BGer 1B_264/2020 | |||
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BGer 1B_264/2020 vom 17.06.2020 |
1B_264/2020 |
Urteil vom 17. Juni 2020 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Chaix, Präsident,
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Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Müller,
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Gerichtsschreiber Uebersax.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Diego Reto Gfeller und Rechtsanwältin Olivia Sieber,
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gegen
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Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat.
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Gegenstand
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Haftbeschwerde,
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Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts
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des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 8. Mai 2020 (SB190142-O/Z7/ad).
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Sachverhalt: | |
A.
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A.a. Gegen den schweizerischen Staatsangehörigen A.________, geb. 1979, läuft im Kanton Zürich ein Strafverfahren wegen verschiedener Delikte. Am 28. April 2016 wurde er festgenommen und in Untersuchungshaft gesetzt. Am 19. Januar 2018 bewilligte ihm die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat den vorzeitigen Strafvollzug und ordnete an, ihm werde bis zur Rechtskraft des Strafurteils kein Urlaub gewährt. Mit Verfügung vom 4. April 2018 wies das Bezirksgericht Zürich ein Gesuch von A.________ um Versetzung in den offenen vorzeitigen Strafvollzug ab. Am 18. Dezember 2018 wies das Bezirksgericht sodann wegen Fluchtgefahr ein Gesuch um Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug ab.
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Mit Urteil vom 18. Dezember 2018 bestrafte das Bezirksgericht Zürich A.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie wegen weiterer Delikte mit einer Freiheitsstrafe von elf Jahren, unter Anrechnung von 631 Tagen Untersuchungshaft, sowie mit einer Geldstrafe. Dagegen meldete A.________ Berufung an.
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Am 28. Januar 2019 stellte A.________ beim Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich ein Gesuch um Versetzung in den offenen vorzeitigen Strafvollzug. Am 5. März 2019 lehnte das Amt für Justizvollzug dieses Gesuch ab, weil sich die zuständige Verfahrensleitung dagegen geäussert hatte. Dagegen erhob A.________ Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich. Er beantragte die Versetzung in den offenen Vollzug sowie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Mit Verfügung vom 19. Juli 2019 wies die Direktion den Rekurs sowie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ab. Mit Urteil vom 9. Januar 2020 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine dagegen erhobene Beschwerde von A.________ im Sinne der Erwägungen ab. Im Wesentlichen führte es dazu aus, zuständig für den Entscheid über ein Gesuch um Versetzung in den offenen Vollzug beim vorzeitigen Strafvollzug sei gemäss der bundesrechtlichen Strafprozessordnung die Verfahrensleitung und nicht der Justizvollzug; zugleich verweigerte es A.________ die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit seiner Begehren. Dagegen erhoben A.________ mit Blick auf die ihm verweigerte unentgeltliche Prozessführung sowie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Blick auf den von dieser als bundesrechtswidrig erachteten Zuständigkeitsentscheid Beschwerde an das Bundesgericht. Mit Urteil 1B_82/2020 und 1B_83/2020 vom 31. März 2020 vereinigte das Bundesgericht die Verfahren, hiess die Beschwerde von A.________ gut und wies die Streitsache insoweit an das Verwaltungsgericht zurück zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung und trat auf die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft mangels Beschwerdelegitimation nicht ein.
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B. Am 20. April 2020 beantragte A.________ bei der Leitung des Berufungsverfahrens am Obergericht des Kantons Zürich, ihn unter Anordnung von Ersatzmassnahmen aus dem vorzeitigen Strafvollzug zu entlassen; als Ersatzmassnahme sei eine Auflage über den Aufenthaltsort zu verfügen, die mit Electronic Monitoring zu überwachen sei; eventuell sei A.________ im Sinne einer Ersatzmassnahme in den offenen Strafvollzug zu versetzen. Mit Präsidialverfügung vom 8. Mai 2020 wies der Verfahrensleiter an der II. Strafkammer des Obergerichts das Gesuch ab.
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C. Mit Beschwerde in Strafsachen gegen die Präsidialverfügung vom 8. Mai 2020 an das Bundesgericht vom 27. Mai 2020 stellt A.________ die folgenden Anträge:
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"1. In Gutheissung der Beschwerde in Strafsachen sei die Verfügung der Vorinstanz aufzuheben und der Beschwerdeführer sei unter Anordnung von Ersatzmassnahmen (Ausweis- und Schriftensperre; Meldepflicht) unverzüglich aus dem vorzeitigen Strafvollzug resp. der Sicherheitshaft zu entlassen;
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Es sei dem Beschwerdeführer sodann die Auflage zu erteilen, sich nur im Rayon der Stadt Zürich aufzuhalten... und diese Ersatzmassnahme sei mittels Electronic Monitoring zu überwachen:
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Es sei der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass das Gericht die Ersatzmassnahme jederzeit widerrufen und stattdessen Sicherheitshaft anordnen kann, wenn er sich den auferlegten Ersatzmassnahmen widersetzt oder wenn Manipulationen an den EM-Geräten (namentlich Band, Empfänger, Basisstation etc.) festgestellt werden;
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Es sei der Beschwerdeführer sodann darauf hinzuweisen, dass er Anordnungen der EM-Vollzugsstelle einzuhalten hat und bei einem Verstoss gegen die genannten Auflagen umgehend zur Verhaftung ausgeschrieben werden kann;
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2. Eventualiter sei der Beschwerdeführer in den offenen Strafvollzug zu versetzen;
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3. Subeventualiter sei der Beschwerdeführer in den offenen Strafvollzug zu versetzen und diese Ersatzmassnahme mittels Electronic Monitoring zu überwachen und es sei zudem eine Ausweis- und Schriftensperre anzuordnen;
| 12 |
..."
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In prozessualer Hinsicht ersucht A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren.
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Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und das Obergericht verzichteten auf eine Stellungnahme.
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. Über Haftentlassungsgesuche während eines Verfahrens vor dem Berufungsgericht entscheidet dessen Verfahrensleitung. Dieser Entscheid ist nicht mit StPO-Beschwerde anfechtbar (Art. 233 i.V.m. Art. 222 Satz 2 und Art. 380 StPO). Das Recht, Haftentlassungsgesuche zu stellen und eine richterliche Haftprüfung zu erwirken, steht auch Beschuldigten im vorzeitigen Strafvollzug zu (Art. 31 Abs. 4 BV i.V.m. Art. 233 und Art. 236 StPO; BGE 139 IV 191 E. 4.1 S. 194; Urteil des Bundesgerichts 1B_157/2015 vom 27. Mai 2015 E. 1.1).
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1.2. Da die StPO-Haftbeschwerde (Art. 222 i.V.m. Art. 393 ff. StPO) hier ausgeschlossen ist und die Vorinstanz als einzige kantonale Instanz entschieden hat, besteht eine zulässige gesetzliche Ausnahme vom Grundsatz des doppelten kantonalen Instanzenzuges (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG i.V.m. Art. 233, Art. 222 Satz 2 und Art. 380 StPO; vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1B_157/2015 vom 27. Mai 2015 E. 1.2).
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1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
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1.4. Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen strafprozessualer Haft erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung der StPO frei. Art. 98 BGG gelangt bei strafprozessualen Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung (BGE 143 IV 330 E. 2.1 S. 334 mit Hinweisen). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 316 E. 3.3 S. 319, 330 E. 2.1 S. 334; je mit Hinweis).
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2. Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn ein dringender Tatverdacht für ein Verbrechen oder Vergehen vorliegt (Art. 221 Abs. 1 StPO) sowie unter anderem, nebst hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten, Fluchtgefahr besteht. Der dringende Tatverdacht ist im vorliegenden Fall durch das erstinstanzliche Strafurteil belegt und auch nicht strittig. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch das Vorliegen von Fluchtgefahr. Im Eventualstandpunkt macht er geltend, das Obergericht habe jedenfalls Bundesrecht verletzt, indem es nicht wenigstens mildere Ersatzmassnahmen anstelle von Haft angeordnet habe. In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer auch eine Verletzung der richterlichen Begründungspflicht. Überdies behauptet er einen negativen Kompetenzkonflikt, weil das Obergericht seine Zuständigkeit nicht abschliessend geprüft habe.
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3. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe ihre Pflicht zur ausreichenden Begründung ihres Entscheids gemäss Art. 80 StPO und damit auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO sowie Art. 29 Abs. 2 BV verletzt. Sie habe sich nämlich nicht rechtsgenüglich zur Möglichkeit der Kombination von Ersatzmassnahmen geäussert, namentlich von Electronic Monitoring mit einer täglichen Meldepflicht und einer Schriftensperre unter Berücksichtigung der wegen der Covid-19-Pandemie erhöhten Grenzkontrollen. Die Ausführungen im angefochtenen Entscheid mögen insofern etwas oberflächlich erscheinen. Im Ergebnis geht aber mit genügender Klarheit daraus hervor, dass das Obergericht die vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen im vorliegenden Fall als nicht geeignet beurteilte. Der angefochtene Entscheid ist denn auch nicht übermässig kurz, sondern erstreckt sich über acht Seiten, wobei er sich über rund eine Seite mit den Ersatzmassnahmen befasst. Die vorinstanzliche Begründung erfüllt die entsprechenden rechtlichen Minimalanforderungen.
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4. | |
4.1. Der Beschwerdeführer rügt einen negativen Kompetenzkonflikt im Zusammenhang mit der Anordnung des offenen Vollzugs bei Sicherheitshaft. Er sieht darin einen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 9 BV sowie gegen den Anspruch auf Beurteilung durch ein zuständiges Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV, dass die Vorinstanz die Frage der Zuständigkeit offen gelassen hat.
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4.2. Die Rüge des Beschwerdeführers beruht auf der Unklarheit der Zuständigkeitsregelung im Kanton Zürich. In seinem Urteil vom 9. Januar 2020 entschied das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, zuständig für den Entscheid über ein Gesuch um Versetzung in den offenen Vollzug beim vorzeitigen Strafvollzug sei gemäss der bundesrechtlichen Strafprozessordnung die Verfahrensleitung und nicht der Justizvollzug. Der Beschwerdeführer focht diesen Entscheid im Punkt der Zuständigkeit nicht an. Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt nicht denselben Standpunkt wie das Verwaltungsgericht. Auf eine entsprechende Beschwerde trat das Bundesgericht jedoch am 31. März 2020 mangels Beschwerdeberechtigung nicht ein (Urteil 1B_82/2020 und 1B_83/2020). Im hier angefochtenen Entscheid liess das Obergericht die Zuständigkeit offen, entschied aber in der Sache über das Gesuch des Beschwerdeführers um Entlassung aus der Sicherheitshaft in Form des vorzeitigen Vollzugs bzw. um Versetzung in den offenen Vollzug.
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4.3. Zu befinden ist hier nur über den vorliegenden Fall. Der Beschwerdeführer hätte den Entscheid des Verwaltungsgerichts im Zuständigkeitspunkt anfechten können, verzichtete aber darauf, da er offenbar den entsprechenden Standpunkt des Verwaltungsgerichts teilt. Das Obergericht entschied nunmehr über seinen Antrag in der Sache. Damit hat es sein Anliegen geprüft. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, das Obergericht sei gar nicht zuständig, was ohnehin etwas widersprüchlich erschiene, nachdem er insofern den Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht angefochten hatte. Vielmehr wünscht er grundsätzlich Klahrheit bei der Zuständigkeitsfrage. Wie das Bundesgericht bereits im Urteil 1B_82/2020 und 1B_83/2020 vom 31. März 2020 in E. 3.5 ausführte, dürfte der kantonale Gesetz- oder Verordnungsgeber für die Schaffung einer angemessenen Zuständigkeitsordnung besser geeignet sein als die Gerichte, die das insofern offenbar unklare geltende Gesetzes- und Verordnungsrecht nicht anpassen, sondern lediglich auslegen und auf Rechtmässigkeit bzw. das Bundesgericht sogar nur auf Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht hin überprüfen können. Das Anliegen des Beschwerdeführers wurde von der Vorinstanz inhaltlich geprüft bzw. diese entschied über seine Anträge, und er bestreitet deren Zuständigkeit nicht. Damit liegt im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein negativer Kompetenzkonflikt vor, selbst wenn die Zuständigkeitsfrage im Zusammenhang mit dem offenen Vollzug bei Sicherheitshaft im Kanton Zürich in allgemeiner Weise weiterhin klärungsbedürftig erscheinen sollte.
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5. | |
5.1. Die Annahme von Fluchtgefahr als besonderer Haftgrund setzt ernsthafte Anhaltspunkte dafür voraus, dass die beschuldigte Person sich dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion durch Flucht entziehen könnte (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes darf die Schwere der drohenden Sanktion zwar als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um einen Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse der beschuldigten Person, in Betracht gezogen werden (BGE 145 IV 503 E. 2.2 S. 507; 143 IV 160 E. 4.3 S. 167; 125 I 60 E. 3A S. 62; je mit Hinweisen). So ist es zulässig, ihre familiären und sozialen Bindungen, ihre berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen, ebenso besondere persönliche Merkmale (wie z.B. eine Tendenz zu überstürzten Aktionen, ausgeprägte kriminelle Energie usw.), die auf eine Fluchtneigung schliessen lassen könnten. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das die beschuldigte Person grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, fiele die Annahme von Fluchtgefahr nicht dahin (BGE 145 IV 503 E. 2.2 S. 507; 123 I 31 E. 3d S. 36 f., 268 E. 2e S. 271 ff.). Die Wahrscheinlichkeit einer Flucht nimmt in der Regel mit zunehmender Verfahrens- bzw. Haftdauer graduell ab, da sich auch die Länge des allenfalls noch zu absolvierenden Strafvollzugs mit der bereits geleisteten prozessualen Haft, die auf die mutmassliche Freiheitsstrafe anzurechnen wäre (vgl. Art. 51 StGB), kontinuierlich verringert (BGE 143 IV 160 E. 4.3 S. 167 mit Hinweis). Anklageerhebungen oder gerichtliche Verurteilungen können allerdings, je nach den Umständen des Einzelfalls, im Verlaufe des Verfahrens auch neue Fluchtanreize auslösen (vgl. BGE 145 IV 503 E. 2.2 S. 507; 143 IV 160 E. 4.1 S. 165).
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5.2. Ausgangspunkt im vorliegenden Fall ist, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 28. April 2016, also seit mehr als vier Jahren, in strafprozessualer Haft befindet. Dem steht das erstinstanzliche Strafurteil vom 18. Dezember 2018 gegenüber, mit dem er zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren sowie zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Der Beschwerdeführer selbst erachtet eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten als angemessen, die er bereits mehr als abgesessen hätte. Bei der strafprozessualen Sicherheitshaft darf aber durchaus die erstinstanzlich ausgesprochene Strafdauer berücksichtigt werden. Insofern muss der Beschwerdeführer im für ihn schlechtesten Fall mit weiteren knapp sieben Jahren Freiheitsentzug rechnen. Dabei handelt es sich um eine Haftdauer, die bei entsprechender Gelegenheit zu einem Untertauchen motivieren könnte. Die Möglichkeit einer bedingten Entlassung nach Verbüssung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe (vgl. Art. 86 Abs. 1 und 4 StPO) ist im Haftprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, es gebe konkrete Anhaltspunkte für eine in hohem Masse wahrscheinliche bedingte Entlassung (vgl. BGE 143 IV 160 E. 4.2 S. 166 mit Hinweisen), was hier jedoch zeitlich noch zu weit entfernt ist, als dass sich das ausreichend beurteilen liesse.
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5.3. Das Obergericht ging davon aus, dass der Beschwerdeführer vor seiner Verhaftung einen regen Auslandskontakt, insbesondere nach Spanien und Brasilien, gepflegt und im Ausland auch über Vermögen verfügt habe sowie geschäftlich tätig gewesen sei. Eine Lebenspartnerin in der Schweiz habe er nicht, wohl aber eine Freundin in Brasilien. Im Gefängnis habe er einen regelmässigen Briefverkehr gepflegt und Besuch empfangen. Über eine Ausbildung verfüge er nicht, auch wenn er ein konkretes Jobangebot habe. Er müsse jedoch mit einer Ersatzforderung des Kantons Zürich im Betrag von einer Million Franken für unrechtmässig erlangten Vermögensvorteil rechnen. Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, diese Feststellungen beruhten auf Annahmen und seien nicht belegt. So oder so seien die Angaben überholt, da er in den letzten vier Jahren aufgrund seiner Haft keine Auslandkontakte mehr habe unterhalten können. Die Ersatzforderung von einer Million Franken sei überdies spekulativ und jedenfalls im Betrag überrissen.
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Der angefochtene Entscheid enthält zu den persönlichen Kontakten sowie zu den angeblichen Geschäften und Vermögensbestandteilen im Ausland konkrete und recht detaillierte Ausführungen, die sich wiederum auf die Strafakten stützen und teilweise auch im erstinstanzlichen Strafurteil Beachtung gefunden haben. Im Haftprüfungsverfahren können nicht die gleich hohen Beweisanforderungen gestellt werden wie im Strafverfahren. Insbesondere die Beurteilung von Fluchtgefahr beruht auf gewissen tatsächlichen Annahmen. Diese müssen zwar einen minimalen Wahrscheinlichkeitsgrad erreichen; aufgrund der im Strafverfahren ermittelten Umstände sowie des hohen Detailgrades der vorinstanzlichen Feststellungen gibt es jedoch keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit derselben. Dabei ist nicht weiter massgeblich, wie realistisch die Einschätzung der Höhe der zu erwartenden Ersatzforderung von einer Million Franken erscheint. Mit einem nicht unwesentlichen Betrag, der zu einer Belastung werden könnte, muss der Beschwerdeführer nach einer gegenwärtigen Einschätzung der Lage jedenfalls rechnen.
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5.4. Aufgrund der bekannten Umstände ist insgesamt mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer einer Strafverfolgung entzieht, wenn sich ihm dafür die Gelegenheit bietet. Das vom Beschwerdeführer vergleichsweise angerufene Urteil des Bundesgerichts 1B_20/2012 vom 1. Februar 2012 unterscheidet sich vom vorliegenden Fall wesentlich, wurde die damalige Beschwerdeführerin erstinstanzlich doch lediglich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, was mit der hier vom Strafgericht ausgesprochenen Freiheitsstrafe von elf Jahren nicht vergleichbar ist. Da die wegen der Covid-19-Pandemie erfolgten Grenzschliessungen inzwischen zunehmend wieder gelockert und teilweise sogar aufgehoben werden, vermögen sie keine Verringerung der Fluchtgefahr (mehr) zu bewirken, womit nicht weiter zu prüfen ist, welchen Einfluss sie auf die Einschätzung der Fluchtgefahr bei vollem Weiterbestand gehabt hätten. Die Annahme von Fluchtgefahr im angefochtenen Entscheid hält daher vor Bundesrecht stand.
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6. | |
6.1. Strafprozessuale Haft darf nur als letztes Mittel angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch weniger einschneidende Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme verfügt werden (Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 f. StPO; vgl. BGE 145 IV 503 E. 3.1 S. 509 f.; 142 IV 367 E. 2.1 S. 370: 140 IV 74 E. 2.2 S. 78). Zwar können mildere Ersatzmassnahmen für Haft geeignet sein, einer gewissen niederschwelligen Fluchtneigung ausreichend Rechnung zu tragen. Solche fallen auch in Kombination mit einer Versetzung in den offenen Vollzug bzw. zur Abfederung der dadurch entstehenden grundsätzlich grösseren Fluchtmöglichkeiten im Vergleich zum geschlossenen Vollzug in Betracht (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1B_157/2015 vom 27. Mai 2015 E. 3.6 e contrario). Bei ausgeprägter Fluchtgefahr erweisen sich Ersatzmassnahmen nach der einschlägigen Praxis des Bundesgerichts jedoch regelmässig als nicht ausreichend (BGE 145 IV 503 E. 3.2 f. S. 510 ff.; Urteil des Bundesgerichts 1B_183/2020 vom 5. Mai 2020 E. 2.2).
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6.2. Art. 237 Abs. 2 StPO zählt verschiedene mögliche Ersatzmassnahmen auf, worunter namentlich die Ausweis- und Schriftensperre (lit. b), die Auflage, sich nur oder sich nicht an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Haus aufzuhalten (lit. c), sowie die Auflage, sich regelmässig bei einer Amtsstelle zu melden (lit. d); sodann kann das Gericht gemäss der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in Art. 237 Abs. 3 StPO zur Überwachung von Ersatzmassnahmen den Einsatz technischer Geräte und deren feste Verbindung mit der zu überwachenden Person vorsehen. Die vom Beschwerdeführer beantragten Ersatzmassnahmen einer Ausweis- und Schriftensperre, einer Meldepflicht sowie der Auflage, sich nur im Rayon der Stadt Zürich aufzuhalten und dies mit Electronic Monitoring zu überwachen, sind daher an sich zulässig. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit ist überdies die Möglichkeit der Kombination der gesetzlich vorgesehenen Ersatzmassnahmen zu prüfen. Erst recht gilt dies für die Versetzung in den vorzeitigen offenen Vollzug in Verbindung mit ergänzenden geeigneten Massnahmen. Solchen Ersatzvorkehren grundsätzlich die Eignung abzusprechen, stünde im Widerspruch mit der Strafprozessordnung und wäre daher bundesrechtswidrig, wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht. Ob der angefochtene Entscheid aufgrund einer entsprechenden allgemeinen Praxis im Kanton Zürich so zu verstehen ist, wie der Beschwerdeführer behauptet, kann jedoch offenbleiben. Entscheidend und zu prüfen ist hier einzig, ob die Verweigerung der von ihm beantragten Massnahmen im vorliegenden Fall rechtmässig ist.
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6.3. Die Eignung und Rechtmässigkeit von Ersatzmassnahmen ist nicht nur an der Wahrscheinlichkeit einer Flucht, sondern auch an den zeitlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu messen. Mit zunehmender Haftdauer erscheinen in der Regel auch Ersatzmassnahmen geeigneter, der Fluchtgefahr zu begegnen, ausser es sprächen besondere Gründe dagegen. Erst recht muss dies für die Möglichkeit der Kombination von Ersatzvorkehren gelten. Im vorliegenden Fall verletzt es angesichts der doch noch als recht erheblich einzuschätzenden Fluchtgefahr Bundesrecht zurzeit noch nicht, auf die vom Beschwerdeführer beantragten Ersatzmassnahmen zu verzichten bzw. ihm die Versetzung in den offenen Vollzug in Verbindung mit den vorgeschlagenen Vorkehren zu verweigern. Gemessen an den erstinstanzlich ausgesprochenen elf Jahren Freiheitsstrafe droht vorläufig auch keine Überhaft. Es ist aber nicht ohne Belang, dass sich der Beschwerdeführer inzwischen seit mehr als vier Jahren in Haft befindet. Ausserdem sind seit der Ausfällung des am 18. Dezember 2018 ergangenen erstinstanzlichen Strafurteils nunmehr bereits wieder rund anderthalb Jahre vergangen. Auch wenn es sich um einen relativ komplexen Straffall mit recht umfangreichen Akten handelt und das strafprozessuale Beschleunigungsgebot zurzeit noch nicht als verletzt gelten kann, erscheinen weitere Verzögerungen ohne besondere, diese rechtfertigende Gründe kaum mehr zulässig. Gemäss dem angefochtenen Entscheid ist denn auch mit einer baldigen Vorladung zur Berufungsverhandlung zu rechnen. Darauf ist die Vorinstanz zu behaften. Sollte es dazu nicht innert absehbarer Zeit kommen, wäre zumindest die Versetzung in den offenen Vollzug mit oder ohne ergänzende Ersatzmassnahmen ernsthaft in Betracht zu ziehen, es sei denn, es ergäben sich neue konkrete Hinweise auf eine gesteigerte Fluchttendenz beim Beschwerdeführer.
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6.4. Aufgrund der gegenwärtigen Sachlage verletzt der angefochtene Entscheid Bundesrecht demnach noch nicht.
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7. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
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Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Indessen ist seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gemäss Art. 64 BGG stattzugeben. Der vorliegende Haftfall ist rechtlich von einer gewissen Komplexität und die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers erscheinen nicht als von vornherein aussichtslos. Überdies belegt er seine Bedürftigkeit, die nach vier Jahren Haft ohnehin naheliegt, eingehend und mit einschlägigen dem Bundesgericht eingereichten Unterlagen. Dass er auf allfällige Vermögenswerte im Ausland greifen könnte, erscheint wenig wahrscheinlich; insbesondere ist deren Bestand nicht klar nachgewiesen, was zwar nicht ausschliesst, mögliche ausländische Vermögenswerte bei der Prüfung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, für die Frage der Bedürftigkeit im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung aber nicht in Betracht zu ziehen. Im bundesgerichtlichen Verfahren ist daher von Gerichtskosten abzusehen und dem Beschwerdeführer ist sein Rechtsvertreter als unentgeltlicher Rechtsbeistand beizugeben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Diego Reto Gfeller als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben.
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3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4. Rechtsanwalt Diego Reto Gfeller wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
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5. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 17. Juni 2020
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Chaix
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Der Gerichtsschreiber: Uebersax
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