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Informationen zum Dokument  BGer 5A_670/2020  Materielle Begründung
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BGer 5A_670/2020 vom 02.09.2020
 
 
5A_670/2020
 
 
Urteil vom 2. September 2020
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Krishna Müller,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Bigler,
 
Beschwerdegegner,
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Mittelland Nord, Bernstrasse 5, 3312 Fraubrunnen.
 
Gegenstand
 
Sorgerecht und Besuchsrecht,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 22. Juni 2020 (KES 20 229 KES 20 230).
 
 
Sachverhalt:
 
Die rubrizierten Parteien sind die nicht verheirateten Eltern von C.________ (geb. 2019). Vor der Geburt des Kindes erklärten sie die gemeinsame elterliche Sorge. Einen Monat nach der Geburt trennten sie sich. In der Folge beantragten sie mit Schreiben vom 2. September 2019, die elterliche Sorge sei der Mutter allein zuzuteilen; nachdem gegen ihn Strafanzeigen erfolgt waren, widerrief der Vater jedoch die entsprechende Erklärung.
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Mit Entscheid vom 5. Februar 2020 wies die KESB Bern-Mittelland den Antrag der Mutter auf Zuteilung des alleinigen Sorgerechts ab und legte den persönlichen Verkehr des Vaters mit dem Kind vorerst auf wöchentliche Treffen von zwei Stunden fest, unter Errichtung einer Besuchsrechtsbeistandschaft.
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Die hiergegen eingereichte Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 22. Juni 2020 ab.
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Gegen diesen hat die Mutter am 20. August 2020 eine Beschwerde mit einem blossen Aufhebungs-, eventuell Rückweisungsantrag eingereicht. Ferner wird die aufschiebende Wirkung und die unentgeltliche Rechtspflege verlangt.
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Erwägungen:
 
1. Die Rechtsmittel nach dem Bundesgerichtsgesetz sind reformatorisch (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Daher darf sich die beschwerdeführende Partei nicht darauf beschränken, die Aufhebung oder Kassation des angefochtenen Entscheides zu beantragen; vielmehr ist ein Antrag in der Sache zu stellen. Es ist demnach anzugeben, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden (BGE 133 III 489 E. 3.1 S. 490; 134 III 379 E. 1.3 S. 383; 137 II 313 E. 1.3 S. 317; aus jüngerer Zeit: Urteile 4A_578/2019 vom 16. April 2020 E. 1.2; 5A_789/2019 vom 16. Juni 2020 E. 2.1; 8C_233/2020 vom 5. August 2020 E. 1.3; 1B_578/2019 vom 11. August 2020E. 1.1). Die Beschwerde scheitert mithin bereits an den ungenügenden Rechtsbegehren.
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2. Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253).
6
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 142 III 364 E. 2.4 S. 368).
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3. Diesen Begründungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Das Obergericht hat in seinem über 20 Seiten langen Entscheid, auf dessen Begründung verwiesen werden kann, die rechtlichen Grundlagen des Sorge- und Besuchsrechts sowie die konkrete Situation und die Rechtsanwendung im Einzelfall detailliert dargestellt.
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Die Beschwerdeführerin bringt im Zusammenhang mit dem Sorgerecht einzig vor, der Tatsache, dass der Vater auf das Sorgerecht habe verzichten wollen, sei keine Beachtung geschenkt worden und der Sachverhalt hätte genauer überprüft werden müssen. Indes hat sich das Obergericht zu den Gründen des "Verzichtes" auf das gemeinsame Sorgerecht geäussert (vorübergehend psychisch instabile Phase zufolge Trennung) und sodann grosses Gewicht darauf gelegt, dass die Eltern die Verantwortung und Pflege für das Kind bis zur Trennung gemeinsam wahrgenommen hätten, dass der Vater aktenkundig immer Interesse am Kind gezeigt habe, dass er für dieses Verantwortung tragen wolle und dass keine ausreichenden Hinweise für eine prinzipielle Unfähigkeit, Entscheidungen für das Kind treffen zu können, vorhanden seien. Was ferner den Vorwurf anbelangt, das Obergericht zweifle an der Glaubwürdigkeit ihrer Vergewaltigungsvorwürfe, bleibt es bei rein appellatorischen Ausführungen, obwohl es um Beweiswürdigung und damit um Sachverhaltsfeststellung geht (obergerichtliche Erwägungen: die Mutter habe bei der Anhörung vor der KESB am 13. Januar 2020 nichts Entsprechendes erwähnt, jedoch am Folgetag, nachdem die KESB die Fortführung der gemeinsamen Sorge in Aussicht gestellt habe, die Polizei kontaktiert und eine Strafanzeige wegen Vergewaltigung eingereicht; in der Beschwerde werde sodann erstmals der Vorwurf erhoben, der Beschwerdegegner habe ihr gegenüber auch physische Gewalt angewandt; angesichts dieser Aggravierungstendenzen seien ihre Vorbringen mit Zurückhaltung zu würdigen; ausserdem lasse sich aus den Vorwürfen keine unmittelbare Gefährdung des Kindes ableiten und es liege kein begründeter Verdacht auf eine konkret drohende Kindeswohlgefährdung bei gemeinsamer elterlicher Sorge vor). Insbesondere zum entscheidenden letzten Punkt äussert sich die Mutter nur vage und abstrakt, wenn sie vorbringt, ein Schuldspruch sei nicht völlig auszuschliessen und diesfalls wäre das Verhältnis zwischen den Eltern sicher in einer Weise belastet, dass kein gemeinsames Sorgerecht mehr möglich wäre. Insgesamt ist die Beschwerde in Bezug auf das Sorgerecht nicht hinreichend begründet.
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Im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht bringt die Mutter einzig vor, dass kein Gutachten angeordnet worden sei stelle Rechtsverzögerung dar. Eine solche ist indes nicht ersichtlich und die Mutter setzt sich nicht sachgerichtet mit den ausführlichen Erwägungen des Obergerichtes, wieso kein Gutachten angezeigt ist, auseinander. Sachfremd ist ferner das Vorbringen, einem Kind sei kein Kontakt zu einem Vater zumutbar, der in ein sexualstrafrechtliches Verfahren verwickelt sei, und es müsse zuerst der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet werden, bevor überhaupt über das Besuchsrecht entschieden werden dürfe. Das Obergericht hat sich zum Besuchsrecht und dessen Modalitäten ausführlich geäussert und ein auf Art. 274 Abs. 2 ZGB gestützter gänzlicher Ausschluss von persönlichen Kontakten (vorliegend geht es vorerst um begleitete Besuche von zwei Stunden pro Woche) stellt eine ultima ratio dar, die nur angeordnet werden darf, wenn die nachteiligen Auswirkungen des persönlichen Verkehrs sich nicht in für das Kind vertretbaren Grenzen halten lassen (vgl. Urteile 5A_92/2009 vom 22. April 2009 E. 2; 5A_505/2013 vom 20. August 2013 E. 2.3; 5A_367/2015 vom 12. August 2015 E. 5.1.2; 5A_528/2015 vom 21. Januar 2016 E. 5.1; allgemein zur Einschränkung des Besuchsrechts vgl. Urteile 5A_463/2017 vom 2018 E. 4.5.5; 5A_875/2017 vom 6. November 2018 E. 3.3; 5A_831/2018 vom 23. Juli 2019 E. 6.2; 5A_111/2019 vom 9. Juli 2019 E. 2.3). Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung erfolgt nicht und ebenso wenig eine substanziierte Bezugnahme auf die ausführlichen obergerichtlichen Erwägungen, wonach die getroffenen Einschränkungen des Besuchsrechts genügend Schutz bieten.
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4. Nach dem Gesagten mangelt es der Beschwerde an genügenden Rechtsbegehren und ist sie offensichtlich nicht hinreichend begründet, weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann und der Präsident im vereinfachten Verfahren entscheidet (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).
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5. Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
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6. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist.
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7. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt der Präsident:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, der KESB Mittelland Nord und dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 2. September 2020
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Herrmann
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Der Gerichtsschreiber: Möckli
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