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Informationen zum Dokument  BGer 9C_307/2020  Materielle Begründung
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BGer 9C_307/2020 vom 10.08.2020
 
 
9C_307/2020
 
 
Urteil vom 10. August 2020
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Meyer, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Spitex A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Romana C anc ar,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Atupri Gesundheitsversicherung, Direktion, Zieglerstrasse 29, 3007 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Krankenversicherung (Krankenpflege; ambulante Behandlung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern vom 25. März 2020 (200 19 448 SCHG).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1968 geborene B.________ ist seit 1. Januar 2018 bei der Atupri Gesundheitsversicherung (nachfolgend: Atupri) obligatorisch krankenpflegeversichert. Mit ärztlich visierten Bedarfsmeldeformularen vom 5. Dezember 2017, 11. April und 18. Juni 2018 sowie 9. April 2019 gelangte die Spitex A.________ (nachfolgend: Spitex) an die Atupri mit dem Ersuchen um Übernahme der Kosten von für B.________ zu erbringende ambulante Krankenpflegeleistungen. Die Atupri lehnte das entsprechende Leistungsbegehren in der Folge mehrmals ab (Schreiben vom 13. und 28. Juni, 30. Juli, 9. und 29. November 2018 sowie 12. Februar und 15. April 2019).
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B. Am 5. Juni 2019 erhob die Spitex Klage beim Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern und beantragte, die Atupri sei zu verpflichten, ausstehende Kosten für zugunsten von B.________ ab 1. Januar 2018 erbrachte Pflegeleistungen im Umfang von Fr. 959.45 zu bezahlen. Mit Entscheid vom 25. März 2020 wurde die Klage abschlägig beschieden.
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C. Die Spitex lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und ihr klageweise gestelltes Begehren erneuern.
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Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236).
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2. Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin für die während des Zeitraums April, Juni bis Oktober und Dezember 2018 sowie Februar bis April 2019 im Betrag von Fr. 959.45 durch die Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen zu Recht verneint hat.
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3. 
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3.1. Nach Art. 24 Abs. 1 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) die Kosten für die Leistungen gemäss Art. 25-31 KVG nach Massgabe der in den Art. 32-34 KVG festgelegten Voraussetzungen. Die Leistungen umfassen die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, welche in einem Spital durchgeführt werden u.a. durch Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen (Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 KVG). Laut Art. 25a Abs. 1 KVG leistet die OKP einen Beitrag an die Pflegeleistungen, welche auf Grund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant, auch in Tages- oder Nachtstrukturen, oder im Pflegeheim erbracht werden, wobei der Bundesrat die Pflegeleistungen bezeichnet und das Verfahren der Bedarfsermittlung regelt (Art. 25a Abs. 3 KVG).
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Der entsprechende Leistungsbereich wird - gestützt auf Art. 33 lit. b KVV - in Art. 7 ff. KLV näher umschrieben. Gemäss Art. 7 Abs. 2 KLV umfassen die Leistungen im Sinne von Abs. 1 der Bestimmung Massnahmen der Abklärung, Beratung und Koordination (lit. a), der Untersuchung und der Behandlung (lit. b) sowie der Grundpflege (lit. c). Die Massnahmen der Untersuchung und der Behandlung gemäss lit. b beinhalten u.a. pflegerische Vorkehren zur Umsetzung der ärztlichen Therapie im Alltag, wie Einüben von Bewältigungsstrategien und Anleitung im Umgang mit Aggression, Angst, Wahnvorstellungen (Ziff. 13), sowie solche zur Unterstützung für psychisch kranke Personen in Krisensituationen, insbesondere zur Vermeidung von akuter Selbst- oder Fremdgefährdung (Ziff. 14). Zu den Massnahmen der Grundpflege nach Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV gehören u.a. (Ziff. 2) Vorkehrungen zur Überwachung und Unterstützung psychisch kranker Personen in der grundlegenden Alltagsbewältigung, wie: Erarbeitung und Einübung einer angepassten Tagesstruktur, zielgerichtetes Training zur Gestaltung und Förderung sozialer Kontakte, Unterstützung beim Einsatz von Orientierungshilfen und Sicherheitsmassnahmen.
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3.2. Die Leistungspflicht nach Art. 7 KLV setzt bei psychisch erkrankten Versicherten zum einen voraus, dass eine behandlungsbedürftige psychische Beeinträchtigung vorliegt. Voraussetzung für die Vergütung von Leistungen der ambulanten spitalexternen Krankenpflege (gemäss Tarif nach Art. 7a KLV) ist ferner ein klarer ärztlicher Auftrag oder eine ärztliche Anordnung hinsichtlich der erforderlichen Massnahmen, welche auf Grund der Bedarfsabklärung und der gemeinsamen Planung näher zu umschreiben sind (Art. 8 Abs. 1 KLV [in der vorliegend massgebenden, bis Ende 2019 in Kraft gestandenen Fassung]). Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die betroffene Person in ärztlicher Behandlung stehen muss. Entscheidend für die Leistungspflicht des Krankenversicherers ist somit, dass es sich um krankheitsbedingte Pflegemassnahmen und nicht um Vorkehren handelt, die aus anderen persönlichen oder sozialen Gründen erbracht werden (zum Ganzen: BGE 131 V 178 E. 2.2 S. 183 f.). Für die Anordnung von Massnahmen der ambulanten (psychiatrischen) Krankenpflege ist eine überprüfbare zuverlässige Grundlage in Form einer nachvollziehbaren aktuellen psychiatrischen Statuserhebung und Diagnosestellung erforderlich, mit anderen Worten ist eine genügende fachärztliche Abstützung (Befund, Diagnose, Therapie) notwendig (Urteil 9C_698/2016 vom 4. Mai 2017 E. 3.4.3). Genügen die vorhandenen Angaben (in der Pflegedokumentation) nicht, um die Leistungspflicht in zuverlässiger Weise beurteilen zu können, hat der Krankenversicherer ergänzende Unterlagen einzuverlangen. Wird dieser Aufforderung nicht oder nur ungenügend nachgekommen, kann er die Vergütung der geltend gemachten Leistungen ablehnen (BGE 131 V 178 E. 2.4 S. 188; Urteil 9C_698/2016 vom 4. Mai 2017 E. 3.4.3).
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4. 
12
4.1. Streitig ist, ob die von der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum erbrachten Leistungen - wie vom behandelnden Arzt Dr. med. C.________, Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, gemäss Bedarfsformularen vom 5. Dezember 2017, 11. April und 18. Juni 2018 sowie 9. April 2019 deklariert - pflegerische Behandlungsvorkehren gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 13 und 14 KLV darstellen und daher von der Beschwerdegegnerin zu vergüten sind. Nicht ärztlich verordnet wurde demgegenüber psychiatrische Grundpflege im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. c Ziff. 2 KLV.
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4.2. Wie die Beschwerdeführerin im Grundsatz zu Recht vorbringt, steht es prinzipiell im pflichtgemässen Ermessen der Pflegefachperson (oder der Spitex) und der für die Anordnung der Leistungen zuständigen Ärztin, welche Massnahmen in zeitlicher Hinsicht wie auch in Bezug auf Form und Inhalt angebracht sind. Den zuständigen Personen kommt bei der Beurteilung des konkreten Bedarfs ein gewisser Spielraum zu, in den namentlich dann nur zurückhaltend einzugreifen ist, wenn es sich bei der Ärztin, welche die Massnahmen anordnet, um die Hausärztin der versicherten Person handelt, die jederzeit über deren Gesundheitszustand im Bilde ist (Urteil 9C_698/2016 vom 4. Mai 2017 E. 3.4.3 mit Hinweisen).
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Vorliegend ist jedoch weder aus fachärztlicher noch aus hausärztlicher Sicht eine hinreichende Prüfung und Darlegung der psychischen Situation der Versicherten erkennbar. In den aktenkundigen Unterlagen fehlt - auch nach mehrmaligem Nachfragen durch die Beschwerdegegnerin - eine nachvollziehbare zeitnahe psychiatrische Status- und Befunderhebung sowie Diagnosestellung. Dokumentiert sind lediglich ein von Dr. med. C.________ am 28. September 2007 visiertes "Aufsuchende Pflege - Anmeldeformular", in welchem pflegerische Massnahmen auf Grund einer bei der Versicherten diagnostizierten Erschöpfungsdepression und einer latenten Suizidalität verordnet wurden, sowie Berichte des Spitals D.________, Psychiatrischer Dienst, vom 14. November 2007, 18. März 2014 und 21. September 2015, des Dr. med. E.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 23. Juni 2010 und des Dr. med. C.________ vom 2. November 2018 und 29. November 2019. Daraus geht hervor, dass sich die Versicherte letztmals 2007/2008 in ambulanter psychiatrischer Behandlung befand. Seither hat sie - nach eigener Aussage - verschiedene psychotherapeutische Behandlungen begonnen, diese aber jeweils nach kurzer Zeit wieder abgebrochen. Die den hausärztlichen Verordnungen zugrundeliegenden, unter dem Titel "Anamnese, persönliche Anamnese" aufgelisteten psychiatrischen Diagnosen in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung mit/bei rezidivierenden depressiven Episoden, einem Status nach Tablettenintoxikation in suizidaler Absicht 2007 und schwerer psychosozialer Belastung, einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) mit Störung der Impulskontrolle (Wutausbruch), einer leichten Intelligenzminderung bei Verhaltensstörung, eines grenzwertigen Körpergewichts sowie einem Nikotin- und wahrscheinlich Cannabiskonsum vom 18. April 2019 stammen laut Auskunft des Dr. med. C.________ vom 29. November 2019 aus dem Bericht des Spitals D.________ vom 21. September 2015. Anderweitige, sich insbesondere echtzeitlich zum Gesundheitszustand der Versicherten im hier relevanten Zeitraum von April 2018 bis April 2019 äussernde ärztliche Angaben existieren offenkundig nicht. Vielmehr räumte der behandelnde Arzt selber ein, dass die Versicherte erneute Psychotherapieversuche in den Jahren 2014 und 2015 wieder beendet und er sie einzig zur Fortsetzung der aufsuchenden psychiatrischen Pflege habe motivieren können (vgl. Bericht vom 29. November 2019).
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4.3. Damit mangelt es mit der Vorinstanz an aktualisierten Grundlagen eines psychiatrischen Facharztes für die Beurteilung respektive Anordnung der erforderlichen (pflegerischen) Massnahmen. Daran vermag weder die hausärztliche Einschätzung des Dr. med. C.________ vom 2. November 2018 noch die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 26. November 2018, in der sie sich detailliert zur Art der vorgenommenen Vorkehren äussert, etwas zu ändern. Ebenso wenig genügen allein die durch den Hausarzt ausgestellten Verordnungen dem entsprechenden Erfordernis. Auf eine zuverlässige Beurteilungsbasis kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil die Zuordnung von psychiatrischen Pflegeleistungen in der Praxis schwieriger ist als bei der somatischen Pflege (Urteil 9C_698/2016 vom 4. Mai 2017 E. 3.4.3). Ob bei genügender fachärztlicher Abstützung psychiatrische Behandlungspflege im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 13 und 14 KLV durch den Hausarzt respektive einen Allgemeinmediziner oder allein durch einen Psychiater verordnet werden kann, braucht bei diesem Ergebnis nicht abschliessend beantwortet zu werden (hausärztliche Verordnungskompetenz bejaht für psychiatrische Grundpflege gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. c Ziff. 2 KLV: Urteil 9C_698/2016 vom 4. Mai 2017 E. 3.4.3 mit weiteren Hinweisen; siehe auch Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 521 Rz. 376). Unerheblich ist unter den gegebenen Umständen im Übrigen auch der Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei nicht berechtigt gewesen, die ärztliche Anordnung zur Erbringung der verordneten Pflegeleistungen in Zweifel zu ziehen.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 10. August 2020
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl
 
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