BGer 9C_357/2019 | |||
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BGer 9C_357/2019 vom 17.12.2019 |
9C_357/2019 |
Urteil vom 17. Dezember 2019 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiber Williner.
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Verfahrensbeteiligte | |
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Elda Bugada Aebli,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2019 (IV.2016.01272).
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Sachverhalt: | |
A. Der 1982 geborene A.________, zuletzt bis Ende September 2008 als Polymechaniker bei der B.________ AG angestellt, meldete sich im März 2008 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle) liess ihn durch das Medizinische Gutachtenzentrum St. Gallen (MGSG) bidisziplinär (orthopädisch und psychiatrisch) begutachten (Expertise vom 20. September 2009) und sprach ihm ab Oktober 2008 eine ordentliche Dreiviertelsrente sowie drei ordentliche Kinderrenten zu (Invaliditätsgrad 61 %; Verfügung vom 5. Oktober 2010). Anlässlich einer 2012 eingeleiteten Rentenüberprüfung veranlasste die IV-Stelle eine psychiatrische Begutachtung bei der Psychiatrie C.________ (Expertise vom 1. November 2012). Gestützt darauf bestätigte sie den bisherigen Rentenanspruch (Verfügung vom 8. Januar 2013).
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Im Rahmen einer weiteren Rentenüberprüfung holte die IV-Stelle ein polydisziplinäres (orthopädisches, psychiatrisches und internistisches) Gutachten bei der MGSG ein (Expertise vom 8. Juni 2015). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob die Verwaltung die bisher ausgerichtete Dreiviertelsrente per Ende November 2016 auf (Invaliditätsgrad 16 %; Verfügung vom 13. Oktober 2016).
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. März 2019 gut und hob die Verfügung vom 13. Oktober 2016 auf.
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C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Stellungnahme.
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Erwägungen: |
Erwägung 1 | |
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen). Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich diese grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung bzw. Rückweisung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Die beschwerdeführende Partei hat demnach anzugeben, welche Punkte des Entscheids angefochten und welche Abänderungen des Dispositivs beantragt werden. Grundsätzlich ist ein materieller Antrag erforderlich, damit die Beschwerde zulässig ist, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 137 II 313 E. 1.3 S. 317; 136 V 131 E. 1.2 S. 135; 134 III 379 E. 1.3 S. 383; 133 III 489 E. 3.1 S. 489). Bei der Beurteilung, ob die Beschwerdeschrift ein hinreichendes Begehren enthält, darf das Bundesgericht indessen nicht ausschliesslich auf den am Anfang oder am Ende der Rechtsschrift förmlich gestellten Antrag abstellen. Vielmehr kann sich das Begehren auch aus der Begründung oder aus der Begründung zusammen mit dem formellen Antrag ergeben (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f.; 134 III 235 E. 2 S. 236 f.; 133 II 409 E. 1.4.1 S. 415).
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1.2. Die IV-Stelle beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung. Aus der Beschwerdebegründung geht hervor, dass sie mit der Weiterausrichtung der Dreiviertelsrente nicht einverstanden ist und eine Rentenaufhebung anstrebt. Der Antrag ist somit zulässig. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2. BGG; BGE 141 V 234 E. 1 S. 236). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
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3. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es die rentenaufhebende Verfügung vom 13. Oktober 2016 aufhob. Die Vorinstanz legte die diesbezüglich massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Darauf wird verwiesen.
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Zu wiederholen bzw. zu ergänzen ist was folgt: Voraussetzung für eine Rentenrevision bildet die Änderung des Invaliditätsgrads einer rentenbeziehenden Person in einer für den Anspruch erheblichen Weise (Art. 17 Abs. 1 ATSG). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Für eine Rentenanpassung genügt daher nicht bereits irgendeine Veränderung im Sachverhalt. Eine hinzugetretene oder weggefallene Diagnose stellt somit nicht per se einen Revisionsgrund dar, da damit das quantitative Element der (erheblichen) Gesundheitsverbesserung oder -verschlechterung nicht zwingend ausgewiesen ist. Eine weitere Diagnosestellung bedeutet nur dann eine revisionsrechtlich relevante Gesundheitsverschlechterung oder eine weggefallene Diagnose eine verbesserte gesundheitliche Situation, wenn diese veränderten Umstände den Rentenanspruch berühren. An einem Revisionsgrund nach Art. 17 Abs. 1 ATSG mangelt es daher beispielsweise, wenn die Sachverhaltsänderung lediglich in einer Reduktion oder Erhöhung des erwerblichen Arbeitspensums liegt und dieser Umstand für sich allein nicht anspruchsrelevant ist (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 und E. 5.2 S. 12 f. mit Hinweisen; Urteil 9C_42/2019 vom 16. August 2019 E. 5.2).
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Erwägung 4 | |
4.1. In Bezug auf die Entwicklung des Sachverhalts stellte die Vorinstanz gestützt auf die MGSG-Expertise vom 8. Juni 2015 fest, im Vergleich zum Referenzzeitpunkt vom 8. Januar 2013 sei der psychiatrische Gesundheitszustand unverändert. Zwar hätten die Gutachter auf eine Verbesserung in organischer Hinsicht geschlossen, allerdings tangiere diese den Rentenanspruch nicht. Folglich verneinte das kantonale Gericht das Vorliegen eines Revisionsgrunds.
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4.2. Die IV-Stelle beanstandet weder die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung noch die gewählten massgeblichen Referenzzeitpunkte. Sie macht einzig geltend, die vorinstanzliche Interpretation der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Revisionsgrund greife zu kurz. So sei für das Vorliegen eines solchen nur erforderlich, dass eine Veränderung grundsätzlich geeignet sei, den Invaliditätsgrad zu beeinflussen. Sei dies der Fall, könne der Rentenanspruch in einem zweiten Schritt umfassend, unter Einbezug sämtlicher Anspruchselemente und ohne Bindung an frühere Beurteilungen überprüft werden. Nicht erforderlich sei indessen, dass gerade die geänderte Tatsache "für sich" zu einer Neufestsetzung der Invalidenrente führe; vielmehr könne sich bei der allseitigen Prüfung des Rentenanspruchs ergeben, dass ein anderes Anspruchselement zu einer Herauf- oder Herabsetzung oder Aufhebung der Invalidenrente führe.
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5. Die Vorinstanz kam für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 2 hievor) zum Schluss, der Versicherte beziehe eine Dreiviertelsrente wegen eines psychischen Gesundheitsschadens (Invaliditätsgrad 61 %). Dabei hielt sie ausdrücklich fest, die relevante Arbeitsunfähigkeit von 40 % (in angepasster Tätigkeit) habe sich aufgrund der psychischen Pathologie ergeben und die daneben aus somatischer Sicht bestandene marginale Einschränkung von 10 % sei nicht zusätzlich zu berücksichtigen gewesen. In dieser - in tatsächlicher Hinsicht unbestritten gebliebenen - Konstellation ist die gesundheitliche Verbesserung einzig in somatischer Sicht mit neu uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit zum Vornherein ungeeignet, eine Veränderung des Rentenanspruchs zu bewirken. Dies entgegen der Beschwerde nicht, weil die marginale Verbesserung des Gesundheitszustands "für sich" nicht geeignet wäre, den Rentenanspruch zu beeinflussen, sondern weil sie einzig (somatische) Aspekte betrifft, welche weder bei der initialen Leistungszusprache (Verfügung vom 5. Oktober 2010) noch bei deren revisionsweisen Bestätigung (Verfügung vom 8. Januar 2013) - wo im Übrigen nur noch ein psychiatrisches Gutachten veranlasst wurde - erheblich waren. Es erübrigen sich auch Weiterungen zu den zwei in der Beschwerdeschrift konstruierten Fallbeispielen; in keinem dieser Fälle liegt eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Konstellation (Verbesserung in einem nicht anspruchserheblichen Aspekt) vor.
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Es besteht somit kein Raum für eine Rentenaufhebung gestützt auf Art. 17 ATSG. Die Beschwerde ist unbegründet.
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6. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) und dem Versicherten eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Pensionskasse der D.________ schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 17. Dezember 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Der Gerichtsschreiber: Williner
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