BGer 2C_430/2020 | |||
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BGer 2C_430/2020 vom 13.07.2020 |
2C_430/2020 |
Urteil vom 13. Juli 2020 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Bundesrichterin Hänni,
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Gerichtsschreiber Hugi Yar.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Remo Gähler,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Thurgau,
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Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurga u.
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Gegenstand
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Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,
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Beschwerde gegen den Entscheid
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des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
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vom 8. April 2020 (VG.2019.50/E).
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Sachverhalt: |
A. | |
A.________ (geb. 1984) ist slowakischer Staatsbürger. Er heiratete am 8. Oktober 2004 die Schweizer Bürgerin B.________; gestützt hierauf erteilte ihm das Migrationsamt des Kantons Thurgau eine bis zum 7. Oktober 2005 gültige Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Gattin. Die Bewilligung wurde regelmässig verlängert - letztmals bis zum 7. Oktober 2011. Am 30. Juni 2009 schied das Bezirksgericht Kreuzlingen die Ehe A.________-B.________. Das Migrationsamt des Kantons Thurgau stellte A.________ in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung zur Stellensuche und hernach eine bis zum 7. Oktober 2016 verlängerte Bewilligung zum Erwerbsaufenthalt aus. Am 27. Juni 2011 erlitt A.________ einen Arbeitsunfall (Verletzung der linken Hand), weshalb er bis Juni 2012 erwerbslos blieb. In der Folge wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung zur Stellensuche bis zum 7. Oktober 2017 verlängert.
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B. | |
B.a. Am 7. September 2017 ersuchte A.________ darum, ihm eine Bewilligung für einen erwerbslosen Aufenthalt auszustellen. Mit Entscheid vom 18. Mai 2018 lehnte das Migrationsamt des Kantons Thurgau dies ab; gleichzeitig forderte es A.________ auf, das Land zu verlassen. Die Abklärungen hätten ergeben - so das Migrationsamt -, dass der Gesuchsteller von Februar 2009 bis Januar 2010 sowie von März 2011 bis April 2014 teilweise und seit Mai 2014 vollumfänglich (Fr. 2'025.95 monatlich) durch das Sozialamt habe unterstützt werden müssen. Seit Mai 2014 sei A.________ "ausgesteuert".
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B.b. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg: Das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau wies den Rekurs von A.________ am 8. März 2019, das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Beschwerde hiergegen am 8. April 2020 ab. Die Vorinstanz ging davon aus, dass A.________ zwar formell einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe (Firma "C.________"), diese es ihm aber nicht erlaube, für seinen Unterhalt aufzukommen. Das zulässigerweise finanziell begründete öffentliche Interesse, einen vermutungsweise dauerhaft sozialhilfeabhängigen Ausländer wegzuweisen, überwiege dessen privates Interesse, in der Schweiz verbleiben zu können.
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C. | |
A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, ihm die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA um 5 Jahre zu verlängern. Er macht geltend, nur ergänzend von der Sozialhilfe unterstützt zu werden. Mit seinen im Jahresdurchschnitt erzielten Einnahmen habe die Sozialhilfeunterstützung um 50 % reduziert werden können. Seine Sozialhilfeabhängigkeit sei nicht selbstverschuldet. Er habe sich erfolglos intensiv um verschiedene Stellen bemüht. In der Folge habeer im Sommer 2018 entschieden, sich selbständig zu machen. Sein privates Interesse, sein soziales und berufliches Netz nach einem langen Aufenthalt in der Schweiz nicht zurücklassen zu müssen, überwiege das öffentliche Interesse an einer Beendigung seines Aufenthalts. Für den Fall des Unterliegens ersucht er darum, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
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Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten eingeholt und vorerst auf Stellungnahmen der kantonalen Behörden und des Staatssekretariats für Migration (SEM) verzichtet. Das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau beantragt dennoch, die Beschwerde abzuweisen.
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Mit Verfügung vom 26. Mai 2020 hat der Abteilungspräsident der Eingabe antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt.
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Erwägungen: |
1. | |
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG) ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da der Beschwerdeführer als slowakischer Staatsbürger gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen potenziell einen Anspruch darauf geltend machen kann, dass sein Aufenthaltsrecht in der Schweiz anerkannt und gegebenenfalls die damit verbundene Bewilligung ausgestellt wird (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [Freizügigkeitsabkommen; FZA; SR 0.142.112.681]). Der Bewilligung kommt im Zusammenhang mit dem FZA keine rechtsbegründende, sondern lediglich eine deklaratorische Wirkung zu (vgl. BGE 136 II 329 E. 2.2 in fine; 134 IV 57 E. 4 S. 58). Die Frage, ob die Aufenthaltsbewilligung zu Recht nicht erteilt oder verlängert worden ist, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der inhaltlichen Prüfung der Beschwerde (vgl. BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f.). Da auch alle weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde einzutreten (vgl. Art. 42, Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).
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2. | |
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); es prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die vorgebrachten Rechtsverletzungen, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu augenfällig sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). Es ist an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser erweise sich in einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig (BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144 f.; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
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2.2. | |
2.2.1. Die vorliegende Eingabe genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen nur beschränkt: Der Beschwerdeführer beanstandet die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung weitgehend appellatorisch, d.h. er wiederholt lediglich seine Sicht der Dinge und stellt diese jener der Vorinstanz gegenüber, ohne darzutun, dass und inwiefern das Verwaltungsgericht die Beweise in Verletzung von Art. 9 BV (Willkür) gewürdigt oder den Sachverhalt offensichtlich falsch festgestellt hätte. Eine derart begründete Kritik genügt im bundesgerichtlichen Verfahren nicht; entsprechend formulierte Rügen gelten als ungenügend substanziiert (vgl. LAURENT MERZ, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger/Kneubühler [Hrsg.], Basler Kommentar BGG, 3. Aufl. 2018, N. 53 zu Art. 42 BGG).
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2.2.2. Der Beschwerdeführer muss in Auseinandersetzung mit den Argumenten der Vorinstanz detailliert aufzeigen,
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3. | |
3.1. Die Beschwerdeführer kritisiert, das Verwaltungsgericht habe seine Ausführungen nicht hinreichend gewürdigt und den angefochtenen Entscheid unzulänglich begründet, was seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletze (Art. 29 BV). Indem die Vorinstanz die angebotenen rechtserheblichen Beweisbegehren ohne jegliche Begründung nicht berücksichtigt habe, habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt und den Sachverhalt willkürlich festgestellt.
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3.2. Die Kritik ist unberechtigt: Das Verwaltungsgericht hat sich mit den entscheidrelevanten Darlegungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und sein Urteil hinreichend begründet, zumal bereits die kantonalen Vorinstanzen die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen eingehend geprüft hatten. Das Verwaltungsgericht konnte sein Urteil kurz fassen. Der Beschwerdeführer war dennoch in der Lage, dieses sachgerecht anzufechten. Praxisgemäss genügt, dass die Begründung eines Entscheids die wesentlichen Überlegungen nennt, von denen die Behörde sich hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt; es ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten ausführlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen widerlegt (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236, 184 E. 2.2.1 S. 188 je mit weiteren Hinweisen).
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3.3. | |
3.3.1. Soweit der Beschwerdeführer kritisiert, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die angebotenen Zeugen bezüglich seiner Einnahmen bzw. denjenigen seiner Einzelfirma nicht angehört, überzeugt seine Kritik ebenfalls nicht: Grundsätzlich kann auf die Abnahme beantragter Beweise verzichtet werden, wenn die Vorinstanz gestützt auf die Aktenlage oder aufgrund bereits abgenommener Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und willkürfrei davon ausgehen darf, dass weitere Beweiserhebungen hieran nichts mehr zu ändern vermögen ("antizipierte Beweiswürdigung"; vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157).
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3.3.2. Aufgrund der bei den Akten liegenden, vom Beschwerdeführer auf wiederholte Aufforderungen hin beigebrachten Unterlagen liess sich seine finanzielle Situation zureichend abschätzen; zusätzliche Zeugenanhörungen erübrigten sich. Die Vorinstanz stellte nicht infrage, dass der Beschwerdeführer formell selbständig erwerbstätig ist und dabei über einen gewissen Kundenstamm verfügt; sie ging vielmehr davon aus, dass die Einnahmen des Beschwerdeführers nicht ausreichten, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, weshalb keine entsprechende EU-/EFTA-Bewilligung erteilt werden könne. Das vom Beschwerdeführer angegebene Einkommen wurde dem angefochtenen Entscheid zugrunde gelegt und berücksichtigt; ob dieses im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens für eine selbständige Erwerbstätigkeit genügte, um einen (weiteren) Aufenthalt in der Schweiz zu gestatten, ist keine Tat- sondern eine Rechtsfrage.
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4. | |
Vor Bundesgericht umstritten, ist einzig (noch) die Frage, ob der Beschwerdeführer für die beantragte Bewilligung die Voraussetzungen als selbständigerwerbender Angehöriger eines EU- bzw. EFTA-Staats erfüllt; der Beschwerdeführer macht nicht geltend, im Zusammenhang mit seinem Arbeitsunfall hier über ein Verbleiberecht zu verfügen (vgl. hierzu das Urteil 2C_13/2018 vom 16. November 2018 E. 4.3).
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4.1. Bürger aus EU-/EFTA-Staaten haben Anspruch auf eine fünfjährige EU-/EFTA-B-Bewilligung, falls sie den zuständigen Behörden nachweisen, dass sie sich zum Zweck einer selbständigen Erwerbstätigkeit niedergelassen haben oder niederlassen wollen (Art. 12 Abs. 1 Anhang I FZA). Die entsprechende Bewilligung kann widerrufen oder verweigert werden, wenn die Voraussetzungen für deren Erteilung nicht (mehr) gegeben sind oder von Anfang an nicht erfüllt waren (vgl. Art. 23 Abs. 1 VEP [SR 142.203]). Der betroffene Selbständigerwerbende muss seine Erwerbstätigkeit dartun; dabei dürfen aber
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4.2. | |
4.2.1. Die betroffene Person soll durch die selbständige Erwerbstätigkeit grundsätzlich ein Einkommen erzielen, das ihr erlaubt, ihren Lebensunterhalt und allenfalls jener der Familie zu fristen und hierfür nicht dauerhaft und umfassend auf Sozialhilfeleistungen angewiesen zu sein (vgl. die Urteile 2C_451/2019 vom 6. Februar 2020 E. 3.2 und 2C_243/2015 vom 2. November 2015 E. 3.3.1 und 3.3.2; ZÜND/HUGI YAR, a.a.O., S. 200 f.); ist dies dennoch der Fall, darf die Bewilligung widerrufen bzw. nicht mehr erneuert werden, da der Betroffene nicht mehr als erwerbstätig gelten kann (vgl. PHILIPP GREMPER, in: Uebersax/ Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, § 18 Ausländische Personen als selbständig Erwerbende, S. 905 ff., dort S. 923 N. 18.26; EPINEY/BLASER, in: Cesla Amarelle/Minh Son Nguyen [Editeurs], Code annoté de droit des migrations, Volume III: Accord sur la libre circulation [ALCP], 2014, N. 34 zu Art. 4 ALCP).
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4.2.2. Die entsprechenden Voraussetzungen ergeben sich aus Sinn und Zweck von Art. 12 Abs. 1 und 2 des Anhangs I FZA: Hintergrund dieses Erfordernisses bildet der Umstand, dass die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht nur für den gesuchstellenden Ausländer mit finanziellen und sozialen Risiken verbunden ist. Da Selbständigerwerbende im Gegensatz zu Arbeitnehmern nicht obligatorisch gegen Arbeits- bzw. Verdienstlosigkeit versichert sind, stellen sie im Falle eines schlechten Geschäftsgangs und bei Fehlen ausreichender finanzieller Reserven ein erhöhtes Risiko für das staatliche Fürsorgesystem dar (vgl. OTT, a.a.O., N. 11 zu Art. 19 AuG; GREMPER, a.a.O., N. 18.33; Urteil 2C_451/2019 vom 6. Februar 2020 E. 3.2).
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4.2.3. Aus diesem Grund dürfen - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - mit Blick auf die Folgen bei einer Sozialhilfeabhängigkeit unselbständigerwerbende Bürger aus der EU bzw. der EFTA ein Stück weit anders behandelt werden als selbständigerwerbende. Es besteht für die Ungleichbehandlung - wegen der abweichenden wirtschaftlichen Ausgangslage und des unterschiedlichen Risikos - grundsätzlich ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung (vgl. BGE 141 I 153 E. 5.1 S. 157); auch besteht an sich keine unzulässige Diskriminierung zwischen den beiden Personengruppen (vgl. BGE 143 I 129 E. 2.3.1 S. 133; 139 I 292 E. 8.2 S. 303 f.; 138 I 205 E. 5.4 S. 213).
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4.2.4. Dies bedeutet indessen nicht, dass jeder Bezug von Sozialhilfeleistungen durch selbständigerwerbende Bürger aus EU-/EFTA-Staaten den Widerruf bzw. die Nichtverlängerung ihrer Bewilligung nach sich ziehen muss, namentlich darf für selbständig erwerbstätige Personen
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5. | |
Wenn die kantonalen Behörden und die Vorinstanz im vorliegenden Fall gestützt auf sämtliche Umstände zum Schluss gekommen sind, dass die Fürsorgeabhängigkeit der Erteilung einer Bewilligung an den Beschwerdeführer als selbständigerwerbenden Bürger eines Unionsstaates entgegensteht, ist dies nicht zu beanstanden:
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5.1. Der Beschwerdeführer fand in der Schweiz nie eine dauerhafte Anstellung als Arbeitnehmer. Er war während seines Aufenthalts vielmehr wiederholt, dauernd und erheblich von Sozialhilfeleistungen abhängig. Dies war ein erstes Mal in der Zeit vom Februar 2009 bis Januar 2010 der Fall. Vom Januar 2010 bis September 2016 ging er mehreren kurzzeitigen Erwerbstätigkeiten nach, musste jedoch weiterhin immer wieder von der Sozialhilfe unterstützt werden. Ab Mai 2014 wurde er "ausgesteuert"; er war in der Folge vollumfänglich auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Der Saldo des Sozialhilfekontos des Beschwerdeführers betrug am 1. März 2019 Fr. 82'648.57 und am 1. April 2019 Fr. 83'827.17. Der Beschwerdeführer bemühte sich nach seinem Arbeitsunfall um IV-Leistungen, sein entsprechendes Gesuch wurde indessen wiederholt abgewiesen, zudem wurde ihm eine hundertprozentige Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit attestiert.
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5.2. | |
5.2.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass er heute dank seiner selbständigen Tätigkeit in der Reinigungsbranche nur noch teilweise Sozialhilfeleistungen beziehen müsse. Durchschnittlich verdiene er mit seiner Einzelfirma Fr. 1'848.12 pro Monat; die Sozialhilfe müsse nur noch für die Miete (Fr. 705.--) und die Krankenkassenprämie (Fr. 450.15) aufkommen. Der Beschwerdeführer übersieht, dass er damit kein regelmässiges, einigermassen konstantes monatliches Einkommen glaubhaft dartun kann. Er legte dem Verwaltungsgericht keine korrekt geführte Buchhaltung vor und vermischte teilweise seine privaten Ausgaben mit jenen der Einzelfirma.
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5.2.2. Trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Vorinstanz, aussagekräftige Unterlagen einzureichen, aus welchen der mit der selbständigen Erwerbstätigkeit erzielte Gewinn (Ertrag abzüglich Aufwand) ersichtlich sei, hat der Beschwerdeführer keine entsprechenden Papiere beigebracht. Aus der von ihm erstellten summarischen Buchhaltungsübersicht ergibt sich, dass er in einzelnen Monaten - wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat - wiederholt deutlich mehr ausgab, als er einnahm: Im August 2018 standen Ausgaben von Fr. 574.10 Einnahmen von Fr. 375.-- gegenüber; im September 2018 nahm er mit seiner Einzelfirma Fr. 82.50 ein, wobei die Ausgaben Fr. 2'591.96 betrugen; im Dezember 2018 standen Einnahmen von Fr. 1'735.20 Ausgaben von Fr. 1'304.50 gegenüber.
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5.2.3. Im Hinblick auf diese Zahlen bestand keine tatsächlich ausgeübte selbständige Aktivität, die es dem Beschwerdeführer erlaubte, ein auf Dauer existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften, was regelmässig als Grundlage für die Aufenthaltsbewilligung als Selbständigerwerbender vorauszusetzen ist. Der Beschwerdeführer blieb - auch in Monaten mit Überschüssen - von der Sozialhilfe abhängig. Soweit er kritisiert, dass das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen habe, dass er über einen Kundenstamm verfüge, ist sein Einwand unberechtigt: Die Vorinstanz ging davon aus, dass er selbständig erwerbstätig sei, was das Bestehen einer minimalen Anzahl von Kunden voraussetzte; trotz dieser Kundschaft hat der Beschwerdeführer sich nicht von den (ergänzenden) Sozialhilfeleistungen lösen und für seine Lebenshaltungskosten auch nur annähernd aufkommen können.
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5.3. Der Beschwerdeführer hat sich im Sommer 2018 selbständig gemacht; bis in den April 2020 hat er es indessen nicht geschafft, mit seiner Einzelfirma ein effektives und existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften und sich von der Sozialhilfe zu lösen. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass dies künftig möglich sein könnte. Die von ihm in der Eingabe an das Bundesgericht geltend gemachten Einkünfte im Jahr 2019 bestätigen im grossen und ganzen die Einnahmenentwicklung im Jahr zuvor. Den in dieser Zeitperiode erfolgten Aufwand der Einzelfirma legt der Beschwerdeführer nicht dar, sodass davon auszugehen ist, dass sich seine Situation wirtschaftlich etwa im gleichen Rahmen gehalten und nicht namhaft verbessert haben dürfte; der Beschwerdeführer behauptet nichts anderes. Soweit er einwendet, dass in der Aufbauphase einer Firma mit Verlusten zu rechnen sei, verkennt er, dass sich die Situation seines Betriebs über rund zwei Jahre hinweg (Sommer 2018 bis Frühling 2020) kaum verbessert hat. Es ist - wie die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht feststellen durfte - nicht absehbar, wann seine Einzelfirma es ihm im Rahmen einer genügenden Geschäftstätigkeit erlauben wird, durch ein regelmässiges Einkommen dauernd für seinen Lebensaufwand sorgen und sich von der Sozialhilfe gänzlich lösen zu können.
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5.4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist demnach nicht "einzig" relevant, dass er "mit seinen im Jahresschnitt erzielten Einnahmen die Sozialhilfeunterstützung um fast 50 %" habe "reduzieren können und seither nur noch ergänzend unterstützt" werden müsse. Die selbständige Erwerbstätigkeit muss - wie dargelegt (vgl. vorstehende E. 4.2) - effektiv und möglichst existenzsichernd sein. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einzelfirma erlaubt es ihm seit Jahren nicht, für sich selber aufzukommen. Seine Geschäftstätigkeit genügt umfangmässig den Anforderungen an den Aufenthalt als Selbständigerwerbender deshalb nicht (vgl. die Urteile 2C_451/2019 vom 6. Februar 2020 E. 3.3 und 2C_243/2015 vom 2. November 2015 E. 3.3.1).
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5.5. Die Vorinstanz durfte ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer trotz seiner selbständigen Er-werbstätigkeit kein regelmässiges und existenzsicherndes Einkommen erzielen kann und voraussichtlich weiter in erheblichem Mass auf Sozialhilfeleistungen angewiesen bleiben wird. Beim Widerruf der Bewilligung für eine selbständige Erwerbstätigkeit im Rahmen von Art. 12 Anhang I FZA müssen zwar die gesamten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, doch ist nicht erforderlich, dass die Sozialhilfeabhängigkeit verschuldet sein muss; die möglichst existenzsichernde Geschäftstätigkeit bildet Bewilligungsvoraussetzung dafür, dass die betroffene Person freizügigkeitsrechtlich überhaupt in der Schweiz einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Nur eine vorübergehende und beschränkte Sozialhilfeabhängigkeit eines Selbständigerwerbenden, der dank seiner Aktivität normalerweise für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, rechtfertigte es, unter Berücksichtigung der gesamten Umstände allenfalls die Bewilligung nicht (sofort) zu widerrufen.
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6. | |
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Verweigerung der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung auch verhältnismässig; sie verletzt - im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung der Interessen (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.8 S. 277) - weder sein Recht auf Familien- noch jenes auf Privatleben (vgl. BGE 144 I 91 E. 4.2, 266 ff.; BGE 144 II 1 E. 6 S.12 ff.) :
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6.1. | |
6.1.1. Selbst wenn die Fürsorgeabhängigkeit im Rahmen der Voraussetzungen für die Erteilung einer FZA-Bewilligung verschuldet sein müsste (vgl. vorstehende E. 5.5), wäre dies hier der Fall: Nach der Rechtsprechung kann eine Erkrankung bzw. Arbeitsunfähigkeit, welche (auch im Zusammenspiel mit anderen Ursachen) zur Sozialhilfeabhängigkeit geführt hat, der betroffenen Person "nicht unbesehen" zum Vorwurf gemacht werden. "Nicht unbesehen" meint, dass die gesamten Umstände des Einzelfalls gebührend zu berücksichtigen sind. Mit Bezug auf die Schadenminderungspflicht kann erwartet werden, dass sich die gesundheitlich beeinträchtigte Person nach einer gewissen Zeit beruflich umorientiert bzw. sich um eine ihrem Gesundheitszustand angepasste Erwerbstätigkeit bemüht (Urteil 2C_13/2018 vom 16. November 2018 E. 3.5.1; vgl. zur "dauernden Arbeitsunfähigkeit" eines Arbeitnehmers, welcher nach einem Arbeitsunfall der bisherigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann, dem jedoch eine andere Berufstätigkeit zumutbar ist: Urteil 2C_134/2019 vom 12. November 2019 E. 4.4 - 4.8 [BGE 146 II 89 ff.]).
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6.1.2. Der Beschwerdeführer hat - wie bereits dargelegt - lange Zeit im Wesentlichen versucht, eine IV-Leistung erhältlich zu machen; zwar hat er sich auch auf Stellenausschreibungen gemeldet, doch hat er keine Arbeit gefunden. Die Annahme der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer die Sozialhilfeabhängigkeit verschuldet habe, da er sich nicht rechtzeitig mit dem nötigen Nachdruck um eine angemessene alternative Erwerbstätigkeit bemühte, ist im Rahmen der Beweiswürdigung nicht offensichtlich unhaltbar. Immerhin ist der Beschwerdeführer für eine seiner körperlichen Beeinträchtigung angepasste Tätigkeit zu hundert Prozent arbeitsfähig.
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6.2. Der Beschwerdeführer unterhält in der Schweiz keine Beziehungen im Rahmen der Kernfamilie; zwar halten sich weitere Familienangehörige hierauf (vier Geschwister, die Mutter und der Stiefvater), doch ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer nicht dargetan, dass und inwiefern zu diesen ein Abhängigskeitsverhältnis bestehen würde (vgl. BGE 144 II 1 E. 6.1 S. 12 f. mit Hinweisen). Er wird die entsprechenden familiären Kontakte besuchsweise bzw. über die traditionellen und modernen Kommunikationsmittel von der Heimat aus aufrechterhalten können. Seine Anwesenheit in der Schweiz ist hierzu nicht erforderlich. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, in der Schweiz "besonders enge Beziehungen" aufgebaut zu haben, belegt er diesen Einwand - entgegen seiner Begründungs- (vgl. Art. 42 BGG) und Mitwirkungspflicht (vgl. Art. 90 AIG) - nicht weiter.
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6.3. Zwar hält sich der Beschwerdeführer inzwischen seit über 15 Jahren in der Schweiz auf, doch kann er beruflich wie wirtschaftlich nicht als vertieft integriert gelten. Trotz seiner in der Slowakei abgeschlossenen Berufslehre als Schreiner musste er schon vor seinem Unfall Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer kam zudem erst als 20-Jähriger in die Schweiz und hat die prägenden Kinder- und Jugendjahre somit in seinem Heimatland verbracht. Er ist mit der dortigen Sprache sowie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation vertraut; im Übrigen sind die Verhältnisse in der Slowakei - als Mitgliedsstaat der Europäischen Union - nicht grundlegend anders als in der Schweiz, weshalb sein Einwand, keine Beziehungen zu seinem Heimatstaat mehr zu unterhalten, nicht ins Gewicht fällt.
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6.4. Es ist dem Beschwerdeführer zumutbar, eine neue berufliche Existenz in seinem Heimatstaat aufzubauen. Er ist in der Schweiz seit Jahren fürsorgeabhängig; eine Änderung der Situation ist nicht absehbar. Es besteht diesbezüglich nach rund zwei Jahren selbständiger Erwerbstätigkeit ohne ein existenzsicherndes Einkommen keine günstige Prognose. Die Vorinstanz durfte ohne Rechtsverletzung annehmen, es liege mit der jahrelangen Sozialhilfeabhängigkeit im Hinblick auf die öffentlichen Finanzen ein relevantes - auch von Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anerkanntes - öffentliches Interesse daran vor, dass er das Land verlässt ("wirtschaftliches Wohl"; vgl. BGE 139 I 330 E. 3.2 S. 339; Urteil 2C_870/2018 vom 13. Mai 2019 E. 5.3.5; Urteil des EGMR
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7. | |
7.1. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet; es ist ihr keine Folge zu geben.
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7.2. Der Beschwerdeführer ersucht für diesen Fall, ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren; dem Gesuch ist zu entsprechen, da er bedürftig ist und seine Beschwerde nicht als zum Vornherein aussichtslos gelten konnte (Art. 64 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
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2.1. Es werden keine Kosten erhoben.
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2.2. Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt Remo Gähler, Winterthur, als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben; dieser wird für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'800.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
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3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. Juli 2020
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
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