BGer 8C_5/2020 | |||
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BGer 8C_5/2020 vom 22.04.2020 |
8C_5/2020 |
Urteil vom 22. April 2020 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
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Gerichtsschreiber Jancar.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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IV-Stelle Nidwalden,
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Stansstaderstrasse 88, 6371 Stans,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit, Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts Nidwalden vom 9. September 2019 (SV 19 9).
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Sachverhalt: | |
A. Der 1966 geborene A.________ war seit 1. November 2006 als Trockenbaumonteur bei der B.________ AG angestellt. Am 26. Oktober 2012 erlitt er einen Hirninfarkt. Am 25. Februar 2013 meldete er sich bei der IV-Stelle Nidwalden zum Leistungsbezug an. Am 16. Juli 2014 übernahm diese ab 1. August 2014 die Kosten für eine dreijährige Umschulung zum Logistiker. Diese wurde am 31. Juli 2015 vorzeitig abgebrochen. Die IV-Stelle holte ein interdisziplinäres Gutachten des Spitals C.________ vom 31. Oktober 2016 ein. Der Versicherte reichte ein Gutachten des Neurologen Prof. Dr. med. D.________ vom 26. März 2017 ein. Die IV-Stelle veranlasste daraufhin ein interdisziplinäres Gutachten des BEGAZ, Begutachtungszentrum Baselland, Binningen, vom 22. Juni 2018. Mit Verfügung vom 24. Januar 2019 sprach sie dem Versicherten vom 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2014 und ab 1. August 2015 eine Dreiviertelsrente (Invaliditätsgrad 67 %) zu.
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B. Die hiergegen vom Versicherten erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Nidwalden mit Entscheid vom 9. September 2019 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihm ab 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2014 sowie vom 1. August 2015 bis auf Weiteres eine ganze Invalidenrente zuzusprechen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen: | |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Als Rechtsfrage gilt, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der rechtsprechungsgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es - der IV-Stelle folgend - dem Beschwerdeführer vom 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2014 und ab 1. August 2015 statt einer ganzen Invalidenrente eine Dreiviertelsrente zusprach.
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Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG), die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30) und den Beweiswert ärztlicher Berichte (E. 1 hiervor; BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 352) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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3. | |
3.1. Die Vorinstanz erwog in medizinischer Hinsicht, gemäss dem interdisziplinären (internistischen, psychiatrischen, neurologischen und neuropsychologischen) BEGAZ-Gutachten vom 22. Juni 2018 sei der Beschwerdeführer in der angestammten Tätigkeit als Trockenbauer zu 60 % arbeitsunfähig. In einer angepassten Tätigkeit sei er zu 50 % arbeitsfähig. Soweit er die Feststellung der Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit kritisiere, sei dies unbegründet, da die IV-Stelle von der Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit ausgegangen sei.
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3.2. | |
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, seit 2016 arbeite er selbstständigerwerbend als Geschäftsführer der E.________ AG in einem 30%igen Pensum im Bereich der Bauleitung für Umbauten und Renovationen. Subjektiv stehe er mit diesem Pensum an seiner Belastungsgrenze. Dies habe auch der neurologische BEGAZ-Gutachter bestätigt. Im BEGAZ-Gutachten sei eigentlich seine Tätigkeit bei der E.________ AG als optimale Verwertung seiner verbliebenen Arbeitsfähigkeit angesehen worden. Gleichzeitig bringt der Versicherte vor, die BEGAZ-Gutachter hätten ihre Beurteilung bloss auf leichte Verweisungstätigkeiten, nicht aber auf seine jetzige Tätigkeit bezogen. Diese Frage sei somit nicht abschliessend geklärt, weshalb keine umfassende Begutachtung vorliege. Die Vorinstanz gehe mithin willkürlich davon aus, er sei in der E.________ AG nicht nur zu 30 %, sondern zu 50 % arbeitsfähig. Sie habe den Sachverhalt somit offensichtlich unrichtig festgestellt.
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3.2.2. Im BEGAZ-Gutachten vom 22. Juni 2018 wurde festgehalten, subjektiv stehe der Versicherte mit dem 30%igen Pensum in seinem Betrieb an seiner Belastungsgrenze. Dies wurde aber nicht als Massstab für die Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit angesehen. Vielmehr stellten die BEGAZ-Gutachter interdisziplinär fest, neurologischerseits sei der Versicherte seit September 2013 in einer angepassten Tätigkeit, die nach Möglichkeit eigenstrukturiert, mit regelmässiger Pausen, ohne Zeitdruck und ohne mittelschwere bis schwere körperliche Belastungen ausgeübt werden könne, zu 50 % arbeitsfähig. Gesamtmedizinisch bestehe somit eine 50%ige Arbeitsfähigkeit in adaptierter Tätigkeit.
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Die Vorinstanz erwog zwar, in diesem Rahmen könnte der Beschwerdeführer auch in der E.________ AG zweifelsohne zu 50 % tätig sein. Ob dies zutrifft, kann aber letztlich offen bleiben. Denn sie stützte sich bei der Ermittlung des vom Versicherten trotz Gesundheitsschadens erzielbaren Invalideneinkommens zu Recht auf eine leidensangepasste Tätigkeit auf dem hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt ab (vgl. E. 5 hiernach).
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4. | |
4.1. Streitig ist zudem das vom Beschwerdeführer ohne Gesundheitsschaden erzielbare Valideneinkommen. Bei dessen Ermittlung ist in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Lohn anzuknüpfen, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30).
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4.2. Die Vorinstanz erwog, der Auszug aus dem individuellen Konto (IK) und das Lohnblatt zeigten für das Jahr 2012 ein Einkommen von Fr. 89'209.-. Den Lohnblättern für die Jahre 2010 bis 2012 lasse sich ein Lohnanstieg von 0.3 % (Fr. 20.-) im Jahr 2011 und von 1.4 % (Fr. 85.-) im Jahr 2012 feststellen. Die aufgrund des Schreibens der B.________ AG vom 1. März 2019 geltend gemachte jährliche Lohnerhöhung von Fr. 1612.- ab dem Jahr 2013 erscheine angesichts der Lohnerhöhungen bis 2012 und im Verhältnis zum Monatslohn von rund Fr. 6000.- als nicht überwiegend wahrscheinlich. Eine mutmassliche Validenkarriere habe die B.________ AG in diesem Schreiben explizit ausgeschlossen. Auf welchen Gesamtarbeitsvertrag sie sich beziehe, sei daraus nicht ersichtlich. Im Bauhauptgewerbe sei letztmals 2014 eine generelle Lohnerhöhung von 0.4 % gesamtarbeitsvertraglich festgelegt worden. Die IV-Stelle habe das Valideneinkommen somit zu Recht gestützt auf die Angaben im IK festgesetzt. Dabei habe sie ausgehend von Fr. 89'209.- im Jahr 2012 aufgrund der Nominallohnentwicklung bis zum Jahr 2017 ein Einkommen von Fr. 92'387.- ermittelt.
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4.3. Der Versicherte wiederholt auf Seite 7 Ziff. 6 der letztinstanzlichen Beschwerde wortwörtlich die in der kantonalen Beschwerde auf Seite 5 Ziff. 5 vorgebrachten Argumente. Auf diese blossen Wiederholungen ist nicht weiter einzugehen (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1 und E. 2.3 S. 245 ff.; Urteil 8C_603/2019 vom 22. November 2019 E. 4).
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4.4. | |
4.4.1. Weiter macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, mit dem Schreiben vom 1. März 2019 habe die B.________ AG die effektive Lohnentwicklung bestätigt. Wenn die Vorinstanz diesem Schreiben mit dem Verweis auf die sonstige generelle Lohnentwicklung gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) keinen Beweiswert zuerkenne, verfalle sie in Willkür. Zudem verletze sie seine Ansprüche auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK. Sie unterstelle der B.________ AG eine Lüge. Diese habe am 1. März 2019 bestätigt, die Lohnerhöhungen von Fr. 1612.- auch den anderen Arbeitnehmern gewährt zu haben. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt somit offensichtlich unrichtig festgestellt und sein Recht auf Beweis verletzt. Der Geschäftsführers der B.________ AG, F.________, sei als Zeuge zu befragen.
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4.4.2. Im Scheiben vom 1. März 2019 führte F.________ von der B.________ AG bloss pauschal aus, der Lohn des Versicherten hätte sich gemäss den gesamtarbeitsvertraglichen Lohnerhöhungen von 2013 bis 2019 um Fr. 1612.- pro Jahr erhöht. Die Lohnerhöhungen 2019 würden erst per April 2019 vorgenommen und seien bereits im vorher genannten Betrag enthalten. Entgegen dem Versicherten gab er nicht an, diese Lohnerhöhungen seien auch den anderen Arbeitnehmern gewährt worden. Die Vorinstanz legte einlässlich und schlüssig dar, weshalb auf sein Schreiben vom 1. März 2019 nicht abgestellt werden kann (E. 4.2 hiervor). Mit diesen Erwägungen setzt sich der Versicherte nicht hinreichend substanziiert auseinander. Er zeigt nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, dass das vorinstanzliche Ergebnis auf einer offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung oder willkürlichen Beweiswürdigung beruht.
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Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz auf weitere Abklärungen verzichten. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen die Ansprüche auf freie Beweiswürdigung sowie Beweisabnahme (Art. 61 lit. c ATSG) und auch nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit (Art. 6 Ziff. 1 EMRK), den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) oder das Gebot eines fairen Verfahrens nach Art. 9 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_411/2019 vom 16. Oktober 2019 E. 9).
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5. | |
5.1. Umstritten ist weiter das Invalideneinkommen. Bei dessen Ermittlung setzt die Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Verdienstes unter anderem voraus, dass die versicherte Person ihre verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie auf dem hypothetischen ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) einen höheren als den tatsächlich erhaltenen Lohn erzielen könnte (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; Urteil 8C_631/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 6; zum Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarktes siehe BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459, 134 V 64 E. 4.2.1 S. 70 f.).
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Hat die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen, so können nach der Rechtsprechung die Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) herangezogen werden (BGE 143 V 295 E. 2.2 S. 296). Praxisgemäss können persönliche und berufliche Merkmale der versicherten Person wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad einen auf höchstens 25 % begrenzten Leidensabzug vom LSE-Tabellenlohn rechtfertigen, soweit anzunehmen ist, dass die trotz des Gesundheitsschadens verbleibende Leistungsfähigkeit infolge eines oder mehrerer dieser Merkmale auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem Einkommen verwertet werden kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Diese Praxis gilt grundsätzlich auch nach der LSE-Revision von 2012 (BGE 142 V 178 E. 2.5.7 i.f. S. 189).
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5.2. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, in der E.________ AG schöpfe der Versicherte mit dem 30%igen Pensum die ihm verbliebene 50%ige Arbeitsfähigkeit nicht zumutbar aus. Bei der Bestimmung des Invalideneinkommens habe die IV-Stelle somit zu Recht die Tabelle TA1, Total, Männer, privater Sektor, der LSE für das Jahr 2014 beigezogen. Aufgrund der Ausbildung und der Berufserfahrung des Versicherten sei auch zu Recht auf das Kompetenzniveau 2 (praktische Tätigkeiten wie Verkauf/Pflege/Datenverarbeitung und Administration/Bedienen von Maschinen und elektronischen Geräten/ Sicherheitsdienst/Fahrdienst) abgestellt worden. Dies ergebe bei einem 100%igen Pensum ein Jahreseinkommen von rund Fr. 72'435.- bzw. bei einem 50%igen Pensum ein solches von Fr. 30'785.- (richtig: Fr. 36'218.-). Der von der IV-Stelle vorgenommene 15%ige Abzug vom LSE-Tabellenlohn erscheine als angemessen. Somit resultiere ein Invalideneinkommen von Fr. 30'785.-.
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5.3. | |
5.3.1. Der Versicherte wendet ein, aufgrund des BEGAZ-Gutachtens seien ihm nur noch gewisse eingeschränkte Dienstleistungsarbeiten im unteren Einkommensbereich möglich. Er könne nicht in einem Team arbeiten und lediglich ohne Zeitdruck mit vermehrten Pausen leichte körperliche Belastungen bewältigen. Damit sei zwingend das Kompetenzniveau 1, Sektor 3, Dienstleistungen, Sparte Männer, der LSE-Tabelle TA1 anzuwenden. Zudem sei der Leidensabzug auf mindestens 20 % zu bemessen (fortgeschrittenes Alter [53-jährig], stark kognitive Einschränkungen, Gleichgewichtsstörungen, lediglich Teilzeitarbeit möglich).
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5.3.2. Wenn die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität - wie hier - nicht auf den angestammten Beruf zurückgreifen kann, rechtfertigt sich die Anwendung von LSE-Kompetenzniveau 2 praxisgemäss nur dann, wenn sie über besondere Fertigkeiten und Kenntnisse verfügt (Urteil 8C_732/2018 vom 26. März 2019 E. 8.2.1). Der Beschwerdeführer ist gelernter Zimmermann. Unbestritten sind weiter die vorinstanzlichen Feststellungen, dass er Ausbildungen zum Vorarbeiter und Projektleiter sowie einen CAD-Kurs absolvierte. Bis 2005 war er bei verschiedenen Firmen als Zimmermann, Akkord-Eisenleger, -Schaler und -Maurer sowie Büromöbelmonteur, Vorarbeiter und Projektleiter erwerbstätig. Vom 1. November 2006 bis 25. Oktober 2012 war er als Trockenbauer angestellt. Seit 2016 ist er Inhaber und Geschäftsführer der E.________ AG. Auf ihrer Webseite wird dieses Unternehmen laut vorinstanzlicher Feststellung als kompetenter Partner für Wohnungssanierungen bezeichnet. Weiter wird darin angegeben, der Beschwerdeführer sei der erfahrene Baufachmann "für ihr Bauprojekt". Man übernehme die Projektierung, Planung und Bauführung individueller Bauprojekte. Unter diesen Umständen erscheint es nicht als offensichtlich unrichtig, wenn die Vorinstanz davon ausging, er verfüge über die besonderen Fähigkeiten zur Erzielung des Durchschnittslohns (Total) gemäss dem LSE-Kompetenzniveau 2. Entgegen dem Versicherten beinhaltet der ausgeglichene Arbeitsmarkt im Kompetenzniveau 2 zweifellos ausreichend Arbeitsstellen, die dem im BEGAZ-Gutachten vom 22. Juni 2018 erstellten Zumutbarkeitsprofil entsprechen (vgl. E. 3.2.2 hiervor und E. 5.3.3 hiernach).
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5.3.3. Die Beurteilung der Abzugshöhe ist eine Ermessensfrage, so dass lediglich zu prüfen ist, ob die Vorinstanz ihr Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise ausgeübt hat (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72; Urteil 8C_495/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 4.1). Es rechtfertigt sich nicht, für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen und diese zusammenzuzählen. Vielmehr ist der Abzug gesamthaft unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen zu schätzen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Dabei stellt nicht jede statistische Abweichung bereits eine zu berücksichtigende überproportionale Lohndifferenz dar (Urteil 8C_712/2019 vom 12. Februar 2020 E. 5.2.2). Dem Alter kommt bei der Abzugsfrage nur beschränkte Bedeutung zu. So fällt der Umstand, dass die Stellensuche altersbedingt erschwert sein mag, als invaliditätsfremder Faktor regelmässig ausser Betracht (Urteil 8C_219/2019 vom 30. September 2019 E. 5.3).
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Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Versicherten bereits in dem von den BEGAZ-Gutachtern festgestellten Belastungs- und Anforderungsprofil berücksichtigt wurden, weshalb sie nicht noch einmal als abzugsrelevant herangezogen werden können (vgl. Urteil 8C_203/2019 vom 18. Juli 2019 E. 5.3 mit Hinweis). Im Weiteren ist ein Abzug nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil dem Beschwerdeführer nur noch körperlich leichte Tätigkeiten zumutbar sind. Denn der LSE-Tabellenlohn im Kompetenzniveau 2 umfasst bereits eine Vielzahl von leichten Tätigkeiten. Im vorliegenden Fall ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass dem Anforderungs- und Belastungsprofil des Versicherten entsprechende Verweisungstätigkeiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt angeboten werden.
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Insgesamt zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz mit der Gewährung eines 15%igen statt des verlangten 20%igen Abzugs (vgl. E. 5.3.1 hiervor) das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt haben soll.
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5.4. Nach dem Gesagten ist das von der Vorinstanz veranschlagte Invalideneinkommen von Fr. 30'785.- nicht zu beanstanden. Damit besteht zum tatsächlich erzielten Einkommen des Versicherten bei der E.________ AG von Fr. 25'000.- (2016) bzw. Fr. 22'000.- (2017) eine erhebliche Diskrepanz, weshalb er das ihm verbliebene Leistungsvermögen, insbesondere mit Blick auf das dortige Pensum (30 %), nicht in zumutbarer Weise ausschöpft. Auf den Verdienst in diesem Betrieb ist somit nicht abzustellen (vgl. auch Urteil 8C_631/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 6.2).
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5.5. Der Vergleich des Valideneinkommens von Fr. 92'387.- (vgl. E. 4.2 hiervor) mit dem Invalideneinkommen von Fr. 30'785.- ergibt einen Invaliditätsgrad von 67 % (zur Rundung vgl. BGE 130 V 121), weshalb die Zusprache einer Dreiviertelsrente rechtens ist.
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6. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht Nidwalden, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 22. April 2020
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Der Gerichtsschreiber: Jancar
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