BGer 2C_261/2020 | |||
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BGer 2C_261/2020 vom 09.07.2020 |
2C_261/2020 |
Urteil vom 9. Juli 2020 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Zünd, Beusch,
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Gerichtsschreiber König.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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B.________,
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Beschwerdeführer,
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beide vertreten durch C.________,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Zürich,
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Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
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Gegenstand
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Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,
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Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 29. Januar 2020 (VB.2019.00615).
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. A.________ ist serbischer Staatsangehöriger. Nach einer Scheidung im April 2016 und einem ersten Aufenthalt in der Schweiz im März 2017 heiratete er am 26. Oktober 2017 in Serbien die ungarische Staatsangehörige B.________. Diese verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA.
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Am 23. November 2017 reiste A.________ erneut in die Schweiz ein. Er erhielt am 4. Januar 2018 eine Aufenthaltsbewilligung EU/ EFTA zum Verbleib bei seiner Ehefrau.
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1.2. Nachdem das Migrationsamt des Kantons Zürich im Jahr 2018 Abklärungen im Hinblick auf eine allfällige Scheinehe vorgenommen hatte, widerrief es am 18. Februar 2019 die Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen im Kanton Zürich erhobenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 12. August 2019 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Januar 2020).
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1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. März 2020 beantragen A.________ und B.________ beim Bundesgericht sinngemäss, vom Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und der Wegweisung von A.________ sei abzusehen.
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Das Bundesgericht zog die vorinstanzlichen Akten bei. Das Staatssekretariat für Migration verzichtete auf Vernehmlassung.
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2. | |
Der Beschwerdeführer leitet in vertretbarer Weise einen Aufenthaltsanspruch aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) ab (siehe sogleich E. 3). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG).
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3. | |
Als Ehegatte einer ungarischen, in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen kann sich der Beschwerdeführer grundsätzlich auf die Bestimmungen des FZA berufen. Der Aufenthaltsanspruch steht allerdings unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs und fällt dahin, wenn der Wille zur Ehegemeinschaft fehlt. Die von der originär anwesenheitsberechtigten EU-Bürgerin abgeleitete Bewilligung des Drittstaatsangehörigen kann in diesem Fall mangels Fortdauerns der Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP; SR 142.203) in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. d AIG (SR 142.20) widerrufen oder nicht (mehr) verlängert werden (BGE 139 II 393 E. 2.1 S. 395).
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4. | |
4.1. Die Vorinstanz erwog im angefochtenen Urteil, der vorliegende Bewilligungswiderruf sei rechtmässig, weil verschiedene Indizien darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe führe. Sie stellte insbesondere fest und wertete als solches Indiz, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass die heutige Ehefrau des Beschwerdeführers, die nach Angaben des Ehepaares schon längere Zeit vor dem Eheschluss in D.________ (Serbien) Kontakt mit dem Beschwerdeführer gehabt habe, entsprechend ihren Aussagen anlässlich einer Befragung nicht gewusst haben soll, dass der Beschwerdeführer kurz vor ihrer Abreise in die Schweiz den als Vater ihres neuen Schwiegersohnes bekannten Freund E.________ im März 2017 in der Schweiz besuchen würde. Ebenso wenig wahrscheinlich sei, dass die Ehegatten - wie vom Beschwerdeführer angegeben - anfangs 2017 den Entschluss zur Eingehung der Ehe gefasst haben sollen. Überzeugend erscheine auch nicht die Darstellung der Ehefrau, wonach die beiden erst später, während ihres Aufenthalts in der Schweiz, ein Paar geworden seien.
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Nach Auffassung der Vorinstanz kommt nebst den erwähnten Ungereimtheiten resp. wenig plausiblen Angaben der Beschwerdeführer als Indiz für eine Scheinehe hinzu, dass es keine Fotos von gemeinsamen Unternehmungen der Eheleute gibt. Die Befragung des Beschwerdeführers zur Beziehung zur Tochter seiner Ehefrau würde zudem einen anderen Eindruck hinterlassen, als in der Beschwerde an die Vorinstanz geltend gemacht worden sei. Als Indiz für eine Scheinehe zu werten sei auch der Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihre Aussagen zur Häufigkeit der Telefonate mit dem Beschwerdeführer geändert habe, nachdem sich gezeigt habe, dass auf der Anrufliste ihres Mobiltelefons sehr selten Anrufe verzeichnet gewesen seien. In der Wohnung der Ehefrau, wo der Beschwerdeführer (abgesehen von gelegentlichen Übernachtungen bei einem Freund in der Zeit zwischen Juni und September 2018) gelebt haben wolle, hätten Gegenstände, welche Männer für den täglichen Gebrauch benötigen (wie ein Rasierer, ein Aftershave oder ein spezifisches Deodorant), und persönliche, dem Beschwerdeführer zuzuordnende Gegenstände gefehlt. Dies bestärke die Vermutung, dass sich der Beschwerdeführer kaum in dieser Wohnung aufgehalten habe (E. 4.1 des angefochtenen Urteils).
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4.2. Ob die Ehe bloss (noch) formell besteht, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und kann nur durch Indizien erstellt werden (BGE 135 II 1 E. 4.2 S. 9 f.). Solche Indizien können äussere Begebenheiten sein wie eine drohende Wegweisung, das Fehlen einer Wohngemeinschaft, ein erheblicher Altersunterschied, Schwierigkeiten in der Kommunikation, fehlende Kenntnisse über den Ehepartner und dessen Familie oder die Bezahlung einer Entschädigung. Die Indizien können aber auch psychische Vorgänge betreffen (tatsächlicher Wille). In beiden Fällen handelt es sich um tatsächliche Feststellungen, welche das Bundesgericht nur auf offensichtliche Unrichtigkeit oder Rechtsverletzungen hin überprüft (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152). In die vorinstanzliche Beweiswürdigung greift es nur ein, wenn diese willkürlich ist (Urteile 2C_752/2016 vom 16. September 2016 E. 3.2; 2C_1141/2015 vom 18. Juli 2016 E. 2.2).
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In der Beschwerde begnügen sich die Beschwerdeführer über weite Strecken damit, die Geschehnisse zu schildern, wie sie sich aus ihrer Sicht zugetragen haben, ohne sich mit den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und deren Würdigung durch die Vorinstanz auseinanderzusetzen. Damit vermögen sie gemäss ständiger bundesgerichtlicher Praxis keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und/oder Beweiswürdigung zu substanziieren (vgl. BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444). Zwar machen die Beschwerdeführer auch geltend, anlässlich der Kontrolle in der Wohnung habe die Polizei zu Unrecht die Aussage der Ehefrau, dass der Beschwerdeführer in der Wohnung vorhandene, für beide Geschlechter verwendbare Kosmetika der Marke "F.________" nutze, nicht protokolliert. Daraus lässt sich aber schon deshalb nichts zu Gunsten der Beschwerdeführer ableiten, weil sie damit eine neue Tatsache anrufen, ohne dass erst der Entscheid der Vorinstanz hierzu Anlass gibt (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG). Nichts anderes gilt für die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, die Ehefrau habe anlässlich der (angeblich) sechstündigen polizeilichen Befragung infolge des damit verbundenen Druckes vergessen, dass ihr Ehemann erstmals im März 2017 in die Schweiz gereist sei. Dass sich das Fehlen von Fotos gemeinsamer Unternehmungen des Ehepaares möglicherweise durch den Umstand erklären lässt, dass der Ehefrau Fotos ihrer Enkeltochter (auch angesichts des Alters des Ehepaares) mehr Wert sein sollen, lässt sodann die vorinstanzliche Beweiswürdigung ebenfalls nicht als willkürlich erscheinen, hat die Vorinstanz doch das Fehlen von Fotos des Ehepaares nur als eines von mehreren Indizien für das Vorliegen einer Scheinehe gewürdigt.
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Im Ergebnis deuten vorliegend - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - gewichtige Hinweise auf eine Scheinehe hin. Die Vorinstanz durfte gestützt auf die verschiedenen Indizien ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgehen, die Ehe der Beschwerdeführer sei lediglich aus ausländerrechtlichen Motiven geschlossen worden. Damit hat der Beschwerdeführer einen Grund für den Widerruf seiner Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA gesetzt (vgl. E. 3 hiervor).
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4.3. Der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung muss verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV und Art. 96 AIG; Urteile 2C_1077/2017 vom 8. Januar 2019 E. 5.1; 2C_292/2017 vom 8. März 2018 E. 5; 2C_396/2017 vom 8. Januar 2018 E. 7.1). Abzuwägen ist das öffentliche Interesse an der Wegweisung gegen das private Interesse des Betroffenen am Verbleib in der Schweiz. Massgebliche Kriterien sind dabei unter anderem die Dauer der Anwesenheit und der Grad der Integration, die familiären Verhältnisse sowie die Wiedereingliederungschancen im Herkunftsstaat (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.).
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Der 50-jährige Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils erst etwas mehr als zwei Jahre lang in der Schweiz. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine fortgeschrittene Integration in die hiesigen Verhältnisse, zumal im angefochtenen Entscheid von einem seitens des Beschwerdeführers begangenen, wenn auch nicht besonders schwerwiegenden Verstoss gegen Verkehrsregeln die Rede ist. Überdies ist nach den Feststellungen der Vorinstanz davon auszugehen, dass er sein ganzes Leben zuvor in Serbien verbracht hat. Die Aussage in der Beschwerde, wonach die Ehefrau ohne einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Schweiz nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen könne, ist sodann nicht substanziiert. Bei dieser Sachlage überwiegt das öffentliche Interesse an der Wegweisung die privaten Interessen am Verbleib des Beschwerdeführers in der Schweiz. Der Bewilligungswiderruf und die Wegweisung erweisen sich vor diesem Hintergrund als verhältnismässig.
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Die Beschwerde ist nach dem Gesagten offensichtlich unbegründet, weshalb sie mit summarischer Begründung und Verweis auf das angefochtene Urteil (Art. 109 Abs. 3 BGG) abzuweisen ist.
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5. | |
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 2 BGG) den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 9. Juli 2020
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: König
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