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Informationen zum Dokument  BGer 1C_582/2019  Materielle Begründung
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BGer 1C_582/2019 vom 09.04.2020
 
 
1C_582/2019
 
 
Urteil vom 9. April 2020
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Kneubühler, Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiberin Sauthier.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gion-Andri Decurtins,
 
gegen
 
Kanton Zürich,
 
vertreten durch die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, Kantonale Opferhilfestelle.
 
Gegenstand
 
Opferhilfe,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, II. Kammer, vom 27. September 2019 (OH.2018.00003).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ wurde am 30. Juni 2014 während eines stationären Aufenthalts in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) von einem anderen Patienten mit einem Messer angegriffen und verletzt.
1
Am 8. Dezember 2015 schloss A.________ mit der Haftpflichtversicherung der PUK einen aussergerichtlichen Vergleich über die Auszahlung einer abschliessenden Versicherungsleistung in der Höhe von total Fr. 55'000.-- für dieses Ereignis. Am 14. Dezember 2015 stellte das Bezirksgericht Zürich fest, B.________ habe den Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung im Zustand der nicht selbstverschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt. A.________ wurde mit seinen Zivilansprüchen auf den Zivilweg verwiesen. Mit Eingabe vom 1. Juni 2017 stellte A.________ bei der kantonalen Opferhilfestelle Zürich ein Gesuch um finanzielle Leistungen, welches diese mit Verfügung vom 5. Februar 2018 abwies. Dagegen erhob A.________ Beschwerde an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 27. September 2019 ab.
2
B. Mit Eingabe vom 4. November 2019 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Sozialversicherungsgerichts vom 27. September 2019 sei aufzuheben. Weiter seien ihm Kostenbeiträge in der Höhe von Fr. 24'578.05 sowie eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 30'000.00 zzgl. Zins zu 5 % seit dem 30. Juni 2014 auszurichten. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3
Die kantonale Opferhilfestelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Justiz verzichtet auf eine Stellungnahme.
4
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
Der angefochtene Entscheid stellt einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG) im Bereich der Opferhilfe dar. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 lit. a BGG an das Bundesgericht offen. Bei der Opferhilfe geht es nicht um Staatshaftung, weshalb die Streitwertgrenze gemäss Art. 85 Abs. 1lit. a BGG nicht anwendbar ist (BGE 132 II 117 E. 2.2.4 S. 121; Urteil 1C_561/2017 vom 4. Mai 2018 E. 1.1; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist durch den angefochtenen Entscheid, welcher ihm die Opferhilfe verweigert, besonders berührt. Er ist damit zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG).
5
 
2.
 
2.1. Nach Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG; SR 312.5) hat jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, Anspruch auf Opferhilfe. Leistungen der Opferhilfe werden gemäss Art. 4 Abs. 1 OHG jedoch nur endgültig gewährt, wenn der Täter oder die Täterin oder eine andere verpflichtete Person oder Institution keine oder keine genügende Leistung erbringt (sog. Subsidiarität der Opferhilfe).
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2.2. Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen Opfer einer Straftat im Sinn von Art. 1 Abs. 1 OHG geworden und daher grundsätzlich berechtigt, die im Opferhilfegesetz vorgesehene Hilfe zu beanspruchen. Streitpunkt ist indessen, ob er trotz des mit der Haftpflichtversicherung der PUK abgeschlossenen Vergleichs Anspruch auf weitergehende opferhilferechtliche Entschädigung und Genugtuung hat.
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2.3. Dies hat die Vorinstanz verneint. Zur Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer habe mit der Haftpflichtversicherung der PUK eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach ihr diese eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 55'000.-- für die Folgen des tätlichen Angriffs vom 30. Juni 2014 durch einen Mitpatienten auszurichten habe. Mit der Zustimmung zu der in der Vereinbarung enthaltenen Saldoklausel habe der Beschwerdeführer auf über die vereinbarte Summe hinausgehende Zivilforderungen verzichtet. Dieser Verzicht auf weitergehende Zivilforderungen habe zur Folge, dass auch keine entsprechenden opferhilferechtlichen Ansprüche mehr bestünden.
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2.4. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die Vorinstanz verletze Art. 4 OHG, wenn sie aus dem abgeschlossenen Saldovergleich auf einen Verzicht auf darüber hinausgehende Zivilforderungen schliesse. Die im Vergleich mit der Haftpflichtversicherung der PUK, d.h. mit einem Dritten und nicht mit dem Schädiger abgeschlossene Vereinbarung wirke nur zwischen der PUK und ihm und beinhalte einzig die Zahlung eines Teils des ihm erwachsenen Schadens. Zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem Schädiger seien vom Vergleich mit der PUK explizit nicht umfasst, weshalb sie auch nicht untergegangen seien. Es liege entgegen der Auffassung der Vorinstanz keine Identität der Forderungen vor. Die PUK sei nur für den direkten Schaden haftpflichtig geworden, nicht aber für den indirekten Schaden sowie eine allfällige Genugtuung. Gegenüber dem Schädiger habe er weitergehende zivilrechtliche Ansprüche.
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2.5. Der Beschwerdeführer schloss vorliegend mit der Haftpflichtversicherung der PUK am 8. Dezember 2015 einen aussergerichtlichen Vergleich über seine zivilrechtlichen Ansprüche. Gemäss diesem verpflichtete sich die PUK bzw. deren Haftpflichtversicherung als Daran ändert auch der Einwand des Beschwerdeführers nichts, er habe den Vergleich mit einem Dritten, nämlich der Haftpflichtversicherung der PUK, und nicht mit dem Schädiger selbst bzw. deren Haftpflichtversicherung abgeschlossen, wie dies im Urteil 1C_256/2009 der Fall gewesen sei, auf welches sich die Vorinstanz beziehe. Gemäss der in Art. 4 Abs. 1 OHG verankerten Subsidiarität der Opferhilfe werden Leistungen nur gewährt, wenn der Täter (...) odereine andere verpflichtete Person oder Institution keine oder keine genügende Leistung erbringt. Die opferhilferechtlichen Leistungen sind mithin nicht nur gegenüber Leistungen des primär leistungspflichtigen Täters, sondern auch gegenüber Leistungen einer anderen verpflichteten Person oder Institution subsidiär. Vorliegend hat die Haftpflichtversicherung der PUK die fraglichen Leistungen direkt und abschliessend für die Folgen des Ereignisses vom 30. Juni 2014 erbracht. Dass der Vergleich, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, lediglich einen Teil des Schadens betreffe und insbesondere keine indirekten Schäden bzw. keine Genugtuung beinhalte, kann dem Vergleich, bei dessen Aushandlung der Beschwerdeführer im Übrigen anwaltlich vertreten war, nicht entnommen werden. Stattdessen ist ausdrücklich die Rede davon, dass es sich um eine  abschliessende Versicherungsleistung handle, die endgültigerfolge und nicht nur um eine Teilleistung. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt es folglich nicht auf der Hand, dass die Zahlung in der Höhe von Fr. 55'000.-- nur einen Teil des Schadens abgedeckt habe.
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Es mag sodann zwar durchaus möglich sein, dass der tatsächliche Schaden, wie vom Beschwerdeführer behauptet, höher ist als die Summe, die ihm aufgrund des Vergleichs ausbezahlt wurde. Insofern hätte er jedoch bei den Vergleichsgesprächen einen höheren Betrag aushandeln müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht aufgrund der abschliessenden Versicherungsleistung kein Raum mehr, mittels der subsidiären Opferhilfe diese angeblichen Schäden ersetzen zu lassen. Unbehelflich ist demzufolge auch sein Einwand, wonach ihm nach Abzug des Anwaltshonorars als Schadenersatz gerade noch etwas mehr als Fr. 25'000.00 verblieben seien für den brutalen Angriff, zumal in der Vereinbarung ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Anwaltshonorare in der Summe enthalten seien und nicht zusätzlich vergütet würden.
11
2.6. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz folglich kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Ansprüche auf opferhilferechtliche Entschädigung und Genugtuung abwies, weil die zivilrechtlichen Ansprüche des Beschwerdeführers mittels Vergleich mit dem Haftpflichtversicherer der PUK abgegolten worden seien und der Beschwerdeführer im darüber hinausgehenden Betrag auf seine Zivilforderungen verzichtet habe.
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3. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Kosten sind keine zu erheben (Art. 30 Abs. 1 OHG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kanton Zürich, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, II. Kammer, und dem Bundesamt für Justiz BJ schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. April 2020
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier
 
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