BGer 9C_592/2019 | |||
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BGer 9C_592/2019 vom 25.05.2020 |
9C_592/2019 |
Urteil vom 25. Mai 2020 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Parrino, Präsident,
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Bundesrichter Meyer, Stadelmann,
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Gerichtsschreiber Grünenfelder.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Habegger,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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SUPRA-1846 SA, Avenue de la Rasude 8, 1006 Lausanne,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Krankenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. August 2019 (200 19 76 KV).
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Sachverhalt: | |
A. Die 1961 geborene A.________ war vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 bei der SUPRA-1846 SA, Lausanne, obligatorisch krankenpflegeversichert. Infolge einer Gewichtsreduktion von anfänglich 140 kg auf 65 kg (Magenbypass im Februar 2007) bei einer Körpergrösse von 175 cm traten eine Hyertrophie beider Brüste sowie Hautüberschüsse an den Oberschenkeln, den Oberarmen und im Bereich des unteren Stammes auf. Nach Rücksprache mit ihrem Vertrauensarzt erteilte die SUPRA-1846 SA einzig Kostengutsprache für die geplante Brustverkleinerung, verneinte jedoch eine Leistungspflicht in Bezug auf die operativen Hautlappenentfernungen. Am 16. Juni 2017 wurde die erwähnte Mammareduktionsplastik und -straffung sowie der Eingriff an beiden Oberschenkeln durchgeführt. Ein erneutes Begehren der A.________ um Übernahme der Kosten für letztere Operation sowie die noch bevorstehenden Oberarm- und Stammkorrekturen lehnte die SUPRA-1846 SA mit Verfügung vom 13. März 2018 ab (bestätigt mit Einspracheentscheid vom 28. Dezember 2018).
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 5. August 2019 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie der Verfügung vom 13. März 2018 und des Einspracheentscheides vom 28. Dezember 2018 seien ihr die Kosten für die bereits durchgeführte Operation an den Oberschenkeln zu bezahlen und Kostengutsprache für bevorstehende Korrektur der Oberarme und des Stammes zu erteilen.
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Die SUPRA-1846 SA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen: | |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2.
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2.1. Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden Leistungen (vgl. Art. 25 ff. und 32 Abs. 1 KVG) zutreffend dargelegt. Korrekt sind insbesondere die Ausführungen hinsichtlich der Leistungspflicht der Krankenkasse bei operativen Entfernungen von Mammaptosen, Fettschürzen und Hauterschlaffungen nach einer Gewichtsreduktion (statt vieler: SVR 2016 KV Nr. 16 S. 80, 9C_319/2015 E. 3 mit Hinweis auf RKUV 2006 KV 358 S. 55, K 135/04 E. 2.2 und 2.3). Darauf wird verwiesen.
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2.2. Zu ergänzen ist, dass Krankheit als Rechtsbegriff die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, verstanden als ein von der Norm abweichender Körper- oder Geisteszustand, sowie das Erfordernis einer medizinischen Untersuchung oder Behandlung voraussetzt. Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss folglich ein gewisses Mindestmass erreichen, damit ihr Krankheitswert zukommt. Auf übliche und erträgliche Abweichungen von Ideal- oder Normvorstellungen trifft dies nicht zu (BGE 137 V 295 E. 4.2.2 S. 298 mit Hinweisen). Auch die Kostenübernahme für die Behandlung von Krankheitsfolgen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung bedingt, dass diese auf einer pathologischen (so schon: BGE 121 V 289 E. 2b S. 293) Veränderung des Gesundheitszustandes beruhen und daher als Krankheit zu qualifizieren sind (zum Ganzen: Urteil 9C_552/2018 vom 21. Dezember 2018 E. 5.2 mit Hinweisen).
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3. Die Vorinstanz hat die Beschwerdegegnerin in zeitlicher Hinsicht einzig für die am 16. Juni 2017 durchgeführte operative Korrektur der Hautüberschüsse und der Fettverteilungsstörung an den Oberschenkeln als zuständig erachtet. Eine diesbezügliche Leistungspflicht hat sie verneint, weil keine Krankheit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 ATSG vorliege, sondern lediglich eine ästhetische Beeinträchtigung, welche weder behandlungsbedürftige physische Beschwerden mit Krankheitswert noch eine objektiv schwere Entstellung verursacht habe. Nachdem auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwiesen sei, dass die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin auf den ästhetischen Mangel zurückgeführt werden müsse, entfalle ein Anspruch auf Kostenübernahme auch unter diesem Titel.
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4.
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4.1. Der (erneute) Einwand, es seien nicht nur die Oberschenkelkorrektur, sondern auch die Kosten für die noch bevorstehenden Operationen der Oberarme und des Stammes zu übernehmen, ist nicht stichhaltig. Denn dass das Versicherungsverhältnis mit der Beschwerdegegnerin nur bis zum 31. Dezember 2017 dauerte, weil die Beschwerdeführerin per 1. Januar 2018 einen Versicherungswechsel vornahm, wird von keiner Seite in Abrede gestellt. Inwieweit dergestalt eine Rechtsverletzung vorliegen soll, wenn das kantonale Gericht eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin für die späteren Eingriffe verneint hat, ist nicht ersichtlich (zum Behandlungsprinzip vgl. Urteil K 27/06 vom 9. Mai 2007 E. 3.1 mit Hinweis auf SVR 2007 KV Nr. 8 S. 31, K 114/05 E. 1). Daran vermögen sämtliche Vorbringen in der Beschwerde nichts zu ändern.
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4.2. Zu prüfen bleibt damit, ob die Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der vorgenommenen Oberschenkeloperation leistungspflichtig ist.
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4.2.1. In tatsächlicher Hinsicht steht fest (E. 1), dass die Beschwerdeführerin bei einer Körpergrösse von 175 cm von anfänglich 140 kg auf nurmehr 65 kg abgenommen hat (vgl. vorinstanzliche Erwägung 3.2). Folglich trat ein aussergewöhnlich grosser Gewichtsverlust von deutlich mehr als der Hälfte des eigenen Körpergewichts ein. Dies stellt für sich allein bereits eine Anomalie dar, welche den Krankheitsbegriff erfüllt (vgl. E. 2.2).
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4.2.2. Zudem lässt die vorinstanzliche Begründung jeden Bezug zur konkreten Situation der Beschwerdeführerin vermissen. Die durch die Gewichtsreduktion eingetretenen Folgen sind, wie sich aus der im Spital B.________ angefertigten Fotodokumentation ergibt, durchaus drastisch und können nicht als bloss kosmetischer Defekt bezeichnet werden. Vielmehr ist anhand der medizinischen Akten zweifelsfrei belegt, dass dadurch behandlungsbedürftige Einschränkungen und Schmerzen mit Krankheitswert verursacht wurden. Diese drängten andere - ästhetische - Motive eindeutig zurück (vgl. RKUV 2006 KV 358 S. 55, K 135/04 E. 1). So begründete der behandelnde Arzt Dr. med. C.________, Spital B.________, die Operationsindikation insbesondere mit Schwellungen, Rötungen und chronischen Entzündungen im Bereich beider Oberschenkel; es bestünden schmerzhafte Beschwerden beim Gehen (vgl. Berichte vom 15. März und 23. November 2017).
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Bei der Beschwerdeführerin entstand durch die Gewichtsreduktion ausserdem eine derart ausgeprägte Hautlappenbildung an den Oberschenkeln, dass sich die überschüssige Haut dort nach unwidersprochen gebliebener Aussage des Dr. med. C.________ um nicht weniger als ca. 15 cm pro Bein abheben liess. Darin liegt - als Effekt der Krankheitsbehandlung (adipositas per magna) - seinerseits ein eindeutig pathologischer Zustand. Vor diesem Hintergrund ist die vorinstanzliche Qualifizierung, wonach es sich bei der Gewichtsabnahme um einen normalen physiologischen Prozess handle, der weder an sich noch bezüglich seiner Folgen Krankheitswert aufweisen könne, rechtlich unhaltbar. Ob die bei der Beschwerdeführerin gemäss Angaben der Universitären Psychiatrischen Dienste D.________ vorliegende schwere depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32.2) geeignet ist, eine Leistungspflicht auszulösen, was das kantonale Gericht verneint hat, kann demnach dahingestellt bleiben.
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5. Nach dem Gesagten verletzt der angefochtende Entscheid Bundesrecht, soweit damit eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin für die operative Korrektur der Hautüberschüsse und Fettverteilungsstörung an den Oberschenkeln verneint wird. Damit ist die Beschwerde teilweise begründet.
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6. Die unterliegende Beschwerdegegnerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. August 2019 und der Einspracheentscheid der SUPRA-1846 SA vom 28. Dezember 2018 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Sinne der Erwägungen 4.2 und 5 Anspruch auf Kostenübernahme für die am 16. Juni 2017 durchgeführte operative Oberschenkelkorrektur hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
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4. Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen.
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5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 25. Mai 2020
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Parrino
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Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder
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