BGer 8C_508/2019 | |||
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BGer 8C_508/2019 vom 27.05.2020 |
8C_508/2019 |
Urteil vom 27. Mai 2020 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht,
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Gerichtsschreiberin Berger Götz.
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Verfahrensbeteiligte | |
IV-Stelle des Kantons Zürich,
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Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Taggeld),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
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vom 3. Juni 2019 (IV.2018.00239).
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Sachverhalt: | |
A. Die 1967 geborene A.________ war vom 1. April 2001 bis 31. August 2008 jeweils sechs Stunden pro Woche für den Verein X.________ als Haushilfe tätig. Am 29. Januar 2008 hatte sie sich unter Hinweis auf Handgelenksbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons Zürich verneinte mit Verfügung vom 19. September 2014 einen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung. Die hiergegen erhobene Beschwerde der A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in dem Sinne gut, dass es die Sache in Aufhebung des Verwaltungsaktes zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurückwies (Entscheid vom 2. September 2015).
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Daraufhin klärte die IV-Stelle die medizinische und erwerbliche Situation erneut ab und holte in diesem Rahmen namentlich ein polydisziplinäres Gutachten beim BEGAZ Begutachtungszentrum BL, Binningen, vom 17. November 2016 ein. Am 17. November 2017 erteilte sie ausserdem Kostengutsprache für eine Potenzialabklärung bei der Werkstätte Y.________, die vom 15. November bis 14. Dezember 2017 dauerte. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie mit Verfügung vom 23. Februar 2018 einen Anspruch auf ein IV-Taggeld während der Potenzialabklärung.
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B. In Gutheissung der dagegen eingereichten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Verwaltungsakt vom 23. Februar 2018 auf und stellte fest, A.________ habe für die Zeit der Potenzialabklärung bei der Werkstätte Y.________ Anspruch auf Taggelder der Invalidenversicherung (Entscheid vom 3. Juni 2019).
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C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der kantonalgerichtliche Entscheid vom 3. Juni 2019 sei aufzuheben und die Verfügung vom 23. Februar 2018 sei zu bestätigen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
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Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) stellt das Rechtsbegehren, die Beschwerde der IV-Stelle sei unter Aufhebung des kantonalgerichtlichen Entscheids vollumfänglich gutzuheissen.
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Mit Schreiben vom 28. November 2019 hat A.________ eine kurze Stellungnahme zur Vernehmlassung des BSV einreichen lassen.
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D. Der Instruktionsrichter hat der Beschwerde mit Verfügung vom 16. Oktober 2019 die aufschiebende Wirkung gewährt.
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie einen Anspruch der Versicherten auf IV-Taggelder für die Zeit der Potenzialabklärung bei der Werkstätte Y.________ bejahte.
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3. |
3.1. | |
3.1.1. Gemäss Art. 22 Abs. 1 IVG in der vorliegend geltenden, seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung (5. IV-Revision; AS 2007 5129) haben Versicherte während der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen nach Art. 8 Abs. 3 IVG Anspruch auf ein Taggeld, wenn sie an wenigstens drei aufeinander folgenden Tagen wegen der Massnahmen verhindert sind, einer Arbeit nachzugehen, oder in ihrer gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) sind. Nach dem französischen Wortlaut endet die Bestimmung so: " (...) si ces mesures l'empêchent d'exercer une activité lucrative durant trois jours consécutifs au moins, ou s'il présente, dans son activité habituelle, une incapacité de travail (art. 6 LPGA) de 50 % au moins." Italienisch ist derselbe Text folgendermassen formuliert: " (...) se questi provvedimenti gli impediscono di esercitare un'attività lucrativa per almeno tre giorni consecutivi o se presenta, nella sua attività abituale, un'incapacità al lavoro (art. 6 LPGA) almeno del 50 per cento."
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Neben den Anspruchsberechtigten gemäss Art. 22 Abs. 1 IVG haben auch Versicherte in der erstmaligen beruflichen Ausbildung und solche, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben und noch nicht erwerbstätig gewesen sind, Anspruch auf ein Taggeld, wenn sie ihre Erwerbsfähigkeit ganz oder teilweise einbüssen (Art. 22 Abs. 1bis IVG). Bezieht eine versicherte Person eine Rente, so wird ihr diese während der Durchführung von Integrationsmassnahmen nach Art. 14a IVG und von Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG anstelle eines Taggeldes weiter ausgerichtet (Art. 22 Abs. 5bis IVG) und zusätzlich zur Rente ein Taggeld, falls sie infolge der Durchführung einer Massnahme einen Erwerbsausfall erleidet oder das Taggeld einer anderen Versicherung verliert (Art. 22 Abs. 5ter IVG).
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3.1.2. Art. 23 IVG legt die Grundentschädigung fest. Gemäss Art. 23 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung beträgt die Grundentschädigung 80 Prozent des letzten ohne gesundheitliche Einschränkung erzielten Erwerbseinkommens, jedoch nicht mehr als 80 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG. Bei Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG beträgt sie 80 Prozent des Erwerbseinkommens, das die versicherte Person unmittelbar vor Beginn der Massnahme erzielt hat, jedoch nicht mehr als 80 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes (Abs. 1bis). Sie beträgt 30 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG für Versicherte, die das 20. Altersjahr vollendet haben und ohne Invalidität nach abgeschlossener Ausbildung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätten (Abs. 2). Nach Art. 23 Abs. 2bis IVG beträgt sie höchstens 30 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG für Versicherte in der erstmaligen beruflichen Ausbildung und für Versicherte, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben und noch nicht erwerbstätig gewesen sind. Der Bundesrat setzt die Höhe der Grundentschädigung fest.
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Bis Ende 2007 sah Art. 23 aAbs. 1 IVG (AS 2003 3837 3853; BBl 2001 3205) zudem vor, dass die Grundentschädigung nicht weniger als 30 Prozent und nicht mehr als 80 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG beträgt. Für Versicherte, die vor der Eingliederung nicht erwerbstätig waren, war gemäss dem alten, bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Art. 23 aAbs. 2 IVG eine Grundentschädigung im Umfang von 30 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG vorgesehen. Diese sogenannte Taggeld-Mindestgarantie ist im Rahmen der 5. IV-Revision weggefallen (vgl. dazu E. 6.2 hiernach).
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3.2. Nach Art. 20sexies Abs. 1 IVV (in Kraft seit 1. Januar 2008; AS 2007 5155) gelten Versicherte als erwerbstätig, die unmittelbar vor Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben (lit. a) oder glaubhaft machen, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten (lit. b). Lit. b der Verordnungsbestimmung lautet in der französischen Version: " (...) peuvent rendre vraisemblable que, après la survenance de l'incapacité de travail, ils auraient entamé une activité lucrative d'une assez longue durée." Und in der italienischen Fassung: " (...) possono affermare plausibilmente che avrebbero successivamente intrapreso un'attività lucrativa di una certa durata se non fosse insorta l'incapacità al lavoro." Art. 20sexies Abs. 2 IVV stellt den erwerbstätigen Versicherten gleich: arbeitslose Versicherte, die Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung haben oder mindestens bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hatten (lit. a), und Versicherte, die nach krankheits- oder unfallbedingter Aufgabe der Erwerbstätigkeit Taggelder als Ersatzeinkommen beziehen (lit. b).
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4. | |
4.1. Das kantonale Gericht hielt gestützt auf die Akten fest, dass die Beschwerdegegnerin durchgehend angegeben habe, sie würde im Gesundheitsfall vollzeitlich erwerbstätig sein. Per September 2008 habe sie eine Stelle im Rahmen eines 80 %-Pensums auf Provisionsbasis angenommen, diese aber im Oktober 2008 bereits wieder aufgeben müssen. Zudem habe die IV-Stelle die Versicherte im Rahmen der Invaliditätsbemessung als zu 70 % Erwerbstätige qualifiziert und die gemischte Methode angewendet. Die Verwaltung sei demnach im Mai 2017 selbst davon ausgegangen, die Beschwerdegegnerin würde im Gesundheitsfall in einem 70 %-Pensum erwerbstätig sein. Wenn sie daher im Rahmen der Invaliditätsbemessung eine 70%ige Erwerbstätigkeit annehme, bei der Prüfung des Taggeldanspruchs jedoch zum Schluss gelange, die Beschwerdegegnerin wäre im Gesundheitsfall nicht erwerbstätig, so erscheine dies widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Den Akten könnten zudem keine Hinweise entnommen werden, dass die Versicherte eine Erwerbstätigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erst lange nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wieder aufgenommen hätte. Es erscheine folglich glaubhaft, dass sie im Gesundheitsfall erwerbstätig wäre, womit sie Anspruch auf IV-Taggelder während der Potenzialabklärung habe.
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4.2. Die IV-Stelle wendet dagegen unter Hinweis auf die Verwaltungspraxis (Kreisschreiben über die Taggelder der Invalidenversicherung [KSTI] in der ab 1. Januar 2017 gültigen Fassung) ein, Anspruch auf das IV-Taggeld komme nur jenen versicherten Personen zu, die unmittelbar vor ihrer Arbeitsunfähigkeit erwerbstätig gewesen seien, oder die glaubhaft machten, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten (Rz. 1003.1 f. KSTI). Der Beweis im Sinne des Glaubhaftmachens gelte als geleistet, wenn die IV-Stelle die Überzeugung gewinne, die versicherte Person hätte ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen (Rz. 1003.3 KSTI). Die Vorinstanz habe richtigerweise festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Ende 2010 nicht erwerbstätig gewesen sei und deshalb glaubhaft machen müsse, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätte. Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig Erwerbstätige oder als Nichterwerbstätige einzustufen sei (Qualifikation), ergebe sich aus der Prüfung, was sie bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Bei der Qualifikation gehe es lediglich um eine hypothetische Annahme unter Berücksichtigung aller Kriterien des Einzelfalls. Ob die versicherte Person eine solche (Teil-) Erwerbstätigkeit dann tatsächlich aufnehme oder auch nur aufnehmen möchte, spiele für die Qualifikation keine Rolle. Bei der für den Taggeldanspruch massgebenden Erwerbstätigkeit gehe es hingegen um eine tatsächliche Anstellung mit einem effektiv erzielten Lohn. Dies zeige bereits Rz. 1003.2 KSTI, wonach für die Prüfung des Taggeldanspruchs als erwerbstätig gelte, wer unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit ein der AHV-Beitragspflicht unterstelltes Erwerbseinkommen erzielt habe. Diese Anstellung müsse zudem von längerer Dauer sein. Dazu verweise Rz. 1003.2 KSTI auf das Kreisschreiben über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art (KSBE, Stand 1. Januar 2019). Dort sei nach Rz. 2005 und 3005.1 vorausgesetzt, dass ein während mindestens sechs Monaten erzieltes, ökonomisch bedeutsames Erwerbseinkommen vorliegen müsse. Diese Ausführungen in den Kreisschreiben müssten zweifellos auch für Art. 20sexies Abs. 1 IVV gelten. Demzufolge habe eine versicherte Person für einen Taggeldanspruch nach Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV glaubhaft zu machen, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Arbeitsstelle mit einem AHV-beitragspflichtigen Einkommen von mindestens sechs Monaten aufgenommen hätte. Weder die Vorinstanz noch die Beschwerdegegnerin würden nun aber geltend machen, dass Letztere bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Ende 2010 eine konkrete Arbeitsstelle in Aussicht gehabt hätte. Auch in den Akten gebe es keine Hinweise für die Aufnahme einer solchen konkreten Tätigkeit. Deshalb sei es rechtmässig, dass die IV-Stelle die Voraussetzungen von Art. 20sexies IVV als nicht erfüllt erachtet und den Anspruch auf Taggelder verneint habe.
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4.3. Die Beschwerdegegnerin lässt vorbringen, Kreisschreiben seien für gerichtliche Instanzen nicht verbindlich. Das KSTI verändere das Beweismass, indem nicht mehr Glaubhaftmachen, sondern überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich sein solle. Wenn der "Gesetzgeber" aber das Beweismass des Glaubhaftmachens verlange, sei es nicht zulässig, dass die Rechtsunterworfene diese materiellrechtliche Grundlage mit einem Kreisschreiben unterlaufe. Es sei richtig, dass im Rahmen der 5. IV-Revision die Taggeld-Mindestgarantie weggefallen sei. Ersetzt worden sei sie mit den Erfordernissen von Art. 20sexies IVV. Der "Gesetzgeber" habe Personen, die glaubhaft machen würden, dass sie im Gesundheitsfall erwerbstätig wären, Anspruch auf Taggelder einräumen wollen. Dies ergebe sich aus einer wörtlichen Auslegung der Verordnungsbestimmung klar und eindeutig. Deshalb würden sich spekulative Überlegungen zum Willen des "Gesetzgebers" erübrigen. Die Versicherte sei während der Ehe erkrankt, habe aber immer angegeben, dass sie im Gesundheitsfall erwerbstätig bzw. infolge der Scheidung gezwungen wäre, einer vollen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Solche Erwerbsbiografien seien für Frauen typisch. Überspannte Anforderungen an den Nachweis einer Erwerbstätigkeit würden also auf eine indirekte Frauendiskriminierung hinauslaufen. Entgegen den Ausführungen der IV-Stelle müsse die Versicherte nicht beweisen, dass sie Ende 2010 eine konkrete Arbeitsstelle in Aussicht gehabt habe. Sie habe lediglich glaubhaft zu machen, dass sie im Gesundheitsfall im Zeitraum vom 15. November bis 11. Dezember 2017 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre. Die Vorinstanz habe anhand einer konkreten Beweiswürdigung eine Sachverhaltsfeststellung in diesem Sinn getroffen. Daran sei das Bundesgericht grundsätzlich gebunden.
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4.4. Das BSV betont, dass der Gesetzgeber bei der 5. IV-Revision im Taggeldbereich die Absicht verfolgt habe, das negative Anreizsystem im Zusammenhang mit der Eingliederung zu beseitigen. Dies habe zur Aufhebung der Mindestgarantie geführt. Ein Taggeldanspruch solle gemäss Ziel dieser Revision nur noch jenen Personen zustehen, die vor der Arbeitsunfähigkeit erwerbstätig gewesen seien. Die Bestimmung von Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV sei in der Praxis auch früher schon zu extensiv ausgelegt worden. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen sei eine blosse Absichtserklärung der versicherten Person nicht ausreichend, um die Eigenschaft als Erwerbstätige zu erlangen. Bei Nichterwerbstätigen würde dies nämlich dazu führen, dass der Taggeldbemessung ein hypothetisches Erwerbseinkommen zugrunde gelegt werden müsste. Deshalb habe die Annahme, die versicherte Person wäre ohne Gesundheitsschaden wieder erwerbstätig geworden, mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt zu sein. Der Beweis im Sinne des Glaubhaftmachens gemäss Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV gelte daher erst als erbracht, wenn die Verwaltung aufgrund der Akten die Überzeugung gewinne, die versicherte Person hätte ohne Gesundheitsschaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die nach Erfahrungssätzen indizierte Erwerbstätigkeit aufgenommen.
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Unter Würdigung der Akten könne im konkreten Fall festgestellt werden, dass die Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Ende 2010 nicht erwerbstätig gewesen sei. Sie könne den Beweis im Sinne des Glaubhaftmachens nicht erbringen, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätte. Weil nicht von einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit ausgegangen werden könne, habe die IV-Stelle den Taggeldanspruch aufgrund der Nichterfüllung der Kriterien von Art. 20sexies IVV zu Recht verneint.
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5. | |
5.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445 mit Hinweisen).
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5.2. Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (BGE 145 V 289 E. 4.2 S. 296; 144 V 327 E. 3 S. 331; 142 V 466 E. 3.2 S. 471; je mit Hinweisen).
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Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates vorfrageweise auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbstständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbstständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 190 BV (Fassung gemäss Justizreform, vormals Art. 191 BV) für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist. Es kann dabei namentlich prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützen lässt oder ob sie Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinn- und zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden müssen. Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme trägt der Bundesrat die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich zu deren wirtschaftlichen oder politischen Sachgerechtigkeit zu äussern (BGE 145 V 278 E. 4.1 S. 282 f.; 143 V 208 E. 4 S. 212; 141 V 473 E. 8.3 S. 478 mit Hinweisen).
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6. | |
6.1. Art. 22 Abs. 1 IVG (vgl E. 3.1.1) sieht zwei Tatbestandsvarianten vor. Nach der ersten Variante entsteht der Taggeldanspruch, wenn (arbeitsfähige) Versicherte wegen der Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen an wenigstens drei aufeinander folgenden Tagen tatsächlich verhindert sind, einer Arbeit nachzugehen. Die zweite Variante betrifft Versicherte, die während der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen in ihrer gewohnten Tätigkeit gesundheitsbedingt zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig sind oder werden (vgl. ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz [Art. 1-27 bis IVG], 2014, N. 30 zu Art. 22 IVG). Der Vergleich der deutschen Version des Art. 22 Abs. 1 IVG mit den zwei weiteren Sprachfassungen zeigt auf, dass mit dem Begriff "Arbeit" ("activité lucrative"; attività lucrativa") eine Erwerbstätigkeit gemeint ist. Die «gewohnte Tätigkeit» ("activité habituelle"; "attività abituale") bezeichnet demgegenüber nicht etwa die Tätigkeit im Aufgabenbereich gemäss Art. 5 Abs. 1 IVG und Art. 8 Abs. 3 ATSG, sondern ebenfalls Erwerbstätigkeit (vgl. MURER, a.a.O., N. 76 zu Art. 22 IVG; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 22 IVG; MICHEL VALTERIO, Loi fédérale sur l'assurance-invalidité [LAI], Commentaire, 2018, N. 9 f. zu Art. 22 IVG).
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Versicherte, die im Aufgabenbereich tätig sind, haben keinen Anspruch (mehr) auf Taggelder (vgl. MURER, a.a.O., N. 37 zu Art. 22 IVG; VALTERIO, a.a.O., N. 1 zu Art. 22 IVG).
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Die Erwerbstätigkeit wird in Art. 20sexies IVV definiert: Nebst den Versicherten, die unmittelbar vor Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben (Abs. 1 lit. a), sind auch diejenigen Personen als erwerbstätig zu qualifizieren, die glaubhaft machen, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten (Abs. 1 lit. b). Der hier im Vordergrund stehende Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV, insbesondere das darin enthaltene Erfordernis der Glaubhaftmachung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von längerer Dauer, wird in allen Sprachfassungen identisch formuliert (vgl. E. 3.2 hiervor).
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6.2. |
6.2.1. | |
6.2.1.1. Gemäss der bundesrätlichen Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (5. IV-Revision; BBl 2005 4459 [nachfolgend: Botschaft]) sollte mit der 5. IV-Revision unter anderem eine Anpassung des IV-Taggeldsystems erfolgen, um negative Anreizwirkungen zu beseitigen. Als Besonderheit wurde namentlich die Mindestgarantie für Personen mit kleinen Einkommen und für Nichterwerbstätige erwähnt, die bisher dazu führen konnte, dass Versicherte, die ein Taggeld bezogen, finanziell besser gestellt waren als vor dem Taggeldbezug. Grundsätzlich sei der Zweck des IV-Taggeldes nun auf einen Ersatz für effektives Einkommen zu beschränken, das wegen der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen nicht erzielt werden könne (BBl 2005 4537, Ziff. 1.6.2.1 "Anpassung des IV-Taggeldsystems"). Die Aufhebung der Mindestgarantie habe zur Folge, dass Nichterwerbstätige in Zukunft während der Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen kein IV-Taggeld mehr beanspruchen könnten. Die untere Grenze für die Kürzung des Taggeldes werde ebenfalls aufgehoben. Künftig sei das IV-Taggeld zu kürzen, soweit es das massgebende Erwerbseinkommen einschliesslich der gesetzlichen Kinder- und Ausbildungszulagen übersteige (BBl 2005 4538).
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Art. 22 Abs. 1 IVG erfuhr im Rahmen dieser Korrekturen die Präzisierung, dass ein Anspruch auf Taggelder nur dann bestehen soll, wenn Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung nach Art. 8 Abs. 3 IVG durchgeführt werden. Mit der Änderung von Art. 23 Abs. 2 IVG wurde die Aufhebung der Mindestgarantie von 30 % des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG für Versicherte umgesetzt, die vor der Eingliederung nicht erwerbstätig waren (genannt werden in der Botschaft in einer beispielhaften Aufzählung im Haushalt tätige Versicherte und Studierende; vgl. BBl 2005 4566 f. zu Art. 22 und 23 IVG; vgl. E. 3.1.2, zweiter Absatz, hiervor).
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6.2.1.2. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates diskutierte über die Abschaffung des Mindesttaggeldes durch Neuformulierung von Art. 23 Abs. 2 IVG und insbesondere über die Auswirkungen auf Hausfrauen, die allenfalls mit Taggeldzahlungen zur Eingliederung in eine Erwerbstätigkeit motiviert werden könnten. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang aber auch auf Art. 11a IVG, wonach die Entschädigung für Betreuungskosten einen teilweisen Ersatz für die Streichung des Mindesttaggeldes darstellen würde, obwohl es sich dabei nicht um ein Nullsummenspiel handle. Die Aufhebung des Mindesttaggeldes sei nicht nur durch die Beseitigung einer falschen Anreizwirkung begründet, sondern es sei in der neuen Bestimmung auch ein vertretbares Sparelement enthalten (Protokoll der Sitzungen vom 11., 12. und 13. Januar 2006, S. 55 ff.).
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Im Rahmen der Sitzungen der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates gab der damals zuständige Bundesrat zu bedenken, dass es nicht darum gehen könne, Personen, die bisher keinem Erwerb nachgegangen seien, zu entlöhnen, damit sie sich für eine Eingliederung motivieren liessen, sondern es müsse vielmehr garantiert werden, dass während der Teilnahme der Versicherten an Eingliederungsmassnahmen zum Beispiel die zusätzlichen Betreuungskosten für die Kinder übernommen würden (Protokoll der Sitzungen vom 29. und 30. Mai 2006, S. 23 ff.).
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Im National- als Erstrat wurde die Beseitigung von falschen Anreizen einleitend vom Kommissionssprecher als zweite Massnahme der 5. IV-Revision bezeichnet. Es solle namentlich nicht mehr vorkommen, dass die IV-Leistungen höher seien als der versicherte Lohn (AB 2006 N 318). Auch weitere Mitglieder des Nationalrates äusserten die Auffassung, dass negative Anreize im Zusammenhang mit der Eingliederung korrigiert werden müssten. Das bisherige IV-System könne zur paradoxen Situation führen, dass gesundheitlich beeinträchtigte Personen nach Eintritt der Invalidität finanziell besser dastehen würden als vorher. Das dürfe nicht sein (AB 2006 N 324 f.). In der Detailberatung wurde die Problematik einer Geschlechtsdiskriminierung von im Haushalt tätigen Frauen durch die Aufhebung der Mindestgarantie von 30 % des Höchstbetrages des Taggeldes explizit angesprochen und vorgeschlagen, anstelle einer Aufhebung lediglich eine Senkung der Mindestgarantie von 30 auf 25 % vorzunehmen, was jedoch mehrheitlich abgelehnt wurde (AB 2006 N 366). Von einer Minderheit wurde eingeworfen, dass die Aufhebung der Mindestgarantie auch das Gegenteil bewirken könnte, indem die Motivation für eine Integration schwinde, wenn kein Mindesttaggeld ausbezahlt werde (AB 2006 N 367). Seitens des Bundesrates wurde im Laufe der Beratung zwar darauf hingewiesen, dass die Invalidenversicherung universell sei, "qui couvre aussi bien les salariés que les non-salariés" (AB 2006 N 326; vgl. auch AB 2006 S 599). Andererseits stellte er klar, dass man mit der Aufhebung des Mindesttaggeldes für Personen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Gleichbehandlung anstreben wolle im Vergleich zur Lösung in der Arbeitslosenversicherung und in der Unfallversicherung, wo Nichterwerbstätige ebenfalls keine Leistungen erhalten würden (AB 2006 N 367). Die Aufhebung der Mindestgarantie wurde in beiden Räten mehrheitlich gutgeheissen, wobei im Ständerat als Zweitrat keine Diskussion darüber stattfand (AB 2006 N 368; AB 2006 S 607).
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6.2.2. Nach Art. 86 Abs. 2 IVG ist der Bundesrat mit dem Vollzug beauftragt und erlässt die hierzu erforderlichen Verordnungen. Gestützt auf diese allgemeine Vollzugskompetenz sowie auf einzelne explizite Delegationsnormen hatte der Bundesrat am 17. Januar 1961 die IVV erlassen. Im Rahmen der 5. IV-Revision setzte er die vom Gesetzgeber vorgenommenen Korrekturen im IVG durch diverse Verordnungsanpassungen um. So wurde auch Art. 20sexies IVV geschaffen und auf den 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt. Der Inhalt von Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV war aber entgegen der Annahme der Beschwerdegegnerin nicht neu und er kann keineswegs als Ersatz für den Wegfall der Mindestgarantie in Art. 23 aAbs. 2 IVG (in der bis 31. Dezember 2007 in Kraft gestandenen Fassung) gelten. Die Bestimmung wurde leicht abgeändert aus dem ehemaligen Art. 21 aAbs. 1 lit. b IVV in der von 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung übernommen, der vorsah, dass Versicherte als erwerbstätig gelten, die glaubhaft machen, dass sie während der Eingliederung eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten. Als Vorbild dieses Art. 21 aAbs. 1 lit. b IVV hatte unter anderem Art. 1 Abs. 2 der Verordnung vom 24. Dezember 1959 zur Erwerbsersatzordnung (in Kraft vom 1. Januar 1960 bis 30. Juni 2005; aEOV) gedient, wonach Arbeitslose sowie Dienstleistende, die glaubhaft machen, dass sie eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten, wenn sie nicht in den Dienst eingerückt wären, den Erwerbstätigen gleichgestellt sind. Zudem war sie auch von der älteren Rechtsprechung beeinflusst worden, so namentlich durch das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts (heute: sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) I 493/89 vom 17. Juli 1990 E. 2c, wonach als Erwerbstätige auch Versicherte gelten, die einzig wegen ihrer Gesundheitsschädigung keine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben (vgl. MEYER/REICHMUTH, a.a.O., Rz. 2 zu Art. 23 IVG).
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6.3. | |
6.3.1. In systematischer Hinsicht stellt Art. 22 IVG mit dem Titel "Anspruch" innerhalb des Kapitels VI, "Die Taggelder", die Grundnorm dar, welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf Taggelder regelt. Die nachfolgenden Gesetzesartikel befassen sich mit der "Grundentschädigung" (Art. 23 IVG), dem "Kindergeld (Art. 23bis IVG), der "Höhe des Taggeldes" (Art. 24 IVG), dem "Abzug bei Unterkunft und Verpflegung auf Kosten der Invalidenversicherung" (Art. 24bis IVG) und Art. 25 IVG regelt die auf dem Taggeld geschuldeten "Beiträge an Sozialversicherungen". Art. 23 aAbs. 2 IVG (in der bis 31. Dezember 2007 in Kraft stehenden Fassung), wonach die Grundentschädigung für Versicherte, die vor der Eingliederung nicht erwerbstätig waren, 30 % des Höchstbetrages des Taggeldes nach Art. 24 Abs. 1 IVG beträgt, wurde im Rahmen der 5. IV-Revision ersatzlos aufgehoben (vgl. zu Art. 23 aAbs. 2 IVG: E. 3.1.2 hiervor). Der systematische Aufbau der seither geltenden Gesetzesbestimmungen zeigt, dass das IV-Taggeld nur noch Ersatz für ein aktuelles, tatsächliches Einkommen der versicherten Person bilden und die Höhe - limitiert durch den Höchstbetrag des versicherten Tagesverdienstes nach dem UVG (Art. 24 Abs. 1 IVG) - auch auf diesem Einkommen basieren soll. Wie Art. 23 Abs. 1 IVG vorschreibt, richtet sich die Grundentschädigung nach dem letzten ohne gesundheitliche Einschränkung erzielten Erwerbseinkommen. Grundlage für die Ermittlung des Erwerbseinkommens bildet dabei das durchschnittliche Einkommen, von dem Beiträge nach dem AHVG erhoben werden (massgebendes Einkommen; Art. 23 Abs. 3 IVG). Taggelder für Nichterwerbstätige werden in Art. 23 Abs. 2 und 2bis IVG nur für Versicherte vorgesehen, die das 20. Altersjahr vollendet haben und ohne Invalidität nach abgeschlossener Ausbildung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätten, und für Versicherte, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben und noch nicht erwerbstätig gewesen sind (sowie im Übrigen für solche in der erstmaligen beruflichen Ausbildung). Für die Konstellationen des Art. 23 Abs. 2bis IVG hat der Bundesrat vom Gesetzgeber eine explizite Regelungsbefugnis in Bezug auf die Höhe der Grundentschädigung erhalten (Art. 23 Abs. 2bis letzter Satz IVG).
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Bemerkenswert ist, dass die Grundentschädigung und gleichzeitig auch die entsprechende Bemessungsregel für Taggelder von Nichterwerbstätigen (Art. 23 aAbs. 2 IVG) per 31. Dezember 2007 ersatzlos aufgehoben wurden. Unter dem systematischen Aspekt darf somit nicht unberücksichtigt bleiben, dass - abgesehen von den Ausnahmekonstellationen nach Art. 22 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 23 Abs. 2 und 2bis IVG und Art. 22 Abs. 5bis f. IVG - allein noch die Regel des Art. 23 Abs. 1 IVG in Kraft steht, die vorsieht, dass die Grundentschädigung 80 % des letzten ohne gesundheitliche Einschränkung erzielten Erwerbseinkommens beträgt. Da es bei Nichterwerbstätigen kein anrechenbares Erwerbseinkommen gibt, entfällt für diese Versicherten deshalb nach rein systematischen Gesichtspunkten ein Taggeldanspruch (gleicher Meinung: SILVIA BUCHER, Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, 2011, S. 462 ff. Rz. 942 ff.).
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6.3.2. Im zweiten Abschnitt "Eingliederung", unter dem Titel "E. Die Taggelder" definiert die Verordnung in Art. 20sexies IVV (neben einer entsprechenden Marginalie) die erwerbstätigen Versicherten (Abs. 1) und die den erwerbstätigen Versicherten gleichgestellten Personen (Abs. 2). In den nachfolgenden Artikeln werden die Bemessungsgrundlagen zur Ermittlung des massgebenden Einkommens geregelt (Art. 21 IVV); in diesem Rahmen wird präzisiert, welche Personen als Versicherte mit regelmässigem (Art. 21bis IVV) bzw. unregelmässigem Einkommen gelten (Art. 21ter IVV). Ausserdem enthält die Verordnung Vorgaben für die Bemessung des Taggeldes bei Selbstständigerwerbenden (Art. 21quater IVV) und bei Versicherten, die gleichzeitig Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende sind (Art. 21quinquies IVV).
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Der Bundesrat verzichtete darauf, Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV im Zuge der 5. IV-Revision zu überarbeiten. Er übernahm die Bestimmung mit einer marginalen Korrektur aus Art. 21 aAbs. 1 lit. b IVV (vgl. E. 6.2.2 hiervor). Hingegen hob er Art. 20bis IVV auf den 31. Dezember 2007 ersatzlos auf. Diese Bestimmung sah vor, dass nichterwerbstätigen Versicherten, die während der Eingliederung noch in ihrem Aufgabenbereich tätig sein konnten, das halbe Taggeld gewährt wurde, wenn sie mindestens zur Hälfte, jedoch zu weniger als zwei Dritteln arbeitsunfähig waren, und das ganze Taggeld, wenn sie zu mindestens zwei Dritteln arbeitsunfähig waren. Betrachtet man den Aufbau des IVG zum Taggeld nach der 5. IV-Revision (vgl. E. 6.3.1 hiervor), fällt auf, dass sich Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV, wonach Versicherte als erwerbstätig gelten, die glaubhaft machen, dass sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen hätten, nicht mehr auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützen kann, nachdem die allgemeine Mindestgarantie für Nichterwerbstätige auf Gesetzesstufe (Art. 23 aAbs. 2 IVG) aufgehoben worden ist. Für die Bemessung des Taggeldes von Nichterwerbstätigen, die gemäss Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV als Erwerbstätige gelten, fehlt eine gesetzliche Vorgabe und eine an den Bundesrat delegierte Regelungsbefugnis ist ebenfalls nicht vorhanden (vgl. demgegenüber die ausdrückliche Delegation für Versicherte in der erstmaligen beruflichen Ausbildung und für diejenigen, die das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben, in Art. 23 Abs. 2bis letzter Satz IVG). Art. 22 Abs. 6 IVG, wonach der Bundesrat bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Taggelder ausgerichtet werden für nicht aufeinanderfolgende Tage, für Abklärungs- und Wartezeiten, für Arbeitsversuche und für Unterbrüche von Eingliederungsmassnahmen wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft, fällt jedenfalls als Delegation an den Verordnungsgeber für die Bemessung der Taggelder von Nichterwerbstätigen ausser Betracht. Art. 21 Abs. 3 IVV sieht zwar vor, dass bei einer versicherten Person, die vor mehr als zwei Jahren zum letzten Mal eine Erwerbstätigkeit ohne gesundheitliche Einschränkung ausgeübt hat, auf das Erwerbseinkommen abzustellen ist, das sie durch die gleiche Tätigkeit unmittelbar vor der Eingliederung erzielt hätte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Abstrahiert vom Gesetz, einzig aufgrund der Systematik auf Verordnungsebene kann davon ausgegangen werden, dass diese Bemessungsgrundlage für Erwerbstätige im Sinne von Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV zur Ermittlung eines hypothetischen Erwerbseinkommens als Basis für die Festsetzung des Taggeldes beizuziehen ist. Mangels einer speziellen gesetzlichen Bemessungsregel bzw. mangels einer entsprechenden Delegation an den Verordnungsgeber muss das Taggeld für Erwerbstätige im Sinne von Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV nach Massgabe der Grundregel von Art. 23 Abs. 1 IVG berechnet werden. Da aus dem Gesetz aber für die Konstellation des Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV mangels einer anderen Gesetzesgrundlage nur mehr die Regel des Art. 23 Abs. 1 IVG (letztes erzieltes Einkommen als Bemessungsgrundlage) gelten kann, ergibt sich bei einem fehlenden tatsächlich erzielten Einkommen ein Taggeldanspruch von Fr. 0.-. Für die Anwendung des Art. 21 Abs. 3 IVV und somit den Beizug eines hypothetischen (nie realisierten) Erwerbseinkommens fehlt die gesetzliche Grundlage. Das so ermittelte Erwerbseinkommen würde sich auf Fr. 0.- belaufen, da diesfalls nicht auf ein gegebenenfalls vor einer Phase der Nichterwerbstätigkeit erzieltes tatsächliches Erwerbseinkommen gemäss Art. 23 Abs. 1 IVG (letztes erzieltes Einkommen als Bemessungsgrundlage) zurückgegriffen werden könnte (vgl. dazu für Nichterwerbstätige im Allgemeinen: SILVIA BUCHER, a.a.O., S. 462 Rz. 942 f.).
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6.4. Sinn und Zweck des in Art. 22 f. IVG vorgesehenen Taggeldanspruchs während der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen ist seit der 5. IV-Revision einzig noch der Ersatz für ein effektives Einkommen, das infolge der Massnahmen nicht mehr erzielt werden kann. Die auf Gesetzesstufe durch Streichung des Mindesttaggeldes für Nichterwerbstätige in Art. 23 IVG vorgenommene Einschränkung des Taggeldanspruchs auf Erwerbstätige soll einerseits negative Anreizwirkungen für Personen ohne Erwerbseinkommen verhindern und andererseits zu den mit der Gesetzesrevision verfolgten Sparzielen beitragen. Das Gesetz regelt präzis umschriebene Ausnahmen vom Grundsatz (Art. 22 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 23 Abs. 2 und 2bis IVG und Art. 22 Abs. 5bis f. IVG). Für die Taggeldbemessung von Nichterwerbstätigen enthält es abgesehen von diesen Ausnahmen weder weitere Regelungen noch eine Delegation an den Verordnungsgeber. Während das Mindesttaggeld für Nichterwerbstätige weggefallen ist, besteht nach wie vor Anspruch auf eine Entschädigung für Betreuungskosten für nicht erwerbstätige Versicherte, die an Eingliederungsmassnahmen teilnehmen und die mit Kindern unter 16 Jahren oder mit Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt leben (Art. 11a IVG). Der Gesetzgeber hat bewusst aus Spargründen darauf verzichtet, über diese Entschädigung hinaus weitere Vergütungen für Nichterwerbstätige in der Form von Taggeldern während der Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen vorzusehen. Mit dieser neuen Regelung im IVG wird schliesslich auch eine Angleichung an Arbeitslosen- und Unfallversicherung angestrebt, indem die Taggelder hier wie dort einzig noch tatsächlich weggefallenes Erwerbseinkommen ersetzen sollen. In den Verordnungsbestimmungen findet die im Rahmen der 5. IV-Revision erfolgte Aufhebung des Mindesttaggeldes für Nichterwerbstätige keinen Niederschlag.
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7. Zusammenfassend ergibt sich, ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes (E. 3.1 und 6.1 hiervor), dass Art. 22 IVG keinen Taggeldanspruch für im Aufgabenbereich tätige Personen vorsieht. Bemessungsgrundlage für das Taggeld der Anspruchsberechtigten bildet nur noch das letzte ohne gesundheitliche Einschränkung tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen (vgl. Art. 23 Abs. 1 IVG). Die Ausnahmen dazu werden im Gesetz präzise umschrieben (Art. 23 Abs. 2 und 2bis IVG; vgl. auch Art. 22 Abs. 5bis f. IVG). Da die Gesetzesänderung jüngeren Datums ist, kommt der Entstehungsgeschichte ein besonderes Gewicht zu. Dabei zeigen die Materialien auf, dass die Abschaffung des Mindesttaggeldes für Nichterwerbstätige gezielt erfolgte, um negative Anreize zu beseitigen und das mit der 5. IV-Revision verbundene Sparziel zu erreichen. Eine finanzielle Schlechterstellung der Nichterwerbstätigen während der Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen wurde nicht nur in Kauf genommen, sondern sogar angestrebt. Denn künftig sollte ausgeschlossen werden, dass gesundheitlich beeinträchtigte Personen nach Eintritt der Invalidität finanziell besser dastehen als vorher. Eine Minderheit des Nationalrates befürchtete im Laufe des Gesetzgebungsprozesses eine Geschlechterdiskriminierung, da von der Aufhebung des Mindesttaggeldes mehrheitlich Hausfrauen betroffen seien. Diese Bedenken bewogen die Ratsmehrheit allerdings nicht dazu, von der Streichung des Mindesttaggeldes für Nichterwerbstätige abzusehen. Hingegen wurde auf die Bestrebung zur Gleichbehandlung im Vergleich zur Taggeldlösung bei Arbeitslosen- und Unfallversicherung verwiesen (E. 6.2.1 hiervor). Der Bundesrat setzte die Aufhebung des Mindesttaggeldes für Nichterwerbstätige in der Verordnung nicht um. Art. 20sexies IVV, der neu in die Verordnung eingefügt und im Zuge der 5. IV-Revision ebenfalls auf den 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt worden war, erweckt auf den ersten Blick den Anschein einer (neuen) Anspruchsgrundlage für Versicherte, die ihre Tätigkeit im Aufgabenbereich verlassen und eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen (vgl. dazu: MURER, a.a.O., N. 63 zu Art. 22 IVG). Namentlich der hier im Vordergrund stehende Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV war jedoch nicht neu, sondern wurde aus Art. 21 aAbs. 1 lit. b IVV übernommen (E. 6.2.2 hiervor). Der Verordnungsgeber übersah dabei, dass die Grundlage für diese Verordnungsbestimmung mit der Neuformulierung des Art. 23 IVG im Rahmen der 5. IV-Revision weggefallen war. Für Nichterwerbstätige ist auf Gesetzesstufe kein Mindesttaggeld mehr vorgesehen. Die Verordnung stellt nicht nur Nichterwerbstätige unter bestimmten Umständen erwerbstätigen Versicherten gleich (Art. 20sexies Abs. 2 IVV), sondern definiert in Art. 20sexies Abs. 1 IVV Nichterwerbstätige, die bestimmte Anforderungen erfüllen, als Erwerbstätige. Damit unterläuft sie das Gesetz, das für Nichterwerbstätige - von den im Gesetz genannten Ausnahmen abgesehen - keine Bemessungsgrundlagen für Taggelder während der Durchführung der Eingliederungsmassnahmen mehr enthält.
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Die Gesetzessystematik macht deutlich, dass eine Regelung für die Bemessung des Taggeldes für Nichterwerbstätige nicht mehr existiert. Die Streichung der Grundentschädigung für Nichterwerbstätige im Rahmen der 5. IV-Revision fand in den Räten eine Mehrheit und wurde durch Anpassung des Art. 23 IVG umgesetzt (vgl. E. 6.3.1 hiervor). Allein gestützt auf die Verordnung und deren Gliederung liesse sich ein Anspruch von Nichterwerbstätigen auf Taggelder zwar herleiten. Denn mittels der Definition in Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV werden Nichterwerbstätige zu erwerbstätigen Versicherten und unter Beizug von Art. 21 Abs. 3 IVV wäre ein hypothetisches Erwerbseinkommen ermittelbar, das als Basis für die Taggeldfestsetzung dienen könnte (vgl. E. 6.3.2 hiervor). Die isolierte Anwendung dieser Verordnungsbestimmungen - ohne gesetzliche Grundlage - verbietet sich jedoch. Denn die Definition der Erwerbstätigkeit in Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV negiert den Gesetzeszweck. Dieser besteht vorrangig darin, durch Streichung des Mindesttaggeldes für Nichterwerbstätige negative Anreizwirkungen zu beseitigen und zu den mit der 5. IV-Revision anvisierten Sparzielen beizutragen (E. 6.4 hiervor). Jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der mit der 5. IV-Revision vorgenommenen Gesetzesänderungen auf den 1. Januar 2008 muss die Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig qualifiziert werden, weil sie die dem Bundesrat delegierten Kompetenzen sprengt (vgl. dazu E. 5.2 hiervor). Mit der gesetzlich nicht abgestützten Anwendung von Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV würde nämlich nicht nur - von neuem - eine Grundentschädigung für Nichterwerbstätige, sondern sogar ein voller "Erwerbsersatz" gleichsam durch die Hintertür wieder eingeführt, nachdem der Gesetzgeber das Mindesttaggeld für Nichterwerbstätige gestrichen hat. Ein solches Verständnis widerspricht dem Auslegungsergebnis.
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8. | |
8.1. Bei einer mangelnden Gesetzesgrundlage für einen Taggeldanspruch Nichterwerbstätiger erübrigen sich Erörterungen zum unter den Parteien im Fokus stehenden Thema der Beweisanforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV. Denn der Verordnungsbestimmung muss die Anwendung versagt bleiben. Die Beschwerdegegnerin war unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Ende 2010 nicht erwerbstätig. Sie fällt unbestrittenermassen nicht unter die Ausnahmeregelungen des Art. 23 Abs. 2 oder 2bis IVG. Im Ergebnis ist deshalb der Beschwerdeführerin beizupflichten, dass ein Taggeldanspruch während der Potenzialabklärung vom 15. November bis 14. Dezember 2017 entfällt.
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8.2. Die schweizerische Rechtsordnung kennt keine Verfassungsgerichtsbarkeit für Bundesgesetze. Diese sind laut Art. 190 BV für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend (vgl. auch BGE 143 V 9 E. 6.2 S. 15 f. mit Hinweisen; 139 I 257 E. 4.1 S. 259 f.); für Art. 22 f. IVG gilt somit ein Anwendungsgebot (vgl. BGE 136 II 120 E. 3.5.1 S. 130; Pra 2017 Nr. 65 S. 633, 2C_150/2016 E. 5; Urteil 9C_659/2019 vom 15. November 2019 E. 4.2; ASTRID EPINEY, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 8 und 21 f. zu Art. 190 BV). Soweit die Beschwerdegegnerin letztinstanzlich rügt, die Interpretation des Art. 20sexies Abs. 1 lit. b IVV durch die IV-Stelle verstosse gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 8 Abs. 2 BV, ist darauf bereits infolge des Anwendungsgebotes von Bundesgesetzen nicht weiter einzugehen. Im Übrigen kann an den aus der Entstehungsgeschichte herauszulesenden Willen des Gesetzgebers erinnert werden, mit der Abschaffung der Taggeld-Mindestgarantie für Nichterwerbstätige in der Invalidenversicherung eine Gleichbehandlung namentlich mit der Arbeitslosen- und der Unfallversicherung zu erreichen.
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9. Ausgangsgemäss wird die Beschwerdegegnerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. Juni 2019 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 23. Februar 2018 bestätigt.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 27. Mai 2020
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz
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