BGer 6B_280/2020 | |||
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BGer 6B_280/2020 vom 17.06.2020 |
6B_280/2020 |
Urteil vom 17. Juni 2020 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Muschietti,
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Bundesrichterin van de Graaf,
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Gerichtsschreiber Traub.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Strafzumessung (Urkundenfälschung, Drohung); Willkür, Unschuldsvermutung; Beschleunigungsgebot,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 29. November 2019 (SB190092-O/U/cwo).
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Sachverhalt: | |
A. Am 19. August 2016 sprach das Obergericht des Kantons Zürich A.________ der versuchten Nötigung, der Urkundenfälschung und der Drohung schuldig. Unter anderem von den Vorwürfen einer versuchten Nötigung und der mehrfachen, teilweise versuchten Verletzung des Bankgeheimnisses und der mehrfachen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses sprach es ihn frei und stellte ein weiteres Verfahren betreffend mehrfacher Verletzung des Bankgeheimnisses ein. Es belegte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten.
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Am 10. Oktober 2018 wies das Bundesgericht die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerde von A.________ hiess das Bundesgericht teilweise gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde von A.________ ab, soweit auf sie einzutreten war (vereinigte Streitsache Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen A.________ [Verfahren 6B_1314/2016] und A.________ gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich [6B_1318/2016]).
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B. Am 29. November 2019 erliess das Obergericht einen neuen Berufungsentscheid.
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C. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die gesamte Verfahrensdauer und weitere Faktoren seien in der Strafzumessung zu berücksichtigen. Es sei Willkür der Begründungen betreffend die Strafzumessung festzustellen. In Bezug auf die Auferlegung von Verfahrenskosten sei eine Verletzung der Unschuldsvermutung festzustellen. Das Verfahren gegen ihn sei "gesamthaft als ultima ratio" einzustellen. Ausserdem beanstandet A.________ die Rechtsmittelbelehrung des in das angefochtene Urteil integrierten Beschlusses. Er stellt sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen: | |
1.
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1.1. Zunächst rügt der Beschwerdeführer, dass die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid, den sie nach der Rückweisung neu erlassen hat, das gleiche Strafmass verkündet hat wie im ursprünglichen Urteil vom 19. August 2016. Das Bundesgericht habe das vorinstanzliche Urteil vollständig aufgehoben, obwohl es dies auch nur für einen Teil hätte tun können. Damit bestehe Raum, der Dauer des seit 2005 laufenden Verfahrens in der Strafzumessung Rechnung zu tragen, insbesondere auch der Dauer von dreieinhalb Jahren seit dem ersten obergerichtlichen Urteil. Die Vorinstanz habe das Strafmass für die versuchte Nötigung, die Drohung und die Urkundenfälschung (bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten) nicht unverändert lassen dürfen. Hinzu komme, dass er in beiden Verfahren erster Instanz insgesamt, einschliesslich Verurteilungen wegen mehrfacher Verletzung des Bankgeheimnisses, zu einer Geldstrafe von 540 Tagessätzen verurteilt worden sei. Im Strafmass von 14 Monaten Freiheitsstrafe komme nur unzureichend zum Ausdruck, dass ihn die Vorinstanz im Hauptvorwurf der mehrfachen Verletzung des Bankgeheimnisses freigesprochen resp. dass sie das Verfahren eingestellt habe. Herabzusetzen sei die Strafe auch wegen der "zahlreichen und offensichtlichen Justizfehler zulasten des Beschwerdeführers während der Strafuntersuchung, der Strafzumessung, in der Kostenauflage, auch mit materiellen Auswirkungen auf die Gesamtverfahrensdauer" (Beschwerdeschrift S. 18 ff.). Anschliessend legt der Beschwerdeführer einlässlich dar, weshalb die Strafzumessung willkürlich begründet worden sei.
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Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer, die Auferlegung von Verfahrenskosten verletze die Unschuldsvermutung. Dabei bezieht er sich auf den Umstand, dass ihm die Vorinstanz, wie bereits im ersten, aufgehobenen Urteil, gestützt auf Art. 426 Abs. 2 StPO den Grossteil der Kosten der Untersuchung und der bezirksgerichtlichen Verfahren, einschliesslich derjenigen des obergerichtlichen Entsiegelungsverfahrens und jener der amtlichen Verteidigung, auferlegt hat, obwohl er vom Vorwurf der Bankgeheimnisverletzung freigesprochen worden ist. Weiter verlangt der Beschwerdeführer, das Verfahren gegen ihn sei "gesamthaft als ultima ratio" einzustellen.
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1.2. Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Berufungsgericht zurück, darf sich dieses von Bundesrechts wegen nur noch mit denjenigen Punkten befassen, die das Bundesgericht kassiert hat (vorbehältlich allfälliger zulässiger Noven). Irrelevant ist, dass das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid formell in der Regel das ganze angefochtene Urteil aufhebt. Entscheidend ist nicht das Dispositiv, sondern die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids. Der Gegenstand des nach der Rückweisung neu zu erlassenden Urteils des Berufungsgerichts erschliesst sich anhand der Erwägungen im Rückweisungsentscheid. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als es notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1 S. 220; 135 III 334 E. 2 S. 335). Die übrigen Punkte sind rechtskräftig entschieden, auch wenn sie - der Vollständigkeit halber - im Dispositiv des neuen Urteils wiederholt werden.
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1.3. Im vereinigten Verfahren 6B_1314/2016 und 6B_1318/2016 hat das Bundesgericht den vom Beschwerdeführer angefochtenen obergerichtlichen Schuldspruch betreffend Drohung bestätigt (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2018 E. 2.2 und E. 6). Die von der Oberstaatsanwaltschaft beantragten Schuldsprüche betreffend Verletzung des Bankgeheimnisses resp. des Geschäftsgeheimnisses hat es abgelehnt. Somit blieb es gesamthaft bei den Schuldsprüchen wegen versuchter Nötigung, Urkundenfälschung und Drohung. Die Strafzumessung war strittig, soweit der Beschwerdeführer geltend gemacht hatte, die Ansetzung der Einsatzstrafe für die Urkundenfälschung und die Festlegung der Gesamtstrafe (Asperationen hinsichtlich Drohung und versuchter Nötigung) sei bundesrechtswidrig. Im Zusammenhang mit der versuchten Nötigung seien zudem Strafmilderungsgründe (Art. 48 lit. a Ziff. 2 StGB) nicht berücksichtigt worden. Schliesslich hatte der Beschwerdeführer gerügt, die Strafzumessung sei nicht pflichtgemäss begründet worden. Das Bundesgericht verwarf sämtliche Rügen betreffend das Strafmass (E. 7). Ebenso schützte es die vorinstanzliche Verlegung der Untersuchungs- und erstinstanzlichen Kosten (E. 9; vgl. E. 9.6); auf eine Rüge betreffend Rückerstattung der Kosten für die amtliche Verteidigung trat es nicht ein (E. 9.7).
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Demgegenüber hob das Bundesgericht das angefochtene Urteil vom 19. August 2016 auf, was Modalitäten der Herausgabe beschlagnahmter Dateien anbelangte (E. 8.2, 8.3.2 und 8.4). Dies allein konnte Gegenstand des angefochtenen Urteils vom 29. November 2019 sein, nebst der aufgrund der Rückweisung zu aktualisierenden Kostenregelung und allfälligen anderen originären Bestandteilen des nach der Rückweisung neu erlassenen Urteils. Die Möglichkeit, wiederum Beschwerde in Strafsachen zu führen, ist auf diese Gegenstände begrenzt. Die übrigen sind bereits rechtskräftig. Im wiederaufgenommenen vorinstanzlichen Verfahren stellte die Verteidigung des Beschwerdeführers denn auch zu Recht nur Anträge, welche Gegenstände der Rückweisung betrafen. Die Rechtsbegehren und dazugehörigen Begründungen der gegen das obergerichtliche Urteil vom 29. November 2019 erhobenen Beschwerde beziehen sich auf Punkte, die mit dem bundesgerichtlichen Entscheid vom 10. Oktober 2018 abschliessend behandelt worden und folglich nicht Gegenstand der Rückweisung an das Obergericht gewesen sind. Darauf kann nicht eingetreten werden.
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2. Überdies beanstandet der Beschwerdeführer die in der Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Beschlusses vermerkte Beschränkung der Beschwerde in Strafsachen auf die Ziffern 4 bis 6 des Dispositivs.
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2.1. Dem eigentlichen Dispositiv (enthaltend die Schuldsprüche, Freisprüche, die Verfahrenseinstellung und das Strafmass etc. sowie die Kostenfolgen) hat die Vorinstanz einen "Beschluss" vorangestellt, umfassend die Vereinigung der beiden vorher parallel geführten Verfahren (Ziff. 1), die Wiedergabe der bezirksgerichtlichen Dispositive, soweit sie rechtskräftig sind (Ziff. 2 und 3), die Zusprechung einer Entschädigung für Aufwendungen der amtlichen Verteidigung im einen bezirksgerichtlichen Verfahren (Ziff. 4), die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren (Ziff. 5), die Prozessentschädigung der amtlichen Verteidigung für das Beschwerdeverfahren (Ziff. 6) und den Vermerk zur mündlichen Eröffnung und schriftlichen Mitteilung (Ziff. 7). In Ziff. 8 wird festgehalten, dass gegen Ziff. 4 bis 6 Beschwerde in Strafsachen erhoben werden kann.
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Ziff. 8 des Beschlusses beschlägt keine Dispositiv-Positionen, die der Beschwerdeführer anfechten möchte (vgl. angefochtenes Urteil S. 38 ff.: "Es wird erkannt:..."; Strafpunkt: Ziff. 4; Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens: Ziff. 12), aber nach dem in E. 1 Gesagten nicht mehr anfechtbar sind. Insoweit ist die Rüge unbegründet und die Beschwerde abzuweisen.
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3. Angesichts des Ausgangs des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig. Umständehalber sind indes keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist mithin gegenstandslos. Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da er keine besonderen Verhältnisse oder Auslagen geltend macht, die eine solche rechtfertigen könnten (vgl. BGE 127 V 205 E. 4b S. 207; 125 II 518 E. 5b S. 519; Urteil 6B_589/2019 vom 26. Mai 2020 E. 4).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 17. Juni 2020
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Traub
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