BGer 2C_352/2020 | |||
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BGer 2C_352/2020 vom 26.05.2020 |
2C_352/2020 |
Urteil vom 26. Mai 2020 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Zünd,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Gerichtsschreiber Matter.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Kolb,
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gegen
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Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI.
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Gegenstand
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Amtshilfe (DBA CH-PL),
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Beschwerde gegen das Urteil
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des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
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vom 22. April 2020 (A-4163/2019).
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. Das "Tax Information Exchange Office" (nachfolgend: TIEO) der polnischen Steuerbehörde ersuchte am 4. Dezember 2018 die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) um Informationen, gestützt auf das Abkommen vom 2. September 1991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA CH-PL, SR 0.672.964.91). Es ging um Geschäfte der polnischen Gesellschaft A.________., hinsichtlich derer die B.________ Bank AG (nachfolgend: die Bank), mit Sitz in der Schweiz, über Informationen verfügen soll.
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Die Informationen bezogen sich im Wesentlichen auf einen Kredit der B.________ Bank (Luxemburg) SA an die polnische Gesellschaft und um die Sicherheiten, welche diesen Kredit garantierten. Dazu lautete Frage 3 des Ersuchens: "Are assets of third persons a basis of granting banking guarantee? If so, who? Who lodged them as security of credits? For what period?".
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1.2. Daraufhin wandte sich die EStV mit Editionsverfügung vom 13. Dezember 2018 an die Bank, die der Verfügung am 9. Januar 2019 teilweise nachkam, aber nur ungenügend hinsichtlich der dritten Frage. Diese präzisierte die EStV im Sinne der folgenden Aufforderung: Identität (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum bzw. Name und Begründungsdatum, Adresse), der von der Bank bloss ihrer Funktion nach angegebenen Dritten (Aktionäre und Verwandte), welche die Garantie mittels Vermögen gesichert haben sollen. Dieser Anfrage kam die Bank mit Antwort vom 12. Februar 2019 nach.
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1.3. Mit Abschlussverfügung vom 16. Juli 2019 leistete die EStV betreffend die A.________. Amtshilfe an Polen und erklärte, die von der Bank editierten Informationen zu übermitteln, insbesondere Folgendes als Antwort auf die dritte Frage: "According to B.________ Bank SA, in the concerned period, the guarantee provided by B.________ Bank AG to B.________ Bank (Luxemburg) SA was in turn secured by assets supplied by the ultimate shareholders of A.________ and/or by their relatives as well as by assets of entities controlled or funded by them and more specifically by... [es folgen die Namen und Vornamen, Geburtsdaten und Adressen von vier Personen, allesamt wohnhaft in den Fürstentümern Liechtenstein oder Monaco]").
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1.4. Gegen die Abschlussverfügung der EStV erhob die Gesellschaft erfolglos Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welches am 22. April 2020 die Beschwerde abwies, soweit es darauf eintrat und wendet sich nun mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.
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2. | |
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a BGG). Die Beschwerdeführerin macht geltend, hier würden sich zwei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. In beiderlei Hinsicht ist jedoch nicht ersichtlich, wie auf die Beschwerde eingetreten werden könnte.
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2.1. Wie Art. 84 BGG bezweckt auch Art. 84a BGG die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist u.a. dann gegeben, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Rechtsfrage handelt, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft (vgl. dazu näher BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E. 4 S. 342 f., je m.w.H.). Eine solche Frage ist weiter dann anzunehmen, wenn die Vorinstanz von der bundesgerichtlichen Praxis abweicht (vgl. u.a. das Bundesgerichtsurteil 2C_712/2019 vom 1. September 2019 E. 2.1 m.w.H). Die Anwendung rechtsprechungsgemässer Prinzipien im Einzelfall ist keine Frage grundlegender Bedeutung (vgl. Bundesgerichtsurteile 2C_829/2019 vom 8. Oktober 2019 E 3.1.2; 2C_588/2018 vom 13. Juli 2018 E 4.2; 2C_370/2018 vom 4. Mai 2018 E. 4.3).
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2.2. Einerseits macht die Beschwerdeführerin geltend, es stelle sich die Frage mit grundsätzlicher Bedeutung, ob die EStV im Rahmen von internationalen Amtshilfeverfahren in Steuersachen erhaltene Sachverhaltsangaben unter Berücksichtigung des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips zu hinterfragen habe, wenn der Betroffene Angaben und Unterlagen vorbringe, welche die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Informationen in Zweifel zu ziehen vermöchten. Das Bundesgericht habe sich mit dem Vertrauensprinzip zwar mehrfach auseinandergesetzt, dennoch würden klare und für die Praxis nachvollziehbare Kriterien fehlen; solche gelte es hier zu entwickeln, damit ausreichende Rechtssicherheit geschaffen werde.
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Nun ist aber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in einem spezifischen Teilbereich ergangen, für dessen rechtliche Würdigung die bundesgerichtliche Rechtsprechung bereits umfassende und hinreichend differenzierte Beurteilungskriterien erarbeitet hat, welche hier auch zur Anwendung gekommen sind. Wesentlich sind insbesondere die beiden folgenden Konkretisierungskriterien: Zum Einen ist zu fragen, ob die Erheblichkeit infolge der seitens der Betroffenen erhobenen Zweifel als geradezu unwahrscheinlich einzustufen ist (vgl. dazu BGE 144 II 29 E. 4.2.2; 142 II 161 E. 2.1.1, je m.w.H.). Zum Anderen kommt das Verbot der Beweisausforschung (bzw. von sog. "fishing expeditions") als Ausfluss des Prinzips der Verhältnismässigkeit zum Tragen (vgl. zu den verwendeten Beurteilungskriterien gesamthaft und mit weiteren Hinweisen: E. 3.1 des angefochtenen Urteils.
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Das gilt insbesondere unter den konkret gegebenen Umständen: Geht es um die steuerliche Behandlung von Krediten und den dafür geleisteten Sicherheiten, so ist regelmässig nicht nur die persönliche Identität der Garanten von Belang, sondern auch deren Funktion im Transaktionsgefüge und die (geschäftliche oder sonstige) Beziehung zur überprüften Gesellschaft. Wenn die Vorinstanz sowohl eine nur unwahrscheinliche Erheblichkeit als auch eine blosse Beweisausforschung verneint hat, so gründet sich das auf eine genügend verlässliche und voraussehbare Praxis, die weder einer Vervollständigung noch einer zusätzlichen Verfeinerung durch das Bundesgericht bedarf.
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2.3. Die Beschwerdeführerin vertritt andererseits die Auffassung, um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung gehe es auch insofern, als hier eine unzulässige spontane Amtshilfe seitens der EStV vorliege. Deren Abschlussverfügung laufe darauf hinaus, über das Amtshilfeersuchen hinausgehende Auskünfte "tel quel" an den ersuchenden Staat weiterzuleiten. Ob das zulässig sei, müsse das Bundesgericht klären, da es nicht dem Zufallsprinzip überlassen werden könne, in welchem Umfang die Informationen übermittelt würden.
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Entgegen dieser Darstellung trifft nicht zu, dass die EStV hier unaufgefordert Informationen überliefern wolle, die vom ersuchenden Staaten gar nicht als massgeblich eingestuft bzw. bezeichnet worden wären. Die dritte Frage des polnischen Ersuchens (vgl. dazu oben E. 1.1 in fine) mag wohl auslegungsbedürftig sein. Wenn die EStV gegenüber der Bank darauf bestand, sowohl die Namen als auch die anderen erforderten Angaben zu erhalten (vgl. oben E. 1.2), so blieb das innerhalb des Rahmens voraussichtlicher Erheblichkeit und stand durchaus im Einklang mit den sich aus den konkreten Umständen ergebenden Erfordernissen (vgl. oben E. 2.2 in fine).
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Klarerweise innerhalb des Ersuchens und der Grenzen einer voraussichtlichen Erheblichkeit blieb es, die Sicherheitsleistungen nicht nur für das Jahr 2014, sondern für den Zeitraum ab 2012 einzufordern. Wenn das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen auf das Gesuch der Beschwerdeführerin, die Namen der hinter den Sicherheitsleistungen stehenden Personen zu schwärzen, nicht eingetreten ist, so entspricht das ebenfalls der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 139 II 404 E. 11.1). Soweit die Vorinstanz schliesslich bestätigt hat, dass kein Anlass besteht, diese Drittpersonen am Verfahren zu beteiligen, so ist nicht dargetan, dass diese rechtliche Würdigung im Widerspruch zur höchstrichterlichen Praxis stünde und diesbezüglich somit eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. oben E. 2.1) anzunehmen sei.
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2.4. Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten und wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (vgl. Art. 65 f. BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 26. Mai 2020
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Matter
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