BGer 8C_134/2020 | |||
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BGer 8C_134/2020 vom 29.04.2020 |
8C_134/2020 |
Urteil vom 29. April 2020 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
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Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Fäh,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Unfallversicherung (Invalideneinkommen),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 20. Dezember 2019 (UV.2019.00241).
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Sachverhalt: | |
A. Die 1983 geborene A.________ war seit dem 16. Januar 2013 bei der B.________ AG als Mitarbeiterin Auftragsprüfung angestellt und in dieser Eigenschaft über ihre Arbeitgeberin obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 28. Juni 2013 stürzte sie beim Hinaufgehen einer Treppe zuerst rückwärts aufs Gesäss und glitt danach - auf dem Rücken liegend - die weiteren Treppenstufen hinunter. Dabei zog sie sich multiple Prellungen an der gesamten Wirbelsäule und am linken Schulterbereich zu. Trotz physiotherapeutischer Behandlung persistierten Beschwerden an der linken Schulter. Aufgrund eines infiltrationsbedingten Infekts mit Staphylokokken erfolgte am 10. Januar 2014 eine operative Spülung und Ausräumung des Abszesses. Weitere Schulterarthroskopien fanden am 14. Januar 2014, 4. September 2015 und 8. Mai 2017 statt, die jedoch zu keiner Besserung der Beschwerdesymptomatik führten. Die Behandlungsoption einer Schulterarthrodese lehnte die Versicherte in der Folge ab. Am 22. Februar 2018 untersuchte der Kreisarzt, Dr. med. C.________, Facharzt Chirurgie FMH, die Versicherte und schätzte den Integritätsschaden. Mit Verfügung vom 30. Mai 2018 sprach ihr die Suva mit Wirkung ab 1. Juni 2018 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 37 % sowie eine Integritätsentschädigung von 50 % zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 29. August 2019 fest.
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B. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. Dezember 2019 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr eine 100%ige Invalidenrente auszurichten.
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Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
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1. | |
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 57 E. 4.2 S. 61 mit Hinweis).
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1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht mit der Bestätigung des Rentenanspruchs bei einem Invaliditätsgrad von 37 % Bundesrecht verletzt hat. Dabei steht unbestrittenermassen fest, dass die Beschwerdeführerin in einer angepassten Tätigkeit unter Berücksichtigung des Belastungsprofils und eines erhöhten Pausenbedarfs zu 80 % arbeitsfähig ist. Umstritten ist hingegen die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit auf dem massgeblichen ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
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3. Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über das anwendbare Recht (BGE 141 V 657 E. 3.5.1 S. 661; Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des UVG vom 25. September 2015, AS 2016 4375, 4387) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für den Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG), die Ermittlung des Invalideneinkommens (BGE 143 V 295 E. 2.2 S. 296; 135 V 297 E. 5.2 S. 301) gestützt auf die Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE; BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen;) sowie die allgemeinen beweisrechtlichen Anforderungen an einen ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.3a S. 352; insbesondere von versicherungsinternen Ärzten (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469,). Darauf wird verwiesen.
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4. | |
4.1. Hinsichtlich des Invalideneinkommens führte die Vorinstanz aus, dass zwar bei faktischer Einarmigkeit eine erheblich erschwerte Verwertbarkeit (der Restarbeitsfähigkeit) anzunehmen sei. Gemäss gefestigter Rechtsprechung würden jedoch genügend realistische Betätigungsmöglichkeiten selbst für Personen bestehen, die funktionell als Einarmige zu betrachten seien und überdies nur noch leichte Arbeit verrichten könnten. Zu denken sei an einfache Überwachungs-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten sowie an die Bedienung von (halb-) automatischen Maschinen oder Produktionseinheiten, die keinen Einsatz des nicht mehr funktionstüchtigen Armes oder der nicht mehr einsetzbaren Hand voraussetzen würden. Die Vorinstanz wies ferner darauf hin, dass die Verwaltung zusätzlich dem Umstand der unterdurchschnittlichen Verwertbarkeit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin Rechnung trug, indem sie ihr den maximalen leidensbedingten Abzug von 25 % vom Tabellenlohn gewährte.
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4.2. Damit bestätigte die Vorinstanz - wenigstens implizit - das von der Suva festgesetzte Invalideneinkommen in Anwendung des statistischen Tabellenlohns gemäss Tabelle TA1 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE 2016, Sektor Dienstleistungen, Frauen, Kompetenzniveau 1), und somit einen monatlichen Bruttolohn von Fr. 4281.-. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit (41.7 Stunden) und der bis 2018 eingetretenen Nominallohnentwicklung ergibt sich daraus ein Jahreseinkommen von Fr. 54'038.40. Aufgrund der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit (20 %) sowie eines leidensbedingten Abzugs von zusätzlich 25 % resultiert ein bereinigtes Einkommen von Fr. 32'423.-. Weshalb der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der unfallbedingten Restbeschwerden ausschliesslich eine Tätigkeit im Dienstleistungssektor zumutbar sein soll, erschliesst sich nicht aus den Akten. Ihr Leistungsprofil (vgl. hiernach E. 4.3) lässt vielmehr darauf schliessen, dass ihr aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eine Vielzahl von adaptierten Tätigkeiten auch in anderen Wirtschaftsbereichen ausserhalb des Dienstleistungssektors zumutbar sind. Damit wäre praxisgemäss auch hier bei der Bestimmung des tabellarischen Referenzlohnes vom Durchschnittslohn im gesamten privaten Sektor gemäss Zeile "Total" der LSE-Tabelle TA1 auszugehen (vgl. Urteil 8C_534/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 5.2 mit Hinweis auf BGE 144 I 103 E. 5.2 S. 110). Angesichts des Umstands, dass das Invalideneinkommen dadurch höher ausfiele (4363 x 12./. 40 x 41.7 + 0.4 % + 0.5 % = 55'074 - 20 % - 25 % = 33'044.-), was einen tieferen Invaliditätsgrad ergäbe (verglichen mit dem unbestrittenen Valideneinkommen von Fr. 51'521.- / 33'044.- = 36 %), entfällt jedoch eine letztinstanzliche Korrektur (Art. 107 Abs. 1 BGG; vgl. Urteil 8C_419/2018 vom 11. Dezember 2018 E. 4.5).
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4.3. Soweit die Beschwerdeführerin moniert, sie könne auf keinen Fall in einer angepassten Tätigkeit ein Invalideneinkommen von Fr. 41'000.- erwirtschaften, so verkennt sie, dass die Suva - und im Ergebnis auch die Vorinstanz - von einem wesentlich tieferen Invalideneinkommen, nämlich von Fr. 32'423.- (vgl. E. 4.2 hiervor) ausgingen. Dass das Invalideneinkommen nicht gestützt auf die LSE-Tabellenlöhne zu ermitteln wäre, macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend. Sie wendet aber ein, dass für funktionell Einarmige, die nur Tätigkeiten aus dem Kompetenzniveau 1 zu verrichten vermöchten, keine Arbeitsstellen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt existierten. Aus dem Bericht des Kreisarztes gehe klar hervor, dass sie keine handwerklichen Arbeiten oder Tätigkeiten körperlicher Art ausführen dürfe.
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4.4. Diese Argumentation verfängt offensichtlich nicht. Insbesondere ist dem kreisärztlichen Bericht nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin gar keine körperlichen Tätigkeiten zumutbar wären. Vielmehr erläuterte der Kreisarzt in seinem Bericht vom 23. Februar 2018, dass das Heben und Tragen sowie das Hantieren mit Werkzeugen auf der rechten Seite frei seien. Das Sitzen und Stehen, etwaiges Knien und Kniebeugen könnten ebenfalls durchgeführt werden. Sodann bestätigte der Kreisarzt, dass die Fortbewegung nicht eingeschränkt sei. Mithin sind körperliche und handwerkliche Tätigkeiten, die keine manuelle Betätigung der linken, adominanten oberen Extremität erfordern und eine wechselbelastende Haltung längerfristig erlauben, der Beschwerdeführerin zumutbar.
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4.5. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz bestehen auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt gemäss konstanter Rechtsprechung genügend realistische Betätigungsmöglichkeiten für Personen, die funktionell als Einarmige zu betrachten sind und überdies nur noch leichte Arbeit verrichten können (vgl. etwa Urteile 9C_124/2019 vom 28. Mai 2019 E. 3.2; 8C_811/2018 vom 10. April 2019 E. 4.4.2 mit weiteren Hinweisen; 8C_227/2018 vom 14. Juni 2018 E. 4.2.1). Dass in den vorinstanzlich zitierten Urteilen die versicherte Person nicht als funktionell einarmig oder -händig galt, sondern vereinzelt noch Tätigkeiten mit der beeinträchtigten Hand als Zudienhand zu verrichten vermochte, ändert nichts an der wiederholt bestätigten Praxis des Bundesgerichts. Damit ist lediglich dargetan, dass selbst Personen mit funktioneller Einarmig- oder Einhändigkeit, denen die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit wie bei der Beschwerdeführerin tatsächlich sehr erschwert ist, dennoch ein hinreichend grosses Spektrum an realistischen Betätigungsmöglichkeiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt unterstellt wird. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass praxisgemäss im Rahmen der Invaliditätsbemessung unter Beizug der statistischen Durchschnittslöhne das kantonale Gericht nicht gehalten ist, die Arbeitsgelegenheiten auf dem massgeblichen ausgeglichenen Arbeitsmarkt weitergehend zu konkretisieren (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459 f.; Urteile 8C_815/2019 vom 30. Januar 2020 E. 6.2; 8C_ 587/2019 vom 30. Oktober 2019 E. 6.2). Somit ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit bejahte und das Invalideneinkommen gestützt auf die statistischen Werte der LSE-Tabellenlöhne festlegte.
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4.6. Die vorinstanzlichen Feststellungen zu den erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung werden im Übrigen nicht beanstandet und geben keinen Anlass zu Weiterungen.
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5. Die Beschwerde erweist sich als insgesamt offensichtlich unbegründet und wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid erledigt.
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6. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 29. April 2020
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu
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