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Informationen zum Dokument  BGer 5D_198/2019  Materielle Begründung
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BGer 5D_198/2019 vom 20.04.2020
 
 
5D_198/2019
 
 
Urteil vom 20. April 2020
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Levante.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander R. Lecki,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Gemeinde Kloten,
 
vertreten durch das Amt für Jugend und Berufsberatung, Geschäftsstelle der Bezirke Bülach und Dielsdorf,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Definitive Rechtsöffnung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 3. September 2019 (RT190068-O/U).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Mit Scheidungsurteil vom 10. Oktober 2007 genehmigte das Bezirksgericht Bülach die zwischen B.A.________ und A.A.________ abgeschlossene Konvention. Damit wurde A.A.________ unter anderem zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 900.-- zuzüglich allfälliger gesetzlicher oder vertraglicher Kinderzulagen an die gemeinsame Tochter C.A.________ (geboren 1. August 1999) verpflichtet. Zudem wurden die Dauer der Unterhaltsverpflichtung und die Zahlungsmodalitäten geregelt.
1
 
B.
 
B.a. Am 18. April 2019 erteilte das Bezirksgericht Dielsdorf der Gemeinde Kloten, Amt für Jugend und Berufsberatung, in der gegen A.A.________ angehobenen Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Dielsdorf für den Betrag von insgesamt Fr. 5'521.20 nebst Zins die definitive Rechtsöffnung. Gegenstand der Betreibung bildeten die für C.A.________ bevorschussten Kinderunterhaltsbeiträge betreffend den Zeitraum August 2018 bis Januar 2019.
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B.b. Dagegen erhob A.A.________ Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Er beantragte im Wesentlichen die Abweisung des Rechtsöffnungsbegehrens. Das Obergericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 3. September 2019 ab.
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C. A.A.________ ist mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 9. Oktober 2019 an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zur materiellen Beurteilung.
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Mit Eingabe vom 26. Februar 2020 hat der Beschwerdeführer nachträglich beantragt, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Mit Verfügung vom 10. März 2020 ist dem Gesuch stattgegeben worden.
5
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt.
6
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz über eine Rechtsöffnung in der Höhe von Fr. 5'521.20 befunden hat. Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen wegen der Streitwertgrenze nicht zur Verfügung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Damit wird die Eingabe des Beschwerdeführers als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. a, Art. 75 Abs. 1 und Art. 113 BGG). Der Beschwerdeführer ist als Schuldner vom angefochtenen Entscheid hinreichend betroffen und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 115 BGG).
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1.2. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist ein reformatorisches Rechtsmittel. Damit genügt der blosse Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Rückweisung der Sache zur materiellen Beurteilung an sich nicht (Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Seiner Eingabe an das Bundesgericht lässt sich immerhin entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Ergebnis die Abweisung des Rechtsöffnungsgesuchs anstrebt. Damit liegt ein genügender Antrag vor.
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1.3. Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden (Art. 116 BGG). Verfassungsrügen müssen gemäss dem strengen Rügeprinzip präzise vorgebracht und begründet werden (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und einlässlich darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt sein sollen (BGE 142 III 364 E. 2.4).
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1.4. Gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) verstossende Beweiswürdigung liegt insbesondere vor, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 V 53 E. 4.3; 120 Ia 31 E. 4b). Willkür in der Rechtsanwendung ist nur gegeben, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz klar verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 144 I 113 E. 7.1).
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1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 117 i.V.m. Art. 99 BGG).
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2. Anlass zur Beschwerde gibt der Einwand des Beschwerdeführers gegen die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung gemäss Art. 80 f. SchKG für die seiner volljährigen Tochter geschuldeten Unterhaltsbeiträge, welche vom bevorschussenden Gemeinwesen geltend gemacht werden. Strittig ist einzig die Dauer der Unterhaltspflicht.
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2.1. Das Urteil, welches ausdrücklich die Zahlung von Unterhalt über die Volljährigkeit hinaus anordnet, stellt einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar, wenn es die geschuldeten Unterhaltsbeiträge betragsmässig festlegt und deren Dauer bestimmt. Die Fortgeltung der Zahlungspflicht über die Volljährigkeit hinaus bis zum Ende der Ausbildung muss im Urteil oder dem gerichtlich genehmigten Vergleich ausdrücklich angeordnet sein. Die Zahlungspflicht ist indessen resolutiv bedingt, d.h. sie besteht bis zum Abschluss der angemessenen Ausbildung und geht mit Eintritt dieser Bedingung unter. Damit ist die Rechtsöffnung zu erteilen, sofern der Schuldner den Eintritt der Resolutivbedingung nicht durch Urkunden zweifelsfrei nachweist oder der Gläubiger diesen vorbehaltlos anerkennt oder wenn dieser notorisch ist (BGE 144 III 193 E. 2.2).
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2.2. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Tochter des Beschwerdeführers im vorliegend massgebenden Zeitraum (August 2018 bis Januar 2019) über keine abgeschlossene Erstausbildung verfügte. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers sei nicht (urkundlich) erwiesen, dass seine Tochter infolge eigenverschuldeten Abbruchs der Lehre zur Fachfrau Betreuung EFZ den Eintritt der Resolutivbedingung, d.h. den Abschluss einer angemessenen Erstausbildung, wider Treu und Glauben vereitelt habe. Damit fehle es an einem tauglichen Beweis für die Entkräftung des definitiven Rechtsöffnungstitels.
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2.3. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz Willkür (Art. 9 BV) bei der Beweiswürdigung und bei der Rechtsanwendung vor. Seiner Ansicht nach fehlt es an einem definitiven Rechtsöffnungstitel für die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge. Zudem erweise sich die Feststellung der Vorinstanz, dass die Resolutivbedingung für die Befristung der Unterhaltspflicht nicht eingetreten sei, als willkürlich.
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2.3.1. Die vom Scheidungsrichter mit Urteil 10. Oktober 2007 genehmigte Konvention lautet in Ziff. 3/3 des Dispositivs wie folgt:
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"Der Gesuchsteller verpflichtet sich, an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung des Kindes monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 900.--, zuzüglich allfällige gesetzliche oder vertragliche Kinderzulagen, jeweils am Ersten eines Monats im Voraus zu bezahlen, zahlbar ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zum Abschluss der ordentlichen Erstausbildung des Kindes, auch über die Mündigkeit hinaus, zahlbar an die Gesuchstellerin, solange das Kind in deren Haushalt lebt, keine selbstständigen Ansprüche gestützt auf Art. 277 Abs. 2 ZGB gegen den Gesuchsteller stellt und keine andere Zahlungsstelle bezeichnet."
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Die Vorinstanz erachtete die Konvention in Bezug auf die strittigen Unterhaltsbeiträge als nicht speziell auslegungsbedürftig. Zudem handle es sich beim massgeblichen Text um eine gerichtsübliche Formulierung. Aufgrund des Wortlautes und des Aufbaus des Dispositivs Ziff. 3/3 dränge sich der Schluss auf, dass die Unterhaltsbeiträge unter gewissen Bedingungen an die Mutter zu zahlen sind. Geregelt werde damit die Zahlungsstelle und nicht die Dauer der Unterhaltspflicht. Die Fortgeltung der Zahlungspflicht über die Volljährigkeit hinaus stehe entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers in keinem Zusammenhang mit dem Wohnsitz der Tochter bei der Mutter, mit deren Geltendmachung eigener Ansprüche und der Bezeichnung einer neuen Zahlungsstelle. Vor diesem Hintergrund war die definitive Rechtsöffnung nach Ansicht der Vorinstanz zu gewähren. Eine vom Sachgericht gewählte Formulierung, deren Sinn sich nicht mit Sicherheit ermitteln lasse, wie sie das Bundesgericht für die Verweigerung der Rechtsöffnung voraussetze (BGE 143 III 564 E. 4.3.2), liege im konkreten Fall nicht vor.
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2.3.2. Der Beschwerdeführer besteht demgegenüber auch vor Bundesgericht darauf, dass der Inhalt der strittigen Unterhaltsklausel sich nicht mit Sicherheit ermitteln lasse, weshalb die Gewährung der definitiven Rechtsöffnung an einem qualifizierten Mangel leide; er beruft sich dabei auf den BGE 143 III 564 (E. 4.3.2). Das Bundesgericht hat in diesem Urteil vorerst die Kompetenzen von Sachrichter und Rechtsöffnungsrichter abgegrenzt. Erweist sich ein Entscheid als unklar oder unvollständig, so hat sich einzig der Sachrichter damit zu befassen. Der Rechtsöffnungsrichter hingegen hat den Entscheid nicht auf seinen materiellen Gehalt zu prüfen oder ungenaue Formulierungen auszulegen. Er hat hingegen nicht nur das Dispositiv, sondern auch die Erwägungen eines Entscheides zu berücksichtigen, um sich über dessen Qualität als definitiver Rechtsöffnungstitel auszusprechen. Dabei kann er selbst auf weitere Belege abstellen, falls der Entscheid auf solche verweist. Bleibt das Dispositiv nach einer solchen Prüfung immer noch unklar, ist die definitive Rechtsöffnung zu verweigern. Daraus folgt, dass nicht jede gerichtlich genehmigte Vereinbarung, die eine Auslegung erfordert und allenfalls die Kenntnisnahme der Erwägungen des Entscheides nötig macht, auf eine ungeschickte Formulierung des Sachrichters zurückgeht und den Kompetenzbereich des Rechtsöffnungsrichters verlässt. Inwiefern die Lesart der Vorinstanz in Bezug auf die in Frage stehende Dispositivziffer 3/3 der gerichtlich genehmigten Konvention für den Rechtsöffnungsrichter nicht nachvollziehbar sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er beschränkt sich auf die Behauptung, dass sich seine Zahlungspflicht über die Volljährigkeit hinaus nicht mit Sicherheit ermitteln lasse. Damit genügt er den Begründungsanforderungen an eine Willkürrüge an dieser Stelle nicht. Auf die Vorbringen ist nicht einzutreten.
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2.3.3. Davon zu unterscheiden ist die inhaltliche Tragweite des strittigen Dispositivs. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass mit der gewählten Formulierung die Mutter als Inhaberin der elterlichen Obhut hinsichtlich des Kinderunterhaltes abgesichert werde und die Beiträge darum an sie zu entrichten seien. Erst wenn die Tochter nach Erreichen der Volljährigkeit aus dem Haushalt der Mutter ausziehen werde, sollte sie einen eigenen Anspruch auf Unterhalt geltend machen können. Mit diesem Vorbringen nimmt der Beschwerdeführer nicht Stellung zum vorinstanzlichen Standpunkt, dass es sich beim strittigen Dispositiv um eine gerichtsübliche Formulierung handle. Ebenso wenig nimmt er Stellung zum Aufbau des Dispositivs, woraus die Vorinstanz ableitet, dass anhand der Festlegung der Zahlungsstelle nicht auf die Dauer der Unterhaltspflicht geschlossen werden könne. Mit der blossen Schilderung seiner Sichtweise genügt der Beschwerdeführer auch hier seiner Begründungspflicht nicht, womit auf diese Willkürrüge nicht einzugehen ist.
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2.3.4. Hinsichtlich des Eintritts der Resolutivbedingung und damit der Befristung des Volljährigenunterhalts macht der Beschwerdeführer geltend, der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt beruhe auf treuwidrig unvollständigen bzw. manipulierten Beweismitteln. Es würden bewusst wesentliche Beweise wie Arztberichte seitens des Beschwerdegegners zurückbehalten und stattdessen Dokumente mit leeren Seiten vorgelegt. Damit werde ihm als Schuldner verunmöglicht, den strikten Urkundenbeweis für den Eintritt der Resolutivbedingung zu erbringen und der Grundsatz von Treu und Glauben in der Prozessführung verletzt. In einem solchen Fall sei eine Umkehr der Beweislast bzw. die Lösung über die Beweiswürdigung anzustreben, wie die Lehre dies fordere. Mit diesen Ausführungen stellt der Beschwerdeführer zwar den Stellenwechsel seiner Tochter nicht in Frage. Hingegen bringt er vor, dass die gesundheitlichen Gründe hierfür nicht nachgewiesen seien. Die Vorinstanz hielt indes klar fest, dass die Tochter des Beschwerdeführers ihre Erstausbildung aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen hatte und ihr Lehrvertrag als Fachfrau Betreuung EFZ daher aufgelöst werden musste. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Gründe für einen Stellenwechsel seiner Tochter seien nicht nachgewiesen, sind angesichts dieser Feststellung nicht nachvollziehbar. Damit entbehrt auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Tochter habe den Eintritt der Resolutivbedingung treuwidrig vereitelt, jeder Grundlage. Aus dieser Sicht erweist sich der angefochtene Entscheid im Ergebnis keineswegs als willkürlich.
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2.4. Nach dem Gesagten kann, soweit auf die Rügen des Beschwerdeführers überhaupt eingetreten werden kann, der Vorinstanz keine Verletzung des Willkürverbotes oder anderer verfassungsmässiger Rechte vorgeworfen werden.
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3. Der Beschwerde ist damit insgesamt kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu leisten, da der Beschwerdegegnerin keine ersatzpflichtige Kosten entstanden sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. April 2020
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Levante
 
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