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Informationen zum Dokument  BGer 4A_447/2019  Materielle Begründung
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BGer 4A_447/2019 vom 14.04.2020
 
 
4A_447/2019
 
 
Urteil vom 14. April 2020
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Niquille, May Canellas,
 
Gerichtsschreiber Curchod.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
B.________ GmbH,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Donghi, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________ GmbH,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Iten, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Ausschluss eines Gesellschafters,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, vom 9. August 2019
 
(Z1 2018 19).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Die B.________ GmbH, U.________/DE (Beklagte, Beschwerdeführerin) wurde 1992 gegründet und bezweckt den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln für Boden, Pflanzen, Tier und Mensch sowie von technischen Produkten zur Vitalisierung. C.________ ist als Geschäftsführer der Beklagten eingetragen. Seit dem 17. Juni 2013 betreibt die Beklagte eine Zweigniederlassung in V.________/SG.
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A.b. Die A.________ GmbH, W.________ (Klägerin, Beschwerdegegnerin) bezweckt den Vertrieb von marktgerechten Agrar-, Gebrauchs- und Verbrauchsprodukten, insbesondere Heimtierfutter und Nahrungsergänzungen für Boden, Pflanzen, Tier und Mensch sowie die Erbringung von Dienstleistungen in diesen Bereichen, vorwiegend in der Schweiz. Sie wurde im Jahre 2007 gegründet. Die Stammanteile werden zu 70 % von ihrer Geschäftsführerin D.________ gehalten und zu 30 % von der Beklagten.
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B.
 
Mit Klage vom 15. September 2014 beantragte die Klägerin beim Kantonsgericht des Kantons Zug, die Beklagte sei als Gesellschafterin auszuschliessen und deren Stammanteile seien ohne Entschädigung auf die Klägerin zu übertragen.
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Mit Urteil vom 10. November 2016 schloss das Kantonsgericht des Kantons Zug in teilweiser Gutheissung der Klage die Beklagte als Gesellschafterin der Klägerin aus; im Übrigen wies es die Klage ab. Dagegen erhob die Beklagte am 12. Dezember 2016 Berufung beim Obergericht des Kantons Zug. Sie beantragte, das Urteil sei teilweise aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin reichte innerhalb der Berufungsfrist keine Berufungsantwort ein. Mit Urteil vom 24. Oktober 2017 hiess das Obergericht des Kantons Zug die Berufung gut und wies die Klage auf Ausschluss der Beklagten als Gesellschafterin ab.
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Eine gegen das Urteil vom 24. Oktober 2017 des Obergerichts von der Klägerin erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil 4A_629/2017 vom 17. Juli 2018 teilweise gut. Es hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurück.
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Mit Urteil vom 9. August 2019 wies das Obergericht die Berufung ab und bestätigte den Entscheid des Kantonsgerichts vom 10. November 2016.
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C.
 
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte, es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 9. August 2019 aufzuheben und die Klage vom 15. September 2015 abzuweisen, eventualiter sei die Sache an das Obergericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
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Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde und verweist im Weiteren auf seine Erwägungen im angefochtenen Entscheid.
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Die Parteien haben repliziert und dupliziert.
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D.
 
Mit Verfügung vom 20. Dezember 2019 wurde das Gesuch um Entzug der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Endentscheid. (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG. Sodann übersteigt der Streitwert die Grenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist - unter Vorbehalt einer hinlänglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. Art. 106 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten.
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2.
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist dabei, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116, 86 E. 2 S. 89).
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Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Stützt sich der angefochtene Entscheid auf mehrere selbständige Begründungen, so muss sich die Beschwerde mit jeder einzelnen auseinandersetzen, sonst wird darauf nicht eingetreten (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368 mit Verweisen; vgl. auch BGE 143 IV 40 E. 3.4 S. 44).
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90).
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3.
 
3.1. Nach langen "Vorbemerkungen" sowie einer Darstellung des Sachverhalts aus eigener Sicht rügt die Beschwerdeführerin zunächst eine Verletzung ihres Rechts auf Beweis. Dabei nennt sie zahlreiche Beweisanträge, denen ihres Erachtens zu Unrecht im vorinstanzlichen Verfahren nicht entsprochen worden sei. Es ist fraglich, ob ihre Rüge hinreichend präzise ist, legt sie doch nicht dar, was mit den
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3.2. Auch auf die weitere Rüge der Beschwerdeführerin zur angeblichen Verletzung der Beweislastregel von Art. 8 ZGB kann nicht eingetreten werden. Dabei kritisiert sie die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich der am 1. Mai 2003 durchgeführten Informationsveranstaltung sowie der zwischen den Parteien bzw. ihren Organen bestehenden Konfliktsituation. Sie verkennt jedoch, dass die entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz das Bundesgericht binden. Inwiefern diese willkürlich sein sollten, legt sie nicht dar. Im Übrigen verkennt sie, dass die von Art. 8 ZGB geregelte Beweislastverteilung gegenstandslos ist, falls ein Gericht in Würdigung der Beweise zum Schluss gelangt, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt (BGE 141 III 241 E. 3.2 mit Hinweisen). Eine Verletzung von Art. 8 ZGB fällt in Zusammenhang mit den beiden erwähnten Beweisthemen folglich von vorneherein ausser Betracht.
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4.
 
In drei Rügen wirft die Beschwerdeführerin im Wesentlichen der Vorinstanz vor, keine eigene Würdigung vorgenommen zu haben.
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4.1. Nach einem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts sind sowohl dieses selbst als auch die kantonalen Instanzen an die rechtliche Beurteilung, mit der die Rückweisung begründet wurde, gebunden. Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es ihnen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden waren (BGE 135 III 334 E. 2 mit Hinweisen).
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4.2. In seinem Entscheid vom 17. Juli 2018 wies das Bundesgericht die Sache an das Obergericht zur Beurteilung der Einmischung der Beschwerdeführerin in die operative Tätigkeit der Beschwerdegegnerin sowie der zwischen den Parteien bzw. deren Organen bestehenden Konfliktsituation vor dem Hintergrund der personalistischen Ausgestaltung der Beschwerdegegnerin zurück. Dabei stellte es einerseits die Zulässigkeit der Durchführung der Informationsveranstaltung vom 1. Mai 2013 durch C.________ ohne Wissen der Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin - der Beschwerdegegnerin D.________ - in Frage (vgl. E. 4.3.5.1 des Rückweisungsentscheides). Andererseits erwog es, aufgrund des schweren Zerwürfnisses zwischen den Parteien bzw. deren Organen sei fraglich, ob vom Standpunkt der Gesellschaft aus betrachtet, die Fortdauer der Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin zumutbar sei (4.3.5.2 des Rückweisungsentscheides). Infolge des Rückweisungsentscheides prüfte das Obergericht diese beiden Punkte. Es kam zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin mit der Durchführung der Veranstaltung vom 1. Mai 2013 ihre Treuepflicht als nicht geschäftsführende Gesellschafterin in schwerwiegender Weise verletzt habe, und dass die zwischen den Parteien bestehende Konfliktsituation einen wichtigen Grund darstelle, der nach Art. 823 OR den Ausschluss der Beschwerdeführerin als Gesellschafterin der Beschwerdegegnerin rechtfertige.
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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind die vorinstanzlichen Ausführungen nicht zu beanstanden. Dass es sich bei der Durchführung der Informationsveranstaltung vom 1. Mai 2013 um eine Einmischung in die operative Tätigkeit der Beschwerdegegnerin handelte, darf die Beschwerdeführerin nicht mehr bestreiten, wurde dies doch vom Bundesgericht in seinem Rückweisungsentscheid ausdrücklich bejaht. Nichts anderes gilt in Bezug auf die Annahme einer Konfliktsituation zwischen den Parteien bzw. deren Organen. Wegen der Bindung des Bundesgerichts an den Rückweisungsentscheid vom 17. Juli 2018 darf die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines schweren Zerwürfnisses nicht in Frage stellen, wurde doch ein solches vom Bundesgericht bereits ausdrücklich bejaht. Sowohl in Zusammenhang mit der Informationsveranstaltung wie auch mit der Konfliktsituation rügt die Beschwerdeführerin im Übrigen eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung, ohne jedoch konkret aufzuzeigen, weshalb der angefochtene Entscheid offensichtlich unrichtig sein sollte. Ihre Rügen erschöpfen sich vielmehr in einer unzulässigen appellatorischen Kritik.
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5.
 
Zuletzt kritisiert die Beschwerdeführerin die vorinstanzlichen Ausführungen in Bezug auf die Frage der Verantwortlichkeit für die Unzumutbarkeit der Fortdauer der gesellschaftsrechtlichen Beziehung. Sie meint mit Verweis auf ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes, dass ein Gesellschafter nicht zum Ausschluss eines anderen Gesellschafters berechtigt sei, wenn er nach der Sachlage ebenfalls ausgeschlossen werden könnte. Vorliegend ist aus dem angefochtenen Entscheid jedoch nicht ersichtlich, weshalb die Geschäftsführerin der Beschwerdegegnerin als Gesellschafterin hätte ausgeschlossen werden können. Die Beschwerdeführerin stellt sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, D.________ sei insbesondere für die (schwerwiegende) AHV-Problematik verantwortlich, was ihren Ausschluss rechtfertige. Auf diese Erläuterungen kann nicht eingetreten werden, legt die Beschwerdeführerin doch einmal mehr nicht rechtsgenügend dar, weshalb die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung willkürlich sein soll. Ihr Hinweis auf die von ihr im vorinstanzlichen Verfahren gestellten und nicht entsprochenen Beweisanträge genügt dabei nicht. Dass die Vorinstanz - gegebenenfalls in antizipierter Würdigung der offerierten Beweise - den Sachverhalt willkürlich feststellte, wird nicht dargetan. Die Rüge geht fehl.
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6.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin zu auferlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. April 2020
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Kiss
 
Der Gerichtsschreiber: Curchod
 
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