gutachterin als Ressourcen gewertet und fand damit (entgegen der Beschwerdeführerin) Eingang in die Beurteilung der Gutachter der Gutachterstelle E.________.
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5.3. Zusammenfassend verletzte die Vorinstanz somit kein Bundesrecht, als sie dem Gerichtsgutachten der Gutachterstelle E.________ vom 6. September 2018 Beweiskraft zusprach und gestützt darauf von einer 50%igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit ausging. Daran vermögen auch die übrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern.
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6. Bezüglich der Bestimmung des Invaliditätsgrads rügt die Beschwerdeführerin sowohl das von der Vorinstanz festgelegte Validen- als auch das Invalideneinkommen.
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6.1. Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Valideneinkommens kam die Vorinstanz in Würdigung der Akten zum Ergebnis, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses per 31. Januar 2015 aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sei. Daher sei auf das zuletzt erzielte Einkommen abzustellen (Fr. 164'232.-). Die Beschwerdeführerin will die Kündigung stattdessen dem eigenwilligen und negativen Verhalten des Versicherten sowohl gegenüber der Arbeitgeberin als auch im Aufbautraining zuschreiben. Immerhin gilt es aber zu beachten, dass sich das unkooperative Betragen und die Eigenwilligkeit des Beschwerdegegners mindestens teilweise mit der unfallbedingten Verhaltensstörung erklären lassen: So wiesen die Gutachter der Gutachterstelle E.________ darauf hin, dass sich bei ihm aufgrund des organischen Psychosyndroms u.a. Symptome eines leichten Dysexekutivsyndroms mit einer gewissen Enthemmung/Propulsivität zeigten. Auch die bei der Arbeitgeberin vorgesehene Umstrukturierung hätte, wie das kantonale Gericht unwidersprochen festhält, nicht zur Kündigung geführt, weil keine Anhaltspunkte dafür erkennbar gewesen seien, dass der Versicherte ohne die Unfallfolgen den sich daraus ergebenden Anforderungen nicht gewachsen gewesen wäre. Die Berechnung des Valideneinkommens wird von der Beschwerdeführerin nicht gerügt, so dass es damit sein Bewenden hat.
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Erwägung 6.2 | |
6.2.1. Das Invalideneinkommen ermittelte die Vorinstanz anhand der Tabellenlöhne der LSE 2014. Dabei stellte sie auf den Durchschnittswert im Bereich Informationstechnologie und Informationsdienstleistungen in der Privatwirtschaft, Männer, im Kompetenzniveau 2 (praktische Tätigkeiten wie Datenverarbeitung und Administration/Bedienen von Maschinen und elektronischen Geräten) ab.
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Die Beschwerdeführerin rügt zum einen zu Recht, die Vorinstanz habe fälschlicherweise die LSE 2014 statt die LSE 2012 verwendet. Wird auf Tabellenlöhne abgestellt, sind grundsätzlich immer die aktuellsten statistischen Daten zu verwenden (BGE 143 V 295 E. 2.3 S. 297 mit Hinweisen), wobei im Bereich der Unfallversicherung im Prinzip die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit des Einspracheentscheids massgebend sind. Mithin ist die im Zeitpunkt des Einspracheentscheids aktuellste LSE-Tabelle anzuwenden (vgl. BGE 143 V 295 E. 4.1.2 und 4.1.3 S. 299 f. mit Hinweisen). Im Beschwerdeverfahren ist es Sache des angerufenen Gerichts, die Rechtskonformität der Invaliditätsbemessung zu prüfen und gegebenenfalls einen Tabellenlohnvergleich gestützt auf die LSE vorzunehmen (vgl. BGE 139 V 592 E. 6.3 S. 596; Urteil 8C_182/2017 vom 10. April 2017 E. 3.3). Es hat dabei grundsätzlich ebenfalls von den Verhältnissen auszugehen, die sich bis zum Einspracheentscheid verwirklicht haben (BGE 143 V 295 E. 4.1.4 S. 300; 142 V 337 E. 3.2.2 S. 341 mit Hinweisen; 134 V 392 E. 6 S. 397). Da der Einspracheentscheid vorliegend am 10. Juli 2015 erging, die LSE 2014 jedoch erst am 15. April 2016 publiziert wurden, sind die LSE 2012 massgebend.
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Zum andern beantragt die Beschwerdeführerin erneut, es sei vom Kompetenzniveau 4 auszugehen. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen allerdings bloss, dass nicht die Schlüsse der Gutachterstelle E.________, sondern jene der Gutachterstelle D.________ beizuziehen seien. Dem kann, wie gezeigt, nicht gefolgt werden.
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6.2.2. Der Beschwerdeführerin ist des Weiteren darin zuzustimmen, dass ein Abzug vom Tabellenlohn von 5 % vorliegend nicht angebracht ist. Denn zum einen wurde den qualitativen Einschränkungen des Beschwerdegegners mit der Wahl des Kompetenzniveaus 2 bereits Rechnung getragen. Dass ein Versicherter auf eine psychisch bedingte verstärkte Rücksichtnahme seitens Vorgesetzter und Arbeitskollegen angewiesen ist, kann nach der Gerichtspraxis in der Regel nicht als eigenständiger Abzugsgrund anerkannt werden (Urteile 9C_266/2017 vom 29. Mai 2018 E. 3.4.2; 9C_366/2015 vom 22. September 2015 E. 4.3.1 mit Hinweisen). Zum andern ist nach der neueren Praxis des Bundesgerichts ein Abzug wegen Teilzeitbeschäftigung bei Männern nicht mehr automatisch vorzunehmen. Ob sich eine entsprechende Reduktion rechtfertigt, ist stets mit Blick auf den konkreten Beschäftigungsgrad und die jeweils aktuellen Werte zu beurteilen (Urteile 8C_211/2018 vom 8. Mai 2018 E. 4.4; 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.2). Aus der hier massgebenden, gestützt auf die LSE 2012 erstellten Tabelle zu den nach Beschäftigungsgrad, Geschlecht und beruflicher Stellung differenzierten monatlichen Durchschnittsbruttolöhnen ergibt sich bei einem Beschäftigungsgrad zwischen 50 und 74 % bei Männern ohne Kaderfunktion keine Lohnminderung. Damit besteht auch unter diesem Aspekt kein Anlass für einen Tabellenlohnabzug.
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6.2.3. Somit ist in Abweichung vom vorinstanzlichen Entscheid vom Tabellenlohn von monatlich Fr. 7125.- (gemäss LSE 2012 Tabelle TA1, Kompetenzniveau 2, Männer) bzw. von einem Jahreseinkommen von Fr. 85'500.- auszugehen. Aufgerechnet auf die betriebsübliche Wochenarbeitszeit von 41.2 (2013 und 2014) bzw. 41.3 Stunden (2015) und bei einer branchenspezifischen Nominallohnentwicklung bis 2015 (2013: + 1.2 %, 2014: + 1.0 %, 2015: + 0.0 % [Tabelle T1.1.10 Nominallohnindex Männer, 2011-2018]) ergibt sich ein Jahreseinkommen von Fr. 90'231.50, bei einem Pensum von 50 % von Fr. 45'115.75.
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6.3. Bei einem Valideneinkommen von Fr. 164'232.- und einem Invalideneinkommen von Fr. 45'115.75 beträgt der Invaliditätsgrad gerundet 73 %. Insofern ist der vorinstanzliche Entscheid zu korrigieren.
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7. Den Integritätsschaden legte die Vorinstanz gestützt auf die Ausführungen im Gutachten der Gutachterstelle E.________ auf 25 % fest. Weiterungen hierzu erübrigen sich, weil es die Beschwerdeführerin (wie schon vor der Vorinstanz) dabei belässt, den Beweiswert des Gerichtsgutachtens zu bestreiten.
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8. Zu prüfen ist schliesslich, ob die Vorinstanz die Kosten für das Gerichtsgutachten von Fr. 22'647.95 zu Recht der Beschwerdeführerin auferlegt hat.
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8.1. Mit BGE 139 V 496 E. 4.4 S. 502 hat das Bundesgericht für den Bereich der Invalidenversicherung Kriterien aufgestellt, die bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sind, ob die Kosten eines Gerichtsgutachtens der Verwaltung auferlegt werden können. Es erwog, es müsse ein Zusammenhang bestehen zwischen dem Untersuchungsmangel seitens der Verwaltung und der Notwendigkeit, eine Gerichtsexpertise anzuordnen. Dies sei namentlich in folgenden Konstellationen der Fall: Wenn ein manifester Widerspruch zwischen den verschiedenen, aktenmässig belegten ärztlichen Auffassungen bestehe, ohne dass die Verwaltung diesen durch objektiv begründete Argumente entkräftet habe (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469; siehe auch BGE 139 V 225 E. 4 S. 226 und Urteil 8C_71/2013 vom 27. Juni 2013 E. 2); wenn die Verwaltung zur Klärung der medizinischen Situation notwendige Aspekte unbeantwortet gelassen oder auf eine Expertise abgestellt habe, welche die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage nicht erfülle (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Wenn die Verwaltung dagegen den Untersuchungsgrundsatz respektiert und ihre Auffassung auf objektive konvergente Grundlagen oder auf die Ergebnisse einer rechtsgenüglichen Expertise gestützt habe, sei die Überbindung der Kosten des erstinstanzlichen Gerichtsgutachtens an sie nicht gerechtfertigt, aus welchen Gründen dies auch immer erfolge (zum Beispiel aufgrund der Einreichung neuer Arztberichte oder eines Privatgutachtens). Diese Kriterien sind auch im Bereich der Unfallversicherung anzuwenden (BGE 140 V 70 E. 6.2 S. 75; vgl. BGE 143 V 269 E. 3.3 S. 273 f. und E. 7.2 S. 283; vgl. zum Ganzen auch ERIK FURRER, Rechtliche und praktische Aspekte auf dem Weg zum Gerichtsgutachten in der Invalidenversicherung, in: SZS 2019, S. 14).
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8.2. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin weder eine wesentliche Frage nicht abgeklärt noch sich auf eine Beurteilung gestützt, die den Erfordernissen der Rechtsprechung an einen ärztlichen Bericht nicht genügen würde. Vielmehr holte sie bei der Gutachterstelle D.________ ein Gutachten unabhängiger Sachverständiger ein, das den formellen Anforderungen an die Beweiskraft grundsätzlich zu genügen vermag. Anlass zum Gerichtsgutachten gaben erst die im Beschwerdeverfahren aufgelegten medizinischen Unterlagen, namentlich die Gutachten der Gutachterstelle G.________ vom 17. März 2016 und der Gutachterstelle F.________ vom 21. Oktober 2016, die im Auftrag anderer (Sozial-) Versicherer und nach dem Erlass des Einspracheentscheids erstellt worden waren. Damit kann der Beschwerdeführerin keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes vorgeworfen werden. Dass das Gerichtsgutachten für die Fallbeurteilung notwendig war, ändert daran nichts (vgl. BGE 140 V 70 E. 6.2.2 S. 76). Auch der Hinweis der Vorinstanz auf das Urteil 8C_71/2013 vom 27. Juni 2013 führt zu keinem anderen Ergebnis, waren dort doch bereits die Abklärungsergebnisse aus dem Verfahren vor dem Unfallversicherer in rechtserheblichen Punkten widersprüchlich und nicht beweiswertig und fiel eine Rückweisung an den Versicherer zur weiteren Abklärung ausser Betracht (Urteil 8C_71/2013 vom 27. Juni 2013 E. 2.2.3 mit Hinweis auf BGE 137 V 210 E. 4.4.1.3 und 4.4.1.4 S. 264 f.). Dispositiv-Ziffer 5 des angefochtenen Entscheids ist deshalb aufzuheben. Somit gehen die Kosten zu Lasten der kantonalen Gerichtskasse.
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9. Die Beschwerde ist aufgrund des Gesagten zwar teilweise gutzuheissen. Angesichts des lediglich geringfügigen Obsiegens der Beschwerdeführerin im Hauptpunkt rechtfertigt es sich jedoch, dieser die Gerichtskosten vollumfänglich aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und sie zu verpflichten, dem Beschwerdegegner eine ungekürzte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem teilweisen Obsiegen im Kostenpunkt. Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Dezember 2018 wird insoweit abgeändert, als der Beschwerdegegner ab 1. März 2015 Anspruch auf eine Invalidenrente von 73 % hat (Dispositiv-Ziffer 2). Zudem wird der angefochtene Entscheid insoweit aufgehoben, als die Kosten des Gerichtsgutachtens von Fr. 22'647.95 der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG auferlegt werden (Dispositiv-Ziffer 5). Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 27. November 2019
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Betschart
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