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Informationen zum Dokument  BGer 2C_202/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_202/2020 vom 16.06.2020
 
 
2C_202/2020
 
 
Urteil vom 16. Juni 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichterin Hänni,
 
Bundesrichter Beusch,
 
Gerichtsschreiber Businger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer,
 
gegen
 
Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID).
 
Gegenstand
 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
 
vom 24. Januar 2020 (100.2019.138U).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. A.________ (geb. 1992) ist Staatsangehöriger von Nordmazedonien. Er reiste am 30. März 2012 in die Schweiz ein, heiratete am 12. Mai 2012 eine slowakische Staatsangehörige und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Nachdem die Ehegatten im Juli 2014 den gemeinsamen Haushalt aufgelöst hatten, verweigerte die Einwohnergemeinde Bern am 3. Juli 2017 die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Beschwerden wiesen die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern am 15. März 2019 und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 24. Januar 2020 ab.
 
1.2. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 28. Februar 2020 beantragt A.________ dem Bundesgericht, seine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA sei zu verlängern, eventualiter sei die Sache zum Neuentscheid zurückzuweisen. Weiter sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
 
1.3. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. Mit Präsidialverfügung vom 3. März 2020 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Nachdem A.________ mit Verfügung vom 5. März 2020 aufgefordert worden war, seine Mittellosigkeit zu belegen, zog er sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung am 10. März 2020 zurück.
 
2. Der Beschwerdeführer leitet in vertretbarer Weise einen Aufenthaltsanspruch gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20; in der bis 31. Dezember 2018 gültigen Fassung) ab. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG).
 
 
3.
 
3.1. Der Beschwerdeführer kann sich als Ehegatte einer in der Schweiz aufenthaltsberechtigten slowakischen Staatsangehörigen grundsätzlich auf die Bestimmungen des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) berufen. Der Aufenthaltsanspruch steht allerdings unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs und fällt dahin, wenn der Wille zur Ehegemeinschaft fehlt. Die vom originär anwesenheitsberechtigten EU-Bürger abgeleitete Bewilligung des Drittstaatsangehörigen kann in diesem Fall mangels Fortdauerns der Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP; SR 142.203) i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. d AuG widerrufen oder nicht (mehr) verlängert werden (BGE 139 II 393 E. 2.1 S. 395).
 
3.2. Wie sich aus den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) ergibt, hat sich die Ehefrau des Beschwerdeführers am 2. Juli 2014 in eine andere bernische Gemeinde abgemeldet und ist dort in die Wohnung ihres Chefs eingezogen. Am 1. Dezember 2016 ist sie sodann zusammen mit ihrem Chef in eine neue Wohnung umgezogen (vgl. E. 2.3 des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer räumt ein, dass aus der "anfänglichen Wohngemeinschaft" seiner Ehefrau mit deren Chef eine Beziehung entstanden sei (vgl. S. 9 Ziff. 8 der Beschwerde) und die Ehe "fürs erste scheiterte" (vgl. S. 10 Ziff. 10 der Beschwerde). Gemäss seinen Ausführungen im vorinstanzlichen Verfahren sei ab Frühjahr 2016 "von einem endgültigen Scheitern der Ehe auszugehen" und "ein Berufen auf die bestehende Ehe mit einer slowakischen Staatsbürgerin unzulässig geworden" (vgl. S. 5 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 17. April 2019).
 
Vor diesem Hintergrund ist die Rüge unbegründet, seine Ehe sei nicht inhaltsleer. Ebenso ist nicht ersichtlich, inwieweit die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt hat. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Scheinehe sind unbehelflich, weil es keine Rolle spielt, ob die Ehe von Anfang an inhaltsleer gewesen ist. Auch aus dem Umstand, dass bis heute weder ein Eheschutzgesuch noch ein Scheidungsverfahren anhängig gemacht wurde, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dasselbe gilt für die theoretische Möglichkeit, dass die eheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen werden könnte. Der Beschwerdeführer kann keinen Aufenthaltsanspruch aus seiner nur noch formell bestehenden Ehe ableiten. Dies gilt auch, soweit er geltend macht, seine Ehefrau besitze mittlerweile die Niederlassungsbewilligung, weil der Anspruch nach Art. 43 Abs. 1 AuG ebenfalls eine tatsächlich gelebte Ehe bzw. ein Zusammenwohnen voraussetzt.
 
 
4.
 
4.1. Nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 42 und 43 weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG). Diese Bestimmung ist auch anwendbar, wenn der originär anwesenheitsberechtigte Ehegatte des Betroffenen lediglich eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA besitzt und noch in der Schweiz lebt (BGE 144 II 1 E. 4 S. 7 ff.).
 
4.2. Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob die eheliche Gemeinschaft drei Jahre bestanden hat. Für die (retrospektive) Berechnung der Dauer der ehelichen Gemeinschaft ist in der Regel die Aufgabe der Haushaltsgemeinschaft entscheidend - unter Vorbehalt wichtiger Gründe für getrennte Wohnorte nach Art. 49 AuG. Nicht relevant ist demgegenüber, bis zu welchem Zeitpunkt die Ehe nach Beendigung des ehelichen Zusammenlebens formell noch weiter bestanden hat (BGE 136 II 113 E. 3.2 S. 117).
 
4.3. Unbestritten ist, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bereits Anfang Juli 2014 und damit etwas mehr als zwei Jahre nach der Heirat den ehelichen Haushalt wieder verlassen hat. Der Beschwerdeführer bringt vor, für den Auszug der Ehefrau hätten wichtige Gründe nach Art. 49 AuG bestanden. Solche sind indessen nicht ersichtlich. Die Behauptung, die Ehefrau sei wegen ihrer beruflichen Situation ausgezogen, wird nicht näher substanziiert und ist angesichts der kurzen Distanz zwischen den Wohnorten unglaubwürdig. Soweit die Auflösung des gemeinsamen Haushalts mit erheblichen familiären Problemen begründet wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Ehefrau eine neue Partnerschaft begründet hat, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet (vgl. vorne E. 3.2). Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, wann die neue Beziehung der Ehefrau begonnen bzw. der Beschwerdeführer davon erfahren hat. Der Schluss der Vorinstanz, wonach die eheliche Gemeinschaft nach dem Auszug der Ehefrau nicht fortbestanden hat, ist nicht zu beanstanden. Die eheliche Gemeinschaft hat folglich deutlich weniger als drei Jahre gedauert. Damit kann offengelassen werden, ob der Beschwerdeführer trotz seiner Straffälligkeit und Schulden erfolgreich integriert ist. Die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG liegen nicht vor.
 
5. Ebenso ist kein nachehelicher Härtefall nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ersichtlich. Der Beschwerdeführer bringt pauschal vor, er lebe seit einer beachtlichen Zeit in der Schweiz, habe Familie und Freunde hier, sei wirtschaftlich integriert und könne sich im Heimatland wegen seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht wiedereingliedern. Damit vermag er die vorinstanzlichen Erwägungen nicht ernsthaft infrage zu stellen, wonach er bis im Alter von 19 Jahren im Heimatland gelebt habe und mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut sei, gemäss Einschätzungen der SUVA seit Ende Januar 2017 mit gewissen Einschränkungen wieder zu 100 % arbeitsfähig sei und sich angesichts seines Alters im Herkunftsstaat wiedereingliedern könne bzw. keine engen familiären oder gesellschaftlichen Beziehungen in der Schweiz besitze (vgl. E. 3.3 und E. 4.2 des angefochtenen Urteils).
 
6. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. Juni 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Businger
 
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